Martina Binnig, Gastautorin / 06.04.2024 / 06:00 / Foto: Pixabay / 63 / Seite ausdrucken

Kontrolle „zum Wohle der Menschen in der EU“

Die EU-Kommision strickt mit immer neuen Vorgaben und Kontrollorganen einen immer dichteren Kokon zur Überwachung sämtlicher Lebensbereiche. Hier einige Beispiele aus Gesundheit, Ernährung und Medien.

Der Ablauf ist immer derselbe: Was zunächst relativ unbemerkt mit einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission beginnt, manifestiert sich Jahre später in Verordnungen und Richtlinien, die für die EU-Bürger plötzlich sehr konkret spürbar werden und sich direkt auf ihren Alltag auswirken. Das räumt die Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin in ihrem aktuellen Newsletter mit folgenden Worten ein: „DMA und DSA, das waren zwei Akronyme, die wir in dieser Woche viel benutzt haben. Weil die EU gerade ganz konkret beweist, dass sie nicht nur moderne Digitalregeln (also das Gesetz über digitale Märkte und das Gesetz über digitale Dienste) schafft, sondern dass sie diese Regeln auch entschlossen zum Wohl der Menschen in der EU umsetzt.“

Dieses entschlossene Umsetzen zum Wohl der Menschen in der EU schlägt sich beispielsweise in Maßnahmen gegen „Manipulationen, Desinformation und hybriden Bedrohungen von außen“ in Bezug auf die „Integrität von Wahlen“ nieder. Immerhin stehen 2024 in der EU 17 Wahlen in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie die Wahl des Europäischen Parlaments an. Deswegen hat die EU-Kommission am 26. März Leitlinien für die Minderung systemischer Risiken für Wahlen vorgelegt, die sich an „sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen“ („Very Large Online-Plattform“, kurz: VLOP/ „Very Large Online Search Engines“, kurz: VLOSE) mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern in der EU richten und „Empfehlungen für die Zeit vor, während und nach den Wahlen“ enthalten.

So fordert die EU-Kommission Internetanbieter wie Google oder Facebook beispielsweise zur klaren Kennzeichnung von durch KI generierten Inhalten auf, aber auch zu einer engen Zusammenarbeit mit der Taskforce der Europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien (EDMO) sowie der Expertengruppe der Kommission für Medienkompetenz. Dabei soll EDMO als „Drehscheibe für Faktenprüfer, Wissenschaftler und andere relevante Interessenträger“ dienen. Außerdem will EDMO ein öffentliches Portal aufbauen, „das Medienschaffenden, Lehrkräften und Bürgern Informationen und Materialien zur Verfügung stellt, die darauf abzielen, das Bewusstsein zu stärken, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Desinformation im Internet zu stärken und Kampagnen zur Medienkompetenz zu unterstützen“. Das Orwellsche Wahrheitsministerium lässt grüßen.

Stresstest mit den „einschlägigen Interessen­trägern“

Darüber hinaus haben etliche Online-Plattformen wie Google, Meta, Microsoft und TikTok freiwillig einen Verhaltenskodex für Desinformation unterzeichnet, der sie zu halbjährlicher Berichterstattung an die EU-Kommission verpflichtet. Am 26. März haben sie gerade die dritte Reihe von Berichten veröffentlicht, in denen sie detailliert darlegen, welche Maßnahmen sie ergreifen, um die Verbreitung von Desinformation online zu bekämpfen – mit besonderem Schwerpunkt auf den bevorstehenden Europawahlen im Juni. Die einzelnen Berichte können im „Transparenzzentrum“ abgerufen werden. Google hat beispielsweise einen 291 Seiten umfassenden Bericht vorgelegt, in dem es heißt:

„Google hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Informationen der Welt zu organisieren, um sie universell zugänglich und nützlich zu machen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist es von größter Bedeutung, zuverlässige Informationen zu verbreiten und Fehlinformationen und Desinformationen zu bekämpfen. Dies gilt insbesondere für Themen wie öffentliche Gesundheit, Wahlen, zivilgesellschaftliches Engagement oder andere Themen, die sich direkt auf das Leben der Google-Nutzer und die Zivilgesellschaft auswirken, sowie für Krisen wie den Krieg in der Ukraine und den Konflikt zwischen Israel und Gaza.“

