Peter Grimm / 06.01.2021 / 10:00 / 207 / Seite ausdrucken

Kriegsrecht ohne Krieg

Wäre es nicht eine Art von Anerkennung der „Neuen Normalität“, könnte man sagen, die einer Demokratie unwürdige Inszenierung der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin, bei der die jeweilige Ausgestaltung des Ausnahmezustands abgesprochen wird, hat schon eine gewisse Tradition. Jedes Mal werden die etlicher Bürgerrechte beraubten Bürger tagelang in Statements darauf vorbereitet, was wohl kommen wird. Diesmal war deshalb jedem Nachrichtenkonsumenten schon längst klar, dass der sogenannte Lockdown verlängert werden würde. Eine Hoffnung auf demnächst geöffnete Geschäfte, Restaurants oder Kultureinrichtungen konnte gar nicht entstehen. Auch darauf, dass es stattdessen die eine oder andere Verschärfung geben würde, war das Publikum schon vorbereitet worden.

So wusste schon jeder, dass es zu all den Verboten, Zwängen und Regularien nun auch noch eine regionale Ausgangsbeschränkung geben werde. Man sprach davon, dass – wie es in Sachsen schon seit Dezember gilt – sich in Landkreisen mit einer sogenannten Sieben-Tages-Inzidenz von mehr als 200 positiven Testergebnissen pro 100.000 Einwohner, niemand weiter als 15 Kilometer von seinem Wohnort entfernen dürfe. Einige Berichterstatter sprachen schon von der „Corona-Leine“, an die die Bürger dort gelegt würden. Über solche Metaphern dürften sich die Initiatoren der Maßnahmen nicht wundern, denn wer – wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder – selbst davon sprach, die Zügel straffer anzuziehen, sollte auch einen Hundeleinen-Vergleich nicht unpassend finden.

Auch die Kontaktverbote werden weiter verschärft: Angehörige eines Haushalts dürfen sich nur noch mit einem haushaltsfremden Menschen treffen. Auf der Abschlusspressekonferenz wartete die Bundeskanzlerin neben der Corona-Leine und dem erweiterten Kontakt-Verbot auch noch mit dem Gebot zur Schließung von Kantinen auf, wo immer das die Arbeitsabläufe zuließen. Letzterer Halbsatz dürfte dazu gedacht sein, den Weiterbetrieb der Kantinen in Parlamenten und Ministerien zu ermöglichen.

Und weil Kindergärten und Schulen weiter geschlossen blieben, dürften sich Eltern auch 2021 je Elternteil zehn zusätzliche Krankentage zur Kinderbetreuung nehmen. Das war die einzige konkret benannte Ausgleichs-Wohltat. Ansonsten hieß es nur ganz allgemein, dass man den Lockdown-Geschädigten helfen werde. Warum sollte sich eine Regierung, die es nicht schafft, schnelle „Novemberhilfen“ vor dem Januar auszuzahlen, auch noch einmal auf Zahlen und Daten festlegen?

So sind also den Ausnahmezustandsregeln noch ein paar weitere Zumutungen hinzugefügt worden. Dieses Jahr begann mit zwangsgeschlossenen Geschäften, Gastwirtschaften aller Art, Museen, Theatern, Opernhäusern und Kinos. Nahezu jeder Raum, in dem sich Menschen entspannt begegnen konnten, ist geschlossen worden. Selbst Kirchen wurden in der Gestaltung von Gottesdiensten streng reglementiert. Und im öffentlichen Raum darf man sich auch im Freien nur in kleinster Runde begegnen. Nur noch wenige Gebiete darf man ohne eine Maske betreten. Das gesellschaftliche Leben ist weitgehend stillgelegt. Die Freizügigkeit im eigenen Land gibt es schon eine Weile nicht mehr. Versammlungen und Demonstrationen sind schwer zu organisieren und leicht zu verbieten. Vielerorts gelten nächtliche Ausgangssperren.

Kaltherzige Zahlen gegen warme Menschlichkeit?

