Seit es der Supreme Court in den USA für verfassungsgemäß erklärte, dass die Parlamente der Bundesstaaten das Abtreibungsrecht einschränken dürfen, gab es nicht nur hitzige Debatten, sondern auch mindestens 59 Anschläge auf Einrichtungen, die Schwangere beraten.
In dem Wissen, dass sich viele schwangere Frauen für eine Abtreibung entscheiden, weil sie das Gefühl haben, keine andere Wahl zu haben, hat die Pro-Life-Bewegung in den USA enorme Ressourcen in Beratungsstellen gesteckt, die ungeplant schwangeren Frauen Alternativen zur Abtreibung aufzeigen und sie während der Schwangerschaft und nach der Geburt unterstützen, üblicherweise kostenlos. Landesweit 3.000 solcher Einrichtungen mit Namen wie Pregnancy Resource Center oder Crisis Pregnancy Center bieten Schwangerschaftstests und Ultraschalluntersuchungen, andere vorgeburtliche Betreuung, Schwangerschaftsberatung, Unterstützung bei der Erwägung einer Adoption und der Steuerung des Adoptionsprozesses sowie finanzielle oder materielle Unterstützung für Frauen in Not. Sie helfen Schwangeren, Sozialleistungen zu beantragen und unterstützen sie mit Kleidung, Windeln, Kinderwagen, Babynahrung, Möbeln usw. Seit 2016 seien dank der Zentren 800.000 Babys geboren worden, die ohne die Unterstützung, die den Frauen geboten wurde, womöglich abgetrieben worden wären, behauptet das Charlotte Lozier Institute, ein Think Tank der Pro-Life-Bewegung. Viele Zentren bieten auch psychologische Unterstützung für Frauen, die eine Abtreibung vorgenommen haben.
Mehr denn je sind diese Hilfs- und Beratungsstellen unter Beschuss. Buchstäblich. Seit Anfang Mai gab es Dutzende von Anschlägen auf solche – oft von Christen betriebenen – Einrichtungen. Fensterscheiben werden eingeworfen, Hassparolen an Häuserwände geschmiert. Mehrfach wurden Gebäude in Brand gesetzt. Die Täter entstammen dem linksextremen Spektrum. Eine bislang unbekannte Untergrundorganisation namens Jane’s Revenge („Janes Rache“) – deren Identität nicht von unabhängiger Seite bestätigt ist – hat sich zu vielen der Taten bekannt und eine Erklärung veröffentlicht, in der sie von einem „Krieg“ spricht, den sie „überall in den USA“ führen werde, auch mit „militärischen“ Mitteln.
Der Hintergrund: Am 6. Mai war der Entwurf eines Gutachtens des Supreme Court im Fall Dobbs gegen Jackson Women’s Health Organization die Öffentlichkeit gedrungen. Laut dem Urteilsentwurf, der inzwischen zum Urteil geworden ist, ist es Sache der einzelnen Bundesstaaten, zu entscheiden, ob Abtreibung legalisiert werden soll. Damit wurde das Urteil Roe vs. Wade von 1973 aufgehoben. Damals hatte die Mehrheit der Verfassungsrichter sich zu Gesetzgebern aufgeschwungen und dekretiert, dass es ein Recht auf Abtreibung in den ersten sechs Monaten der Schwangerschaft gebe, das die gewählten Parlamente der Bundesstaaten nicht einschränken dürften. Dass der Supreme Court diese Ansicht nun revidiert hat, führte nicht nur zu einer hitzigen politischen Debatte, sondern auch zu einer Serie von Anschlägen auf Einrichtungen, die Schwangere beraten. 59 solcher Anschläge wurden bislang gezählt.