Mit „Zivilgesellschaft“ sind beispielsweise einflussreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Stiftungen gemeint, die überwiegend regierungsnah agieren. So habe „Google Advertising“ im November 2023 seine Policy für politische Inhalte aktualisiert. Die verlangt nun „von allen verifizierten Wahlwerbern in der EU, dass sie deutlich darauf hinweisen, wenn ihre Wahlwerbung synthetische Inhalte enthält, die reale oder realistisch aussehende Personen oder Ereignisse unauthentisch abbilden“. Gegenüber sehr großen Online-Plattformen und Suchmaschinen, die den EU-Leitlinien nicht entsprechen, kann die EU-Kommission im Zweifel ein förmliches Verfahren nach dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, kurz: DSA) einleiten. Für Ende April plant die Kommission einen Stresstest mit den „einschlägigen Interessen­trägern“. Besonders problematisch dabei ist, dass durch den DSA auch die Löschung von nicht rechtswidrigen Beiträgen möglich ist, die lediglich „nachteilige Auswirkungen“ haben. Mit anderen Worten: Die EU-Kommission hat sich mit dem DSA in die Lage versetzt, vor allem im Krisenfall, den sie allerdings selbst ausrufen kann, unerwünschte Informationen effektiv zu unterdrücken. 

Das Europäische Medienfreiheitsgesetz

Vor wenigen Wochen ist außerdem die Umsetzungsfrist für das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, kurz: DMA) abgelaufen. Nun hat die Europäische Kommission erste Verfahren gegen Alphabet (mit Google Play und Google Search), Apple und Meta (Facebook) wegen Nichteinhaltung dieses Gesetzes eingeleitet. Beispielsweise soll festgestellt werden, ob die Anzeige der Google-Suchergebnisse durch Alphabet zu einer Bevorzugung nachgelagerter eigener Suchdienste (unter anderem für Waren, Flüge oder Hotels) und zum Nachteil konkurrierender Anbieter führt. Außerdem hat die Kommission fünf an Alphabet, Amazon, Apple, Meta und Microsoft gerichtete Anordnungen zur Aufbewahrung von Dokumenten erlassen, um verfügbare Beweise zu sichern und eine wirksame Durchsetzung des Gesetzes zu gewährleisten.

Dabei geht es um viel Geld: Sollten nämlich tatsächlich Verstöße gegen das Gesetz über digitale Märkte festgestellt werden, kann die Kommission Geldbußen von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes des betreffenden Unternehmens verhängen – im Wiederholungsfall sogar bis zu 20 Prozent. Schade, dass die EU im Fall der Impfdeal-Textnachrichten von Ursula von der Leyen nicht die selbe Strenge und Geschwindigkeit an den Tag legt – wenngleich die Europäische Staatsanwaltschaft (European Public Prosecutor's Office, kurz: EPPO) nun endlich Ermittlungen aufgenommen hat.

Am 26. März wurde zudem noch das Europäische Medienfreiheitsgesetz („European Media Freedom Act“, kurz: EMFA) im Rat der Europäischen Union verabschiedet, was Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth mit den Worten begrüßte:

„Dies ist ein Meilenstein für die Medienfreiheit und -vielfalt in Europa. Mit dem EMFA schützen wir konsequent vor staatlicher Einflussnahme und sonstiger Gängelung der Medien. Unabhängige Medien spielen eine zentrale Rolle in unserer Demokratie. Der EMFA sichert ihre Unabhängigkeit und ich bin froh, dass Bund und Länder gemeinsam bei diesem wichtigen Vorhaben im Sinne der Medienfreiheit eng und konstruktiv zusammengearbeitet haben. In Polen sehen wir, wie schwierig es ist, Strukturen wieder staatsfern und demokratisch zu organisieren, nachdem sie einmal zerstört worden sind. Die Entwicklungen in der Slowakei bereiten mir ebenfalls große Sorge.“ 

