Thilo Schneider / 24.01.2019 / 12:00 / Foto: Bildarchiv Pietermahn / 17 / Seite ausdrucken

Komparse.de. Alias WDR

Nun hat es also auch den WDR mit einem Spiegelbruch erwischt: In der (selbstverständlich mit ganz tollen vielen Preisen überschütteten) Dokumentationsreihe „Menschen hautnah“ haben Manuela und Olli oder Manuela und Sven oder Hans und Wurst sich jeweils eine „Ehe aus Vernunft, aber ohne Liebe“ (wegen der hohen Mieten), aber auch eine „Liebe ohne Zukunft – Heimliche Affären (die vom WDR vor einem Millionenpublikum offen gelegt werden) und ihre Folgen“ abgeschauspielert. Und irgendeinem traurigen in-der-ersten-Reihe-Sitzer ist das aufgefallen. Dass er die Zappelköpfe doch schon einmal oder zweimal oder dreimal gesehen hat. Und dass deren Alter und Hobbies doch sehr stark variieren, je nach Folge und Wochentag. Dem WDR und seiner Chefredakteurin ist das nicht aufgefallen. Was verständlich ist. Die schauen sich den Kram doch nicht auch noch an, den sie auf Kosten der Gebührenzahler so produzieren und senden. So bekloppt sind die ja auch wieder nicht. Die ganzen schönen Fernsehpreise…

Zur Rede gestellt, hat die Autorin, die aus guten Gründen ungenannt bleiben möchte, das sehr wortreich und mit den Armen wedelnd so erklärt, dass, also, die Hobbies, schon, und die Geschichten sind so irgendwie grundsätzlich im Prinzip vom Charakter her ja auch richtig, also, dass es ja eigentlich um den Kern und da solle man sich jetzt nicht an Kleinigkeiten, gute Güte, sie hat eben keine echten Dödel gefunden, die ihr verkorkstes Leben als Zivilversager nicht auf die Kette und auf jeden Fall ist sie dann los und hat auf Komparse.de sich eben ein paar Darstellkasper gesucht, also, wer macht das denn bitte nicht und schließlich kommt es auf die Botschaft an, da kann man ja jetzt nicht so einfach.

Außerdem konnte sie ja nicht wissen, dass man bei Dokumentationen nur echte Personen verwenden darf, und ihre Zitate seien nicht richtig, sondern falsch aus dem Zusammenhang gerissen worden. Jawohl! Der FAZ hat die anonyme Pseudodokumentarierin erklärt, dass man auf Komparse.de „neben Kleindarstellern auch normale Protagonisten findet“. Als ob jemand, der sich dafür bezahlen lässt, dass man ihn besoffen beim Rettungsring-Danebengreifen auch noch filmt, in irgendeiner Weise als „normal“ bezeichnet werden könnte. 

Weil die auch auf Preisverleihungen waren

Das ist natürlich ein Tiefschlag für den WDR, dessen „Qualitätssicherung“ in puncto Genauigkeit und Härte mindestens der des Spiegels, wenn nicht noch mehr, aber hallo. So zumindest die Chefredakteurin des WDR, Ellen Ehni. In Zukunft werde man auf jeden Fall bei „Menschen hautnah“ „genauer hinschauen“ (was ich schon Strafe genug finde, weil das nur Dermatologen machen sollten) und außerdem „das Vieraugenprinzip und die Gegenrecherche ausweiten“ und, toll, „die Kriterien für die Suche nach Betroffenen zu dem jeweiligen Thema präzisieren“.

Super. Ich finde ja außerdem, die Redaktion des WDR sollte „die Prinzipien des Journalismus unter größtmöglicher Brutalität im Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag und die Darstellung der Haltung zum freiheitlich-demokratischen Handeln der regierenden Koalitionsparteien und ihrer konterrevolutionären Helfershelfer“ berücksichtigen, aber so hart will man ja dann auch nicht sein und außerdem macht das ja schon das „Sturmgeschütz der Demokratie. Also, jedenfalls seit Dezember 2018. Vorher ging da bei denen auch nichts, weil die auch auf Preisverleihungen waren. Das ist das eigentlich Tragische: Jede Publikation, die einen brancheninternen Preis wie den Goldenen Relotius im Messinggewand gewonnen hat, scheint mit ziemlicher Sicherheit eine nett ausgedachte Geschichte zu sein, die aber hervorragend in die eigenen Klischeebilder gepasst hat.

Darüber hinaus hat Frau Ehni die Faxen dick und die Arbeits- aber vor allem fastfaktenschaffende Kraft ihrer Autorin per sofort dem freien Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Aber arbeitslos wird die sicher nicht, die treuherzige Autorin. „Berlin Tag und Nacht“ und die anderen Dokuprollserien brauchen ja auch immer Autoren.

