Tamara Wernli / 24.08.2017 / 18:49 / 13 / Seite ausdrucken

Krieg der Worte – wie Aktivismus Journalismus ablöst

Sollte das Ziel gewesen sein, einen Beitrag zu leisten zur Spaltung einer ohnehin gereizten Gesellschaft, kann man die Schlagzeilen einiger Leitmedien von vergangener Woche als äusserst gelungen bezeichnen. "Der Spiegel", "CNN", "The Huffington Post" und "Vice" unterscheiden sich, was Headlines angeht, kaum mehr von den "Breitbarts" dieser Welt – jenem Webportal, das die versammelte Presse stets so selbstgefällig verteufelt. Der einzige Unterschied: Die vermeintlich seriösen Medien schreiben für ein anderes Publikum.

Headlines sind der wichtigste Teil eines Artikels, bestenfalls dringen sie in den Denkprozess des Lesers, triggern ihn, verleiten zum Weiterlesen. Ich habe nichts gegen aufdringliche Headlines. Ich benütze sie in meinen Kolumnen selbst, spitze sie zugunsten der Neugier zu, wie neulich, als ich Google's "sexistische Kackscheisse" titelte. Ein Begriff, der nicht aus meinem Geistesfundus stammt, ich zitierte damit eine Headline des Schweizer Webportals "Watson", dessen Autor seiner ungezügelten Verachtung über einen Google-Mitarbeiter freien Lauf liess – und die ich für restlos unangebracht halte. Dass in der Folge in Leserbriefen meine Kinderstube in Frage gestellt wurde, veranschaulicht, dass Leser eben das lesen, was sie lesen wollen.

Nun ist dies hier eine Meinungskolumne, also ein subjektives Gedankengelage, und widergibt nicht zwingend die Meinung der  der Achse des Guten oder der "Basler Zeitung"-Redaktion. Titelbilder bei "Spiegel" aber, oder Artikel auf der Website von "CNN" reflektieren, sofern sie nicht als "Meinung" gekennzeichnet sind, üblicherweise die politische Ausrichtung des gesamten Mediums. Es überrascht also höchstens am Rande, wenn eine Redaktion in ihrem Bestreben, der Leserschaft (und sich selbst) das zu geben, was diese eben lesen will, mit ihren Schlagzeilen politischen Aktivismus betreibt.

In dem Sinne wurden vergangene Woche alle rhetorischen und grafischen Register gezogen. "Der Spiegel" bildete auf seinem Cover eine Ku-Klux-Klan-Mütze ab, titelte "Das wahre Gesicht des Donald Trump" und implizierte damit, Trump sei Mitglied des KKK. Der Stern zeigt Trump auf seiner aktuellen Ausgabe mit US-Flagge verhüllt und mit einer zum Hitlergruß erhobenen rechten Hand. Titel: "Sein Kampf". "The Huffington Post" schrieb zum Abgang von Trump-Chefstratege Steve Bannon: "Goy, Bye!" Das Wort "Goy" bezeichnet aus jüdischer Sicht einen Nichtjuden. Sein Gebrauch ist aber kontrovers weil beleidigend, laut "dictionary.com" impliziert es normalerweise die "Verachtung für Nicht-Juden". Im Zuge der Ausschreitungen um die Konföderierten-Statuen titelte eine "Vice"-Kolumne "Let's blow up Mount Rushmore" – man sollte die monumentalen Porträtköpfe der US-Präsidenten in South Dakota in die Luft sprengen.

Viele Titel und Cover verraten vor allem eines: Maßlosen Hochmut.

In einer Schlagzeile auf seiner Website beschrieb "CNN" die linke Antifa-Bewegung in Bezug auf Charlottesville als Aktivisten, die "Frieden durch Gewalt suchen". Dass ausgerechnet die Antifa mit ihren vermummten Kampfgestalten, dem Vandalismus, den Ladenplünderungen, den äusserst gewalttätigen Angriffen auf Polizisten auf einer Friedensmission sein soll, war dem Sender dann wohl doch ein bisschen suspekt, die romantisierende Headline wurde später geändert, "Aktivisten suchen Frieden durch Gewalt" gelöscht. Auch "Huffpost" und "Vice" aktualisierten, aber erst nach zahlreichen Leserprotesten, ihre Wortwahl, also das, was gemäss eigener Terminologie unzweifelhaft unter "Hatespeech" fällt. Nur änderte es nichts mehr, Tausende Leser hatten es schon angeklickt.

Schlagzeilen dürfen polarisieren, dürfen Debatten auslösen, kontrovers sein – Meinungsfreiheit gilt für alle. Schlagzeilen müssen den Betroffenen nicht schützen, ihm nicht gefallen. Der Leserschaft auch nicht.

Das Problem ist, wer anderen fortwährend Hetze vorwirft, sich in moralischer Empörung ereifert und nach Sperrung und Zensur ruft – wie es Leitmedien in ihrem hochmotivierten Kampf gegen alles, was nicht ihrem Weltbild entspricht tun – aber selber mit Beleidigung und Anheizen nicht zurückhält, ist nicht nur unglaubwürdig, sondern macht sich zum Mittäter eben dieser Volksaufwiegelung. Und er offenbart vor allem eines: Masslosen Hochmut.