Dieses Gesetz, das vorgeblich dem „Schutz der Freiheit und des Pluralismus der Medien und der redaktionellen Unabhängigkeit“ dienen soll, führt allerdings in erster Linie zur Einrichtung eines zentralen Europäischen Gremiums für Mediendienste, wodurch die Kulturhoheit der Mitgliedstaaten eingeschränkt wird (wir berichteten hier). Darüber hinaus sollen große private Online-Plattformen („Very Large Online Platforms“, kurz: VLOPs), die Zugang zu Medieninhalten bieten, Mediendienstanbieter dahingehend überprüfen, ob sie beispielsweise die Aufsicht durch eine nationale Behörde und die Einhaltung „anerkannter Selbstregulierungsstandards“ vorweisen können.

Allerdings sind die VLOPs selbst wiederum durch das kürzlich in Kraft getretene EU-Gesetz über digitale Dienste („Digital Services Act“, kurz: DSA) dazu verpflichtet, „Hate Speech“ und „Fake News“ einzudämmen (wir berichteten unter anderem hier). Bei Verstößen kann die EU bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes einer Plattform als Strafzahlung kassieren. Um dieses Risiko zu minimieren, werden VLOPs zukünftig daher vermutlich verstärkt kritische Beiträge von Mediendienstanbietern vorsorglich löschen oder deren Sichtbarkeit beschränken. Diese können dann zwar bei Mediatoren oder einer außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle Einspruch erheben, doch der Entscheidungsprozess kostet Zeit. Auf genau diesen Umstand wies auch etwa der Deutsche Journalisten-Verband in einer Stellungnahme bereits hin.

Biometrische Massenüberwachung?

VLOPS können journalistische Inhalte vordergründig wegen AGB-Verstößen sperren, wodurch beispielsweise Beiträge, die Facebook in irgendeiner Weise für unangemessen hält, entfernt werden können, auch wenn sie eindeutig als Satire zu erkennen sind. In dem 125 Seiten umfassenden Gesetzestext wird außerdem darauf hingewiesen, dass die Online-Plattformen dazu verpflichtet sind, jährlich ausführliche Informationen etwa über die Anzahl der Fälle zu veröffentlichen, in denen sie eine Beschränkung oder Löschung von Inhalten eines Mediendiensteanbieters vorgenommen haben.

Das zentrale Europäische Gremium für Mediendienste wiederum soll regelmäßig einen „strukturierten Dialog zwischen Anbietern sehr großer Online-Plattformens sowie Vertretern von Mediendiensteanbietern und der Zivilgesellschaft“ organisieren und der EU-Kommission darüber Bericht erstatten. Es sei von wesentlicher Bedeutung, dass die Kommission und das Gremium eng zusammenarbeiten. Dafür soll das Gremium von einem Sekretariat unterstützt werden, das von der EU-Kommission gestellt werden soll. Das Gremium soll eine jährliche „Beobachtung“ durchführen und deren Ergebnisse dem EU-Parlament vorlegen. 

Schon am 13. März hatte sich das EU-Parlament auf das Gesetz über die Künstliche Intelligenz (KI) geeinigt, was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu überschwänglichen Worten veranlasste: „Es [das KI-Gesetz] wird Europas fantastischem Potential an Talenten zugutekommen und eine Blaupause für vertrauenswürdige KI in der ganzen Welt schaffen.“ Das Gesetz sieht in einem „risikobasierten Ansatz“ ein Stufenmodell vor, in dem unterschiedliche Sicherheitsanforderungen gelten. Spam-Filter fallen beispielsweise in eine andere Risiko-Kategorie als die biometrische Identifizierung von Personen (wir berichteten hier).

So soll die Emotionserkennung am Arbeitsplatz und in Bildungseinrichtungen vollständig verboten bleiben – außer zu medizinischen oder sicherheitstechnischen Zwecken (zum Beispiel zur Überwachung der Müdigkeit eines Piloten). Auch die Verwendung biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierung im öffentlich zugänglichen Raum (Gesichtserkennung mit Überwachungsaufnahmen) zu Strafverfolgungszwecken ist grundsätzlich verboten – außer bei Strafverfolgungsmaßnahmen im Zusammenhang mit 16 festgelegten Straftaten wie etwa Terrorismus oder Menschenhandel. Sie bedarf außerdem der vorherigen Genehmigung durch eine Justiz- oder unabhängige Verwaltungsbehörde.