Was ist das? Kriegsrecht, nur ohne Krieg? Es muss eine gewaltige Bedrohung sein, wegen der die Bürger in den Schutzraum der weitgehenden Vereinzelung gezwungen werden. Und etwas Unanständigeres als die Frage danach, ob das nicht maßlos übertrieben ist, scheint es für die Verantwortlichen kaum zu geben.

Nun wird all das mit der Gefahr begründet, die das vor einem Jahr noch neue Corona-Virus für unser Gesundheitssystem darstellt. Es könnte zusammenbrechen, heißt es von den Verantwortlichen, deren Aufgabe es u.a. war, hierzulande für ein krisenfestes Gesundheitssystem zu sorgen. Doch darüber redet niemand. Gut, wenn tödliche Seuchen drohen, sollte man nicht lange über Vergangenes diskutieren. Dann ist Seuchenschutz geboten. Aber welche Seuche droht?

An dieser Stelle ist es heutzutage nötig, zu betonen, dass man kein „Coronaleugner“ ist. Selbstverständlich weiß ich, dass Covid-19 eine ernste Krankheit ist, deren schweren Verlauf man niemandem an den Hals wünscht und an der Menschen auch sterben können. Ob oder wieviel schlimmer sie als eine Grippe ist, vermag ich mangels medizinischer Kenntnisse nicht aus eigenem Wissen zu sagen. Doch es ist wohl unzweifelhaft erkennbar, dass es sich nicht um eine Seuche wie einst die Pest oder heute vielleicht Ebola handelt. Die Sterberate ist recht niedrig und es sterben vor allem alte und vorerkrankte Menschen – so sagen es die Zahlen. Schwere Verläufe sind langwierig und qualvoll, und wer daran stirbt, stirbt keinen schönen Tod – so sagen es Erlebnisberichte von Patienten, Ärzten und Pflegern. Dies wird heutzutage in den Medien zwar gern gegeneinander gestellt – die kaltherzigen Zahlen gegen warmherzige Menschlichkeit – dabei gehört beides zusammen. Ersteres sagt: Es gibt keine hinreichende Grundlage für diese Art von Kriegsrecht, letzteres sagt: Es besteht Handlungsbedarf. Man muss zielgenau etwas tun zum Schutz derer, die besonders anfällig für schwere Verläufe sind und für die Ertüchtigung des Gesundheitswesens.

Dass beispielsweise die Intensivpfleger fehlen, davor haben die Fachleute schon vor vielen Jahren gewarnt. Dieser Missstand lässt sich nicht einfach schnell beheben. Aber in der Krise soll man doch an die Zukunft denken. Doch während Fantastilliarden Euro zur Finanzierung der Lockdown-Schäden aufgebracht werden, kam bislang keinem Verantwortlichen die Idee, den Corona-Warnruf dazu zu nutzen, um endlich mehr Ausbildungsmöglichkeiten zum Intensivpfleger zu schaffen. Nur dadurch ließe sich mittel- und langfristig die Lücke füllen.

Stattdessen sind verantwortliche Politiker mit dem Ersinnen von Ausnahmezustandsregeln beschäftigt, die dann von der Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin immer wieder neu beschlossen werden können. Gestern hat dieser Kreis das Notstandsreglement weiter verlängert und verschärft. Mit dieser Politik wurde allerdings bereits ein so großer Schaden angerichtet, dass die nun selbst bei eventuell gewonnener anderer Einsicht nicht falsch gewesen sein darf. Das könnte kein Verantwortlicher mehr vertreten, der politisch noch überleben will. Wenn man keine Fehler eingestehen kann, ist ein „weiter so“ alternativlos. Immer wieder eine neue Fortsetzung, vielleicht auch noch eine kleine Verschärfung.

Keine falschen Fragen

Wäre es nicht für immer mehr Menschen so dramatisch, könnte man über so manche Kuriosität nur noch schmunzeln. Auf der einen Seite wird der Ausnahmezustand immer wieder verlängert und verschärft, weil die Corona-Lage so dramatisch sein soll, andererseits kann man seit Monaten an jedem Wochenende in den Nachrichten hören, dass die Zahlen vom Robert-Koch-Institut, an denen sich die Corona-Politik orientiert, nicht vollständig seien, weil am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter Zahlen meldeten. Wie aber passt diese Verwaltungsruhe mit der Pandemie-Angst zusammen, mit der der Ausnahmezustand nebst Einschränkung der Grundrechte nach wie vor legitimiert wird?