Tamara Wernli arbeitet als freiberufliche Moderatorin und als Kolumnistin bei der Basler Zeitung, wo dieser Beitrag zuerst erschienen ist. In ihrer Rubrik „Tamaras Welt“ schreibt sie wöchentlich über Gesellschaftsthemen. Man kann sie auf ihrem YouTube-Kanal abonnieren. Folgen Sie ihren täglichen Wortmeldungen auch auf Twitter.

Der Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung. Tamara Wernli arbeitet als freiberufliche Moderatorin und als Kolumnistin. In ihrer Rubrik „Tamaras Welt“ schreibt sie wöchentlich über Gesellschaftsthemen. Folgen Sie ihren täglichen Wortmeldungen auch auf Twitter.  Ihre Kolumne gibt es  auch als Videobotschaft, man kann sie auf ihrem YouTube-Kanal abonnieren.

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Leserpost

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Rudolf George / 25.08.2017

Der Hochmut äußert sich in der Verachtung gegenüber dem Publikum, dem keine Fähigkeit zur Analyse und Fakteneinordnung zugetraut wird, aber auch in der Aufgabe aller Qualitätsstandards für journalistische Erzeugnisse, da anscheinend nur noch zählt, was grell und auffällig ist. Die aller größte Hybris liegt in der vollmundigen Behauptung als vierte Gewalt die Demokratie und den Rechtsstaat zu verteidigen, während man tatsächlich ohne geistige Anstrengung brav im Mainstream mitschwimmt. Damit können Regierung und Politikbetrieb machen, was sie wollen, ohne dass es irgend eine ernsthafte mediale Kontrolle gäbe.

Holger Kremer / 25.08.2017

Ich habe seit ca. 2 Jahren auch um 19 und 20 Uhr Zeit für Freizeit und Familie. Cicero, Tichys Einblick und nicht zuletzt ACHGUT kann man zu jeder Zeit lesen! Ich bin sehr froh und hoffnungsvoll, dass sich vielleicht doch noch alles zum Guten wendet. Wenn auch wahrscheinlich noch nicht am 24.9.17. Dafür erlebe ich zu viel unkritische Gutgläubigkeit in meiner Umgebung. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt und die o.g. Medien sind u.a. dazu angetreten unsere Hoffnung wieder zu beleben. Danke allen die mitdenken!

Dietmar Schmidt / 25.08.2017

Hallo Frau Wernli, Recht haben Sie. Das trifft viele Themen und Sachverhalte wie z.B. Klima, Energie, Geschlechter, Gentechnik, Diesel und Stickoxide. Im Grunde werden in diesem Sinn permanent “Fake News” produziert nur entsprechend dem Mainstream und dann ist es plötzlich die Wahrheit. Arroganter geht es nicht. Gruß D. Schmidt

Manfred Löffert / 25.08.2017

Es sind ja nicht nur die Leitmedien ! Ich beobachte seit geraumer Zeit mein Lokalblättchen und stelle da ebenfalls eine Tendenz zum Trump-Bashing fest. Da darf dann schon mal eine Lokalredakteurin, die ansonsten vom Weinfest u.ä. berichtet, einen Kommentar zur USA-Wahl und Donald Trump abgeben. Alles zusammengegoogeltes Zeug. Ähnlich tendenziös bei weiteren Themen, wie Brexit, Flüchtlingskrise und Wahlen in Frankreich und Holland.

Christian Schulz / 25.08.2017

Das meines Erachtens eigentlich erschreckende ist, dass wir inzwischen zweierlei Moral und sogar zweierlei Wirklichklrit und Recht im Land haben. Für die, die rechten Glaubens an die richtige Ideologie sind, die dem grünen und linken Weltbild folgen, die daraus die ideologidch richtigen Schlüsse ziehen gilt eine andere moralische Wertigkeit, als für die, die “noch nicht verstanden haben”. Es ist längst keine sachliche, sondern eine ideologisch religiöse Debatte. Der Begriff “Nazi” ist der Weg dahin diesen moralisch Irrenden zu einem schlechten, letztlich minderwertigen, Meschen zu machen. Man kann diese Denkweise als mittelalterlich bezeichnen, aber auch als das, was sie ist: faschistisch. Wir müssen aufpassen, dass sich hier nicht auf der Linken das entwickelt, was wir rechts bekämpfen wollen.

Werner Arning / 24.08.2017

Die Titelbilder des Spiegel und des Stern lassen mangelndes Augenmaß und abstoßende Arroganz vermuten. Was soll diese Hetze? Ist diesen Medien klar, wie sehr sie viele Amerikaner damit beleidigen? Viele Amerikaner sind schockiert von derartigen Vergleichen und wenden sich angewidert von den deutschen Medien, und sogar von Deutschland ab. Amerikaner haben Trump gewählt. Sie sehen ihn nicht als Feind an, wie dieses die deutschen Medien tun. Selbst die große Mehrzahl seiner politischen Gegner respektiert dort die demokratischen Spielregeln. Deutsche Medien müssen diese offensichtlich noch lernen.

M. Hans Mayer / 24.08.2017

Wie ist das eigentlich mit der Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen?

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