Kritiker befürchten allerdings, dass durch zahlreiche Ausnahmeregelungen eben doch eine biometrische Massenüberwachung ermöglicht werde. Und auch zur Kontrolle der Einhaltung des KI-Gesetzes soll ein neues europäisches KI-Office innerhalb der EU-Kommission eingerichtet werden, das die Koordinierung der nationalen Marktaufsichtsbehörden auf europäischer Ebene sicherstellen sowie die Umsetzung der neuen Vorschriften zu den sogenannten „allgemeinen KI-Modellen“ (flexible KI-Systeme für Allzweck-Anwendungen in sämtlichen Lebensbereichen) überwachen soll.

Auch hier entsteht also ein neues zentrales EU-Kontroll-Organ, das an die EU-Kommission angebunden ist. Im Falle, dass KI-Systeme in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, die den Anforderungen des Gesetzes nicht genügen, müssen die Mitgliedstaaten „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen, einschließlich Geldbußen, festlegen und diese der Kommission mitteilen“. Diese Geldstrafen können beträchtlich ausfallen: Bei „Verstößen durch verbotene Praktiken oder Verletzungen von Datenanforderungen“ etwa können bis zu 35 Millionen Euro oder 7 Prozent des gesamten weltweiten Vorjahresumsatzes (je nachdem, welcher Wert höher ist) fällig werden.

Fragliche Datensicherheit

Am 15. März einigten sich das EU-Parlament und der Rat der EU-Staaten noch auf einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten („European Health Data Space“, kurz: EHDS), in dem „die Nutzung von Gesundheitsdaten für eine bessere Gesundheitsversorgung, Forschung, Innovation und Politikgestaltung“ geregelt wird. Zwar wird versprochen, dass die „Bürgerinnen und Bürgern volle Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten“ erhalten sollen, doch geht es nicht zuletzt auch um den leichteren Zugang zu Daten „für die Forschung und im Bereich der öffentlichen Gesundheit“, also vor allem für die Pharmaindustrie. Ob die digitalen Daten, wie sie etwa in der digitalen Patientenakte oder der digitalen Brieftasche enthalten sein sollen, tatsächlich sicher sind, ist noch fraglich. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch die groß angelegte Studie zu sehen, mit der das Robert Koch-Institut (RKI) bevölkerungsbezogene Gesundheitsdaten erheben will (wir berichteten).

In einer weiteren Pressemitteilung vom 20. März wies die EU-Kommission darauf hin, dass die Europäische Union (EU) und die Afrikanische Union (AU) gerade vier gemeinsame Initiativen „zur Stärkung der Gesundheitssysteme und des Sozialschutzes in Afrika“ gestartet haben. Unter anderem soll auch hier die „digitale Gesundheit“ gefördert werden. Wörtlich heißt es: „Die Partner werden das Konzept 'Eine Gesundheit' zugrunde legen, mit dem anerkannt wird, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen untrennbar miteinander verknüpft ist, und die operativen Kapazitäten der afrikanischen CDC, einschließlich Laboratorien, Überwachungssysteme und Durchführungsforschung auf nationaler, regionaler und kontinentaler Ebene, unterstützt werden.“