Geht also alles nur so weiter, weil die Verantwortlichen nicht wissen, wie sie aus der Situation herauskommen sollen? Setzen sie auch deshalb so sehr auf den Impfstoff? Oder gefällt manchem Politiker nicht immer noch die neue Machtfülle? Egal wie man diese Fragen beantwortet, die Motivation ist offenbar groß, die bisherige Corona-Politik nicht infrage zu stellen.

Stattdessen hört man in den Medien manche Stimme, die Gutes im Corona-Ausnahmezustand zu entdecken vermag, weil sich die Gesellschaft einer Herausforderung stellen muss. Ich finde den Gedanken, dass eine Gesellschaft ab und an einen Ausnahmezustand braucht, nicht schön. Einige verantwortliche Politiker hatten die wirtschaftlichen Herausforderungen der Nach-Corona-Zeit schon einmal mit der Nachkriegszeit verglichen. Vielleicht ist es ja ein Fortschritt, dass wir jetzt keinen Krieg haben, sondern nur ein Kriegsrecht ohne Krieg?

Aber zurück zur Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin. Für den 25. Januar hat sie den nächsten Auftritt dieser Runde zum Corona-Ausnahmezustand angekündigt. Schon bald werden wir von den Ideen hören, welche uns dann als Beschlüsse erwarten werden. Darauf, dass auch am 31. Januar nicht Schluss ist, wurden wir ja schon vorbereitet. Die Kanzlerin wird mit den bis dahin erzielten Lockdown-Ergebnissen noch nicht zufrieden sein. Und um nicht den Eindruck zu erwecken, man mache etwas Erfolgloses immer weiter, könnte ja noch ein bisschen mehr verschärft werden. Vielleicht diskutiert man dann über die Länge der Corona-Leine. Reichen nicht auch zehn Kilometer? Oder fünf? Oder einer? Vielleicht lässt sich auch noch was an der Maskenpflicht verschärfen? Oder vielleicht eine Handschuhpflicht einführen? Darüber darf die Öffentlichkeit jetzt gern ein paar Wochen spekulieren, statt die Frage nach einem Kurswechsel zu stellen. Oder danach zu fragen, was die Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin eigentlich legitimiert, seit vielen Monaten die Regeln des Ausnahmezustands zu bestimmen.

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Peter Michel / 06.01.2021

Herr Grimm, es ist Krieg, nicht nur Kriegsrecht. Ein Weltkrieg, bei dem fast alle mehr oder weniger mitmachen.  Nur die Fronten sind diesmal anders. Nicht Länder bekriegen sich, sondern Reiche unterjochen Ärmere. Der Schützengraben soll die Maske sein und der Lockdown ist der Bombenhagel. Und wieder laufen viele Ihren Führern nach, Sie haben ja nichts mitbekommen. Eine wundervolle Inszenierung, bei der es richtige Zerstörungen, Opfer und Kriegsgewinnler gibt. Und nachher ist die große Mehrheit nur Mitläufer gewesen.