"Dies war nur eine Warnung"
Am 8. Mai – an dem nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA der Muttertag gefeiert wurde – wurde ein Büro der gemeinnützigen Organisation Wisconsin Family Action in Brand gesteckt. Die Täter sprühten Parolen, darunter: „Wenn Abtreibung nicht sicher ist, seid ihr es auch nicht.“ Am 10. Mai schickte Jane’s Revenge eine Erklärung an den Journalisten Robert Evans vom Recherchenetzwerk Bellingcat, die dieser auf Twitter veröffentlichte. Darin heißt es:
„Dies war nur eine Warnung. Wir verlangen die Auflösung aller Anti-Choice-Einrichtungen, falscher Kliniken und gewaltsamer Anti-Choice-Gruppen innerhalb von 30 Tagen.“
Die Gruppe kündigt „immer extremer werdende Taktiken“ an, „um die Freiheit über unsere Körper zu behalten“. Weiter schreibt sie:
„Wir sind gezwungen, uns ein Mindestmaß an militärischen Vorrichtungen für unseren politischen Kampf zuzulegen. Noch einmal, dies war nur eine Warnung. Das nächste Mal wird die Infrastruktur der Sklavenhalter nicht überleben. Der medizinische Imperialismus trifft nicht auf einen passiven Gegner. Wisconsin ist der erste Brennpunkt, aber wir sind überall in den USA und werden keine weiteren Warnungen herausgeben.“
Einige Beispiele für Angriffe der letzten drei Monate:
Texas: Gleich nachdem am 3. Mai an die Öffentlichkeit gedrungen war, dass der Supreme Court Roe vs. Wade aufheben wird, beschädigten Abtreibungsbefürworter die Anlage der Schwangerenberatung Trotter House in der texanischen Hauptstadt Austin. Sie schrieben mit Kreide Parolen auf den Gehweg, wie etwa: „Rette ein Leben, hol dir eine Abtreibung.“ Nach Angaben der Organisation wurde das Vereinsschild entwendet. Zudem wurden Steine mit Inschriften der Namen und Geburtstage von Babys, die entlang des Gehwegs in den Boden eingegraben sind, ausgegraben und auf den Rasen geworfen. Das Trotter House stellt sich auf seiner Website so vor:
„Wir bieten keine Abtreibungen an, empfehlen sie nicht und leiten auch nicht an jemanden weiter, der Abtreibungen durchführt, aber sind verpflichtet, wahrheitsgemäße Informationen über Prozeduren und Risiken anzubieten.“
„Ich wurde über die Überwachungskameras auf Aktivitäten in unserem Zentrum hingewiesen“, sagte die Gründerin und Direktorin des Zentrums, Lori DeVillez. „Als ich mir die Aufnahmen ansah, brach es mir das Herz.“ Sie habe die Polizei verständigt, aber niemand sei gekommen, sagte sie der Website Pregnancy Help News.
„Es ist so traurig, dass es so viel Hass gibt, und alles basiert auf einer Lüge. Die Dinge, die sie auf unser Gebäude gesprüht und die Parolen, die sie gerufen haben, geben nicht einmal wider, was wir sind.“
Eine linksradikale Gruppe namens Stop the Sweeps, die sich nach eigenen Angaben gegen Platzverweise für Obdachlose einsetzt, spottete auf Twitter, das Trotter House sei „neu dekoriert“ worden und bezeichnete die Einrichtung als „Infrastruktur der Anti-Abtreibungsbewegung“.
Oregon: Am 25. Juni griffen unbekannte Täter das Mother and Child Education Center in Portland an, warfen Scheiben ein und schmierten Fuck SCOTUS (Abkürzung für den Supreme Court der USA) auf das Schild der Organisation. Der Schaden beläuft sich auf mehr als 10.000 US-Dollar.