Für die Partnerschaft mit den afrikanischen Centres for Disease Control and Prevention (kurz: CDC, zu deutsch etwa: „Afrikanische Zentren für Krankheitsbekämpfung und Schutzmaßnahmen“) sollen im Zeitraum von 2022 bis 2027 insgesamt 123 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt bereit gestellt werden. Die Initiative „Digitale Gesundheit“ fördert zum Beispiel die afrikanischen Partner „bei der Stärkung der Gesundheitssysteme und der Verwirklichung einer universellen Gesundheitsversorgung durch digitale Lösungen, insbesondere solche, die für die Pandemievorsorge und -reaktion relevant sind“. Dass Afrika trotz niedriger Impfquote von Covid kaum betroffen war, spielt offenbar keine Rolle. Unnötig zu erwähnen, dass mehrere Pharmakonzerne wie Biontech und Moderna bereits Produktionsstätten für mRNA-basierte Impfstoffe in afrikanischen Ländern aufbauen. Ebenfalls unnötig zu erwähnen, dass das Konzept „Eine Gesundheit“ („One Health“) auf die WHO zurückgeht und dadurch nicht zuletzt die Interessen der WHO-Geldgeber wie etwa der Impfallianz GAVI vertreten werden.

Ebenfalls am 20. März kündigte die EU-Kommission an, dass sie gezielte Maßnahmen zur Förderung der Biotechnologie ergreifen will. So will sie beispielsweise „darauf hinarbeiten, bis Ende 2024 ein EU-Biotech-Zentrum einzurichten – ein operatives Instrument, mit dessen Hilfe sich Biotech-Unternehmen im Rechtsrahmen zurechtfinden und Unterstützung für ihre Expansion finden können“. Dabei will sie insbesondere durch die Initiative GenAI4EU auch die Einführung von KI beschleunigen.

Biotechnologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie vor allem mit Methoden der Gentechnik und der Molekularbiologie arbeitet. Auch hier schwingt sich die EU-Kommission also als oberste Kontrollinstanz auf. Zuvor schon, nämlich am 12. März, hatte das EU-Parlament die Richtlinie über Industrieemissionen (IED) verabschiedet und dabei den ursprünglichen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission immerhin abgemildert. Unter die Bestimmungen der Richtlinie für Industrieanlagen fallen nämlich auch Tierhaltungsbetriebe. Sie regeln die Schwellenwerte, ab denen Betriebe Zusatzauflagen zum Emissionsschutz einhalten müssen. Zwar sind die von der Kommission beabsichtigten Grenzwerte, nach denen schon Betriebe ab einer Größe von 150 Großvieheinheiten (GVE) von der Richtlinie betroffen gewesen wären, wieder etwas heraufgesetzt worden, dennoch fallen nun auch kleinere Betriebe und Familienbetriebe unter die Richtlinie, sodass voraussichtlich die Versorgung etwa mit Eiern und Geflügelfleisch rückläufig sein wird. 

Projekte für Nachhaltigkeit

Vor allem Schweinehalter sehen sich durch die neue Emissionsrichtlinie benachteiligt. Bislang wurde die Rinderzucht ausgeklammert, doch die EU-Kommission will bis zum 31. Dezember 2026 prüfen, ob es notwendig ist, die Emissionen aus der Tierhaltung, einschließlich der Rinderhaltung, weiter zu regeln und eine Gegenseitigkeitsklausel einzuführen, um sicherzustellen, dass Erzeuger außerhalb der EU ähnliche Anforderungen wie die EU-Vorschriften erfüllen, wenn sie in die EU exportieren. Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften halten, müssen bei schwerwiegenden Verstößen mit Sanktionen in Höhe von mindestens 3 Prozent ihres EU-Jahresumsatzes rechnen. Außerdem räumen die EU-Länder den von der Nichteinhaltung betroffenen Bürgern das Recht ein, eine Entschädigung für Gesundheitsschäden zu fordern.

Am 20. März nahm die EU-Kommission dann auch noch den aktuellen Strategieplan im Rahmen des EU-Programms für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ an. Dieser Plan enthält drei zentrale strategische Ausrichtungen für die letzten drei Jahre der Programmlaufzeit (2025-2027), nämlich den „grünen Wandel“, den „digitalen Wandel“ sowie ein „widerstandsfähigeres, wettbewerbsfähigeres, inklusiveres und demokratischeres Europa“. Wörtlich heißt es: „Mit diesen Ausrichtungen sollen zentrale globale Herausforderungen wie der Klimawandel, der Verlust an biologischer Vielfalt, der digitale Wandel und die Alterung der Bevölkerung angegangen werden.“