Nun ist ja nichts so schlecht, dass es nicht auch für etwas gut wäre: Komparse.de ist jetzt allgemein bekannt und könnte Sonderaktionen wie „Rent a Nazi“, „Günstige Hitlergrußzeiger“ oder „Gelbwesten: gesucht und gefunden“ fahren. Die nächste Doku über „Hetzjagden“ und „Hassdemonstrationen“ kommt bestimmt, und da ist es immer nett, ein paar knackige Bilder liefern zu können. In diesem Zusammenhang von Fake-News zu reden, verbietet sich. Immerhin geht es darum, die eigene Wahrheit abzubilden und einem Erziehungsauftrag nachzukommen. Da scheidet  eine kleinliche und dezidierte Berichterstattung aus, denn jede an der Wirklichkeit orientierte Dokumentation „nutzt nur den Rechten“ und bringt Deutschland einen Prozentpunkt mehr an Björn Höckes Machtergreifung. Und wie so etwas ausgehen kann, wissen wir ja alle. Walter Ulbricht ist ja auch nicht vom Himmel gefallen, sondern mit einer russischen Maschine eingeflogen worden. 

Sollten Sie als Zuschauer also demnächst hautnahe Menschen sehen, die von AfD-Bundestagsabgeordneten verprügelt wurden, dann können Sie sich ein Kantholz darauf backen: Die sind dann auch von AfD-Bundestagsabgeordneten verprügelt worden. Nicht von Landtagsabgeordneten, Stadträten oder einfachen Parteisoldaten, nein, das werden dann Bundestagsabgeordnete gewesen sein. Ehrlich! Und falls sich keine solchen Abgeordneten finden, dann kann man ja immer noch auf Komparse.de…

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Gert Köppe / 24.01.2019

Bei den Bundestagsabgeordneten bin ich mir schon lange nicht mehr sicher, ob die Mehrheit nicht von Komparse.de, oder aus einer dubiosen Castingshow kommt. So wie sie uns Kompetenz vorgaukeln ohne jedoch welche zu besitzen. Da ist dann auch der WDR gefragt, der dann genau diese fehlende Kompetenz, mit gleicher “Kompetenz”, als wahrhaftege Kompetenz suggerieren soll. Komparse hat doch irgendwie was mit Schauspielerei zu tun, oder? Da sitzen sie dann wieder alle in einem Boot, der WDR und die Abgeordneten. Traue nur einer Doku die du selber gedreht hast.

Lars Schweitzer / 24.01.2019

Auf manchen Sachen steht halt “scripted reality” drauf, auf anderen nicht. Ich hätte nicht gedacht, RTL 2 mal als erfrischend ehrlich zu empfinden.

H.Roth / 24.01.2019

Ich traue Dokumentarfilmen schon lange nicht mehr. Habe selbst mal einem Kamerateam bei einer Naturdoku assistiert und dabei einige der Tricks kennen gelernt. Verrate ich jetzt aber nicht,  denn ich möchte keinem die schöne Illusion rauben, die diese Filme vermitteln.

Thomas Dornheck / 24.01.2019

Ein echter Schneider! Köstlich. Der goldene Relotius im Messinggewand gefiel mir am besten. Ich habe schallend gelacht - danke!!

P.Steigert / 24.01.2019

Der ÖR gönnt den Privaten nicht das Schwarze unter dem Fingernagel. Alles soll unter die Kontrolle derjenigen mit der richtigen Haltung, sogar das Prekariatsfernsehen.

Anders Dairie / 24.01.2019

Man sollte es deutlicher sagen:  “Freiheitliche” Journalisten und Dokumentar-Gestalter mieten sich Komparsen, die sie nach Drehbuch für die Ziel-Erfüllung auf-laufen lassen.  Das ist einfacher als Amateure umständlich in ihrer zu spielenden Rollen einzuführen.  Das Ganze ist dann keine Doku mehr, wird aber nach ge- eignetem Zusammenschnitt rechtzeitig fertig.  Ob das Maischberger ist oder Will oder Sonstwer:  Alle kommen sie mit Eigenproduktionen aus eigenen Firmen und verkaufen die Shows an die ÖR.  Was vom WDR u.a. kommt,  folgt den gleichen Regeln.  Zu den Privaten fließt das GEZ-Geld auch ab, was den ÖR immer wieder fehlt.  Privatfernsehen funktioniert ohne GEZ-Zwangsgeld, kommt also im Prinzip ehrlicher (und oft unterhaltsamer) in die Wohnzimmer. Boykottiert die Geldeintreiber und ÖR,  die immer mehr Ideologie verbreiten statt Bildung gem. ihrem Auftrag.

Belo Zibé / 24.01.2019

Ein Fall für Detektiv Schönfärber alias Schönenborn-Anruf genügt!

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