Das Mother and Child Education Center hilft jungen Müttern, denen es schwerfällt, Windeln, Kinderwagen und andere grundlegende Dinge zu bezahlen. Maura White, Geschäftsführerin des Beratungszentrums, die sich selbst als Pro-Choice-Liberale bezeichnet, sagte gegenüber dem Nachrichtensender Fox News, ihre Organisation helfe jungen Müttern und Babys in Not und habe keine offizielle Haltung zu dem umstrittenen Thema Abtreibungsrechte. „Meine Organisation ist gemeinnützig, und wir helfen Müttern, Familien, Kindern in Not und Babys im Alter von null bis fünf Jahren“, so White. „Wir sind nur da, um Menschen zu helfen. Und so dachten sie fälschlicherweise, dass wir hier draußen Anti-Abtreibung und alles machen würden. Die Gewalt war schrecklich.“ White sagte, ihr Zentrum unterstütze diejenigen, die sich bereits entschieden hätten, ihre Kinder auf die Welt zu bringen. „Sie haben diese Wahl bereits getroffen“, sagte sie, und fügte hinzu, dass ihre Organisation auch in den sozialen Medien angegriffen werde. „Sie verstehen nicht, was wir tun.“ Weiter sagte White, die örtliche Polizei habe sie im Voraus vor möglichen Angriffen gewarnt.
Ohio: Die Schwangerenberatung Right to Life of Northeast Ohio wurde seit der Urteilsverkündung bereits zweimal zum Ziel von Aktionen von Abtreibungsbefürwortern. Gleich nach der Urteilsverkündung des Supreme Court am 24. Juni demonstrierten sie vor dem Gebäude, setzten die Überwachungskamera außer Betrieb und hängten Transparente mit Parolen an die Fassade. Sachbeschädigung gab es da offenbar noch nicht. Das änderte sich am 8. Juli. Diesmal wurden die Fassade und der Gehweg vor dem Gebäude großflächig mit Schmierereien besprüht, die etwa lauteten: „Wenn Abtreibung nicht sicher ist, seid ihr es auch nicht“. Die Überwachungskamera filmte einen vermummten Täter. Das Beratungszentrum ist nur vier Kilometer von der Universität Akron entfernt. Die Exekutivdirektorin des Zentrums, Allie Frazer, sagte gegenüber dem Nachrichtensender Fox News:
„Als Lebensschützer wissen wir, dass unsere Arbeit uns etwas kosten könnte und dass dies sehr gut unsere körperliche Sicherheit sein könnte.“
Virginia: In Lynchburg wurde das in der Nähe der Universität liegende Blue Ridge Pregnancy Center angegriffen. Die Polizei fahndet nach vier Personen, die zahlreiche Fensterscheiben eingeworfen haben und die Parole sprühten: „Wenn Abtreibung nicht sicher ist, seid ihr nicht sicher.“
Minnesota: Am 14. Juni griffen Unbekannte in Minneapolis die Geschäftsstelle der gemeinnützigen Organisation Minnesota Citizens Concerned for Life an. Sie zerstörten Fensterscheiben und schmierten in großen roten Lettern die Parole „Abtreibung ist Befreiung“ an die Fassade. Laut der Organisation war es bereits der zweite derartige Anschlag innerhalb von fünf Wochen.
Im Internet gibt es ein Bekennerschreiben von Jane’s Revenge:
„'Minnesota Citizens Concerned For Life’ oder MCCL ist die größte Anti-Abtreibungsorganisation im sogenannten Minnesota und verantwortlich für unsagbares Leid als Ergebnis ihrer Anti-Wissenschafts-Propagandakampagnen, gruseligen gesetzgeberischen Versuche zur sozialen Kontrolle und Unterstützung für hasserfüllte bigotte Politiker. Also beschlossen wir in einer kleinen Geste des Trotzes und der Freude, alle ihre Fenster einzuschlagen und ihnen eine Nachricht von unserer Freundin Jane zu hinterlassen.“
Die Gruppe fügte hinzu: „Wir hätten mehr tun sollen.“
Am 5. Juli wurde das Crisis Pregnancy Center in St. Paul angegriffen. Zwei Fensterscheiben wurden eingeworfen, dazu Parolen an die Wände geschmiert, wie etwa: „Treibt Amerika ab“, „Blut an euren Händen“ und Jane’s Revenge.