Unter anderem wird dazu die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ (NEB) eingeführt, die „Bürgerinnen und Bürger, Gemeinden, Sachverständige, Unternehmen, Hochschulen und Institutionen zusammenbringt, damit sie gemeinsam nachhaltige und inklusive Lebensumfelder in Europa und darüber hinaus neu denken und gestalten“. Außerdem sollen die Sozial- und Geisteswissenschaften gestärkt und in „einschlägige Projekte einbezogen“ werden. In dem Plan werden insgesamt neun neue Bereiche genannt: Hirngesundheit, Forstwirtschaft für eine nachhaltige Zukunft, innovative Werkstoffe, Rohstoffe für den grünen und digitalen Wandel, Kulturerbe, sozialer Wandel, Photovoltaik, Textilien der Zukunft und virtuelle Welten.

Einen Tag zuvor, am 19. März, hatte die EU-Kommission bereits eine neue grüne Anleihe (Eurobond) im Rahmen des Wiederaufbaufonds NextGenerationEU (NGEU) mit einer Tranche im Wert von 7 Milliarden Euro (Fälligkeit am 4. Februar 2050) bekannt gegeben. Die Europäische Kommission ist gemäß den EU-Verträgen befugt, an den internationalen Kapitalmärkten im Namen der Europäischen Union Mittel aufzunehmen. Die Erlöse aus dieser neuen Transaktion sollen für die Finanzierung grüner Projekte aus den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen der Mitgliedstaaten verwendet werden.

Die Kommission hat nun Anleihen im Wert von rund 35,5 Milliarden Euro emittiert; ihr Finanzierungsziel für das erste Halbjahr 2024 liegt bei 75 Milliarden Euro. Eine vollständige Übersicht über alle bislang ausgeführten Transaktionen der EU ist online verfügbar. Eine ausführliche Übersicht über die für das erste Halbjahr 2024 geplanten Transaktionen ist im EU-Finanzierungsplan enthalten. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hatte bereits im Januar mitgeteilt, dass ihre Schwerpunktbereiche für die Jahre 2024 und 2025 in den Auswirkungen des grünen Wandels, des Klimawandels sowie den Umweltrisiken für Wirtschaft und Finanzsystem bestehen und dass sie sich für grüne Investitionen engagieren wird.

Welche Kontrollmöglichkeiten ergeben sich?

Am 26. März verabschiedete der Rat schließlich den neuen Rechtsrahmen für eine europäische digitale Identität (eID). Nach dem neuen Gesetz müssen die Mitgliedstaaten bis 2026 ihren Bürgern sowie Unternehmen digitale Brieftaschen zur Verfügung stellen, die die jeweiligen nationalen digitalen Identitäten mit Nachweisen anderer persönlicher Attribute (zum Beispiel Führerschein, Qualifikationen, Bankkonto) verknüpfen können. Die Bürger sollen in der Lage sein, ihre Identität nachzuweisen und elektronische Dokumente auf einfache Weise aus ihren digitalen Brieftaschen vom Mobiltelefon aus weiterzugeben. Nicht ausreichend thematisierte Knackpunkte der Verordnung sind allerdings die Sicherheit der Daten und die Freiwilligkeit der Nutzung (wir berichteten). Welche Kontrollmöglichkeiten ergeben sich etwa durch die Bündelung von Dokumenten wie Führerschein, Krankenkarte, Impfpass, ärztliche Rezepte, Berufszertifikate, Reisetickets, Zeugnisse, Verträge und Bankkonten in einer einzigen digitalen Brieftasche auf dem Smartphone?