Jürg Casanova / 06.01.2021

Ach, ist Regieren schön! Angeheizt von hirnlosen Qualitätsjournalisten überbieten sich Politgrössen aller Couleur mit immer dreisteren Bestimmungen. Wenn Sie sich kundtun wollen, welche Ausmasse diese Gier nach Knebelung des Volkes annehmen kann, studieren Sie die Befehlsketten im damaligen Faschisten-Deutschland. Die Kinder und Enkel dieser Befehlsempfänger und ausführenden Organe leben heute (die Oppositionellen wurden ja alle umgebracht!), haben die Mentalität in Fleisch und Blut und eifern unbewusst, weil sie sich nie die Mühe gemacht haben, die Machtstrukturen wirklich zu hinterfragen, ihren Vätern und Müttern nach, schaffen sich eine ähnliche Ausgangslage, nur jetzt mit digitalen Mitteln und vorläufig noch sanfteren Methoden. Es wird erst dann ein Ende haben, wenn grosse Teile der Bevölkerung entweder freiwillig oder gezwungen im Gefängnis sitzen oder aus dem Leben geschieden sind. Die Politiker werden ohne Gegendruck niemals nachgeben, denn sie können auf versteckten Pfaden alles tun und lassen, was dem tumben Volk verboten ist. Sogar die WHO hat gemerkt, dass ein Lockdown nichts bringt, aber er muss sein, und wenn er nichts nützt, muss er halt verschärft werden. Im kommenden Sommer darf nur noch in der Badewanne gebadet werden, man darf nicht mehr ausser Haus gehen, Lebensmittel gibts nur noch per Kurier und rationiert. Restaurants werden verboten, der öffentliche Verkehr wird eingestellt. Wer sich umbringen lässt, kriegt zuvor eine Henkersmahlzeit. Ich bin gespannt, wie viel davon wir widerstandslos schlucken.

Dr. Konrad Voge / 06.01.2021

Es hilft nur noch eine bürgerliche Revolution um den gesamten Irrsinn im Land zu beenden. Wird aber nicht machbar sein.

Judith Panther / 06.01.2021

Hab´s: ARD-Mediathek “Ihre Meinung - Lockern oder verschärfen? Welche Corona-Regeln sind richtig?” Mit Bettina Böttinger

Judith Panther / 06.01.2021

Bettina Böttinger hat Anfang Oktober in der WDR-Sendung “Ihre Meinung” gezeigt, wie es sich anhört, wenn mal nicht handverlesene Presseleute zu Wort kommen, sondern einfache Bürger.  Leider bei Youtube schwer zu finden - Versuch unter “Gänsehaut: Bürger WÜTEND! - Corona-Terror zerstört das Land”. Was auffällt:  Die Kommentare unter dem Video teilen sich auf in “Vor 2 Monaten” und “vor 2-6 Tagen”. Wird aktuell anscheinend öfter aufgerufen.

Alexander Jäger / 06.01.2021

In einem Punkt hat Hr. Grimm ganz zweifellos recht: die Versäumnisse unseres sehr teuren Gesundheitssystems (Stichwort Intensivpflege; es wären auch andere zu nennen, für die während des Privatisierungswahns die Regierung Schröder und seine tolle Ministerin Ulla Schmidt verantwortlich zeichneten)  sind mit ein Faktor für die Schwierigkeiten, die unser Land mit Corona hat. Wenn man - nach allen z.Teil schon sehr albernen und geradezu absurden Streitigkeiten um Zahlen, Zuverlässigkeit von Tests, Wirkung von Lockdown-Massnahmen und Impfungen usw. - sich nach der Krise - also hoffentlich im 2. Halbjahr 2021 -  auf die Zukunft besinnen wird und Lehren ziehen will: eine wird sicherlich sein, das Gesundheitssystem so zu organisieren, dass Pandemien besser bewältigt werden können.  Corona war die erste, die das Land seit 1945 heimgesucht hat, aber es wird nicht die letzte sein.

Michael Hoffmann / 06.01.2021

Es geht um die grundsätzliche Frage, ob Menschen die Macht haben dürfen, in dieser tyrannischen Weise über andere Menschen zu bestimmen. Egal aus welchem Grund. Die Antwort muß “nein” lauten. Selbst wenn die Pest ausbrechen würde, wären diese Maßnahmen daher nicht grechtfertigt. Im Übrigen bräuchte man dann auch keine Zwangsmaßnahmen. Und Grundrechte sind entweder vorhanden oder nicht. Die “Verhältnismäßigkeit” wurde nur eingeführt, um jederzeit Grundrechte abschaffen zu können. Der Begriff “Einschränkung” ist bereits framing. Mittlerweile habe ich gelernt, daß Grundrechte so heißen, weil es für die Mächtigen jederzeit einen Grund gibt, sie abzuschaffen.

giesemann gerhard / 06.01.2021

Meine Jüngste (33), Psychologin belehrte mich neulich: Life is a sexually transmitted disease and the penalty is death. Weiß auch nicht, was sie mir damit sagen wollte.

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