Pennsylvania: Am 10. oder 11. Juni zerstörten unbekannte Täter die Glastür und die Scheiben des Hope Pregnancy Center in Philadelphia. Auf der linksradikalen Website Philly Anticapitalist bezichtigte sich jemand der Tat, mit einem Text, der lautet:
„Wir haben alle Fenster des Schwangerschaftszentrums ‚Hope‘ in der Broad Street eingeschlagen. Wir haben eure ‚Familienwerte‘ satt und dass ihr Familien und eure Werte auf unsere Körper zwingt. Diese gefälschte Klinik verbreitet Lügen und ist Teil eines umfassenderen Versuchs, Hunderten von Frauen und Menschen die Körperautonomie zu entziehen. Wir sind inspiriert von den Aktionen von Genossen in Wisconsin, Colorado, New York und einer wachsenden Liste von Orten. Wenn der Angriff auf die Abtreibung nicht aufhört, werden sich unsere Angriffe ausweiten. Dies ist auch als kleine Geste der Komplizenschaft mit allen vom Staat Inhaftierten zu Ehren des 11. Juni gedacht.
-Anti-Hoffnungs-Brigade“
Der 11. Juni gilt amerikanischen Anarchisten als Tag der Solidarität mit inhaftierten anarchistischen Straftätern.
Michigan: Am 19. Juni griffen Unbekannte das Lennon Pregnancy Center in Dearborn Heights und das Pregnancy Care Center in Redford an. Sie zerstörten Scheiben und schmierten Parolen, darunter auch „Jane’s Revenge.“ Auf der linksradikalen Website Abolition Media bekannte sich eine „Gang krimineller Queers“ zu der Tat.
Colorado: Am 25. Juni verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf ein christliches Beratungszentrum für schwangere Frauen in Not. Das Gebäude wurde durch das Feuer und den Rauch schwer beschädigt. Die Täter schmierten das „A“-Zeichen der Anarchisten an das Gebäude und die Parole „Wenn Abtreibung nicht sicher ist, seid ihr es auch nicht.“
Die Täter handeln im Gefühl, die Sympathien von Teilen der politischen Klasse auf ihrer Seite zu haben. Denn Abtreibungsbefürworter vom linken Flügel der Demokraten unterstützen den Kampf gegen Hilfs- und Beratungsangebote für schwangere Frauen. Elizabeth Warren, US-Senatorin für Massachusetts, twitterte Ende Juni, es sei „wichtiger denn je“, gegen „sogenannte crisis pregnancy centers vorzugehen“, die „Patientinnen, die eine Abtreibung wollen, in die Irre führen und täuschen“. Warren erhob die unbelegte Behauptung, crisis pregnancy centers würden eine „Lockvogel“-Taktik anwenden: so tun, als würden sie Abtreibungen anbieten und Frauen, die eine Abtreibung wollen, diese ausreden. Um gegen diesen angeblichen Missstand vorzugehen, werde sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, der „Desinformation“ mit hohen Strafen belege. Eine staatliche Agentur soll dann bestimmen, was „Desinformation“ ist. Wie dringend der Handlungsbedarf sei, verdeutlichte Warren anhand einer Zahl: „Hier in Massachusetts gibt es dreimal so viele crisis pregnancy centers wie echte Abtreibungskliniken.“
In eigener Sache:
Seit einigen Tagen ist Achgut.com erneut Verleumdungen und Boykott-Aufrufen aus dem antisemitischen Milieu auf Twitter ausgesetzt. Anonyme Denunzianten, die unser freies Onlinemedium wirtschaftlich vernichten wollen, denunzieren uns bei Unternehmen – verbunden mit dem Aufruf, keine Werbung mehr bei uns zu schalten. Mehr dazu finden Sie im Beitrag: Die „Compliance“ von Antisemiten. Aufgrund vieler Fragen von Achse-Lesern und Twitter-Nutzern, was man ganz praktisch dagegen tun könnte, beschreiben wir hier die Möglichkeit, verleumderische Twitter-Tweets und Nutzer-Profile bei Twitter zu melden: Was Sie gegen Twitter-Denunzianten tun können.