Geradezu harmlos – wenn auch ideologisch auf Linie – mutet dagegen die Verabschiedung einer Europäischen Erklärung zum Radverkehr am 3. April an, mit der sich die EU zur Förderung des Radverkehrs verpflichtet und „einen weiteren wichtigen Schritt“ unternimmt, um Verkehrsemissionen zu senken. Verkehrskommissarin Adina Vălean sagte dazu: „Wir wissen um die zahlreichen Vorteile des Radfahrens: Es reduziert die Umweltverschmutzung, entlastet die Städte und fördert eine gesündere Lebensweise. Außerdem ist der Radverkehr ein Eckpfeiler der europäischen Industrie, der Innovation und Wachstum fördert und gleichzeitig hochwertige lokale Arbeitsplätze schafft. Die Förderung des Radverkehrs steht im Einklang mit der Industriestrategie der EU und ihren Zielen.“ Unter anderem sollen sichere Parkplätze und der Zugang zu Aufladestationen für E-Bikes gewährleistet werden.

Das Grundproblem des Demokratiedefizits der EU tritt indes immer deutlicher zu Tage: Ausschließlich die EU-Kommission, also die Exekutive, kann Gesetze vorschlagen, während Parlament und Rat letztlich nur eine Schadensbegrenzung vornehmen können – sofern sie das überhaupt wollen.

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

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Leserpost

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Lutz Liebezeit / 06.04.2024

Digitalregeln sind verfassungsfeindlich und bloß eine Ausrede, um die Bürger im Gesetz des Dschungels zu ersticken. Kameras auf öffentlichen Plätzen “kriminalisieren präventiv” und gehören in die Diktatur von Idi Amin oder Pol Pot. Tatsächlich sagt uns nicht nur die Allgegenwart der Überwachung, daß die Parteien eine hochkriminelle Gesellschaft geschaffen haben und sie nicht in der Lage sind, die zu befrieden. Es ist immer dasselbe, es sind die Oberen, die unfriedliche Strukturen schaffen und zerrütten, und das schlägt nach unten durch. Die BRD war natürlich nazi, weil sie niemanden überwacht hat und die Deutschen nicht das Bedürfnis hatten, Verbrechen zu begehen. Sind die Oberen sittlich und anständig, sind es auch die Unteren. Die Impf-Parteien nähren selber die kriminellen Banden, die Tisch und Wände mit ihren aggressiven Parolen vollkleben und -schmieren, direkt, aber für den, der es gerichtsfest mag, durch Duldung. Vielle fühle sich natürlich wieder an die DDr erinnert, was in diesem Falle stimmt, denn die DDR hatte den modernsten Überwachungsapparat der Welt.

Olaf Dietrich / 06.04.2024

Schleunigst austreten. Sollen es alleine machen, ohne uns!!!

Gabriele Schumertl / 06.04.2024

Auf die wohlwollend deklarierten Knebel der EU kann ich getrost verzichten. Die EU entwickelt sich nicht nach dem Vorbild der USA zu einem freien Land für freie Bürger sondern nach dem Vorbild der UdSSR zu einem sozialistischen Land für Arbeits-, resp. Zahlknechte, die als Verfügungsmasse dem Regime dienen sollen, welches von Lobbyisten instruiert wird.

Karl Petersen / 06.04.2024

Was niemand vergessen sollte: Das ist Demokratie. Das ist diese Demokratie, die auf jeder politischen Veranstaltung beschworen wird. Die beste Form von politischer Machtorganisation. Jeder, der das nicht so sieht, ist ein Feind, welcher durch Nachrichtendienste gejagt werden muss.

Karl Emagne / 06.04.2024

Die EU, aus einem harmlosen Wirtschaftsraum entstanden, mutiert zum Monster. Wobei der Überwachungsstaat sich ohnehin einer effektiven Kontrolle entzieht und das Einfordern von Grundrechten seit Covid bekanntlich rechtsradikal ist.

Wilfried Cremer / 06.04.2024

Liebe Frau B., der Mensch, zu schlechter Letzt im Schraubstock der Skalierung als Gerechter oder Klimasünder, darf jetzt auch erwarten, dass sein Schmachtphone blinkt und piepst, wenn er sich anschickt, die Gebote zu verletzen. Was den schwarzen Grünen die Errichtung eines Gotesstaates, ist den roten Grünen schließlich die Vergöterung des Staatswahns.

Ralf Neitzel / 06.04.2024

Was sollen diese bevormundungssüchtigen Schwachköpfe denn sonst machen. Übrigens, diese übergriffige EU ist abwählbar.

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