Der sogenannte „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ (auch bekannt als Umweltrat), ein wissenschaftliches Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung, hat in einem 270-seitigen Dokument die Schaffung einer neuen Instanz angeregt, die Gesetzesentwürfe auf ihre Nachhaltigkeit und Auswirkungen für künftige Generationen prüfen und gegebenenfalls den Gesetzgebungsprozess über Monate blockieren kann.
In dem Sondergutachten „Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen – Zur Legitimation von Umweltpolitik“ fordert der Umweltrat einen zusätzlichen „Rat für Generationengerechtigkeit“ „mit Möglichkeiten zur Stellungnahme“ wenn künftige Generationen von einem Gesetzgebungsverfahren betroffen sind. Außerdem soll der Rat ein „suspensives Vetorecht in Bezug auf Gesetzentwürfe im Falle schwerwiegender Bedenken“ erhalten. Damit ist das Recht gemeint, das Gesetzgebungsverfahren bis zu drei Monate lang anzuhalten, „um eine vertiefte Diskussion in Öffentlichkeit und Parlament auszulösen“.
Der Rat für Generationengerechtigkeit, schreiben die Autoren, sollte „idealerweise“ eine „verfassungsrechtlich verankerte und demokratisch legitimierte Institution von bedeutendem politischem Gewicht sein, die als parteipolitisch neutral wahrgenommen wird“. „Seine Mitglieder, die Sachverstand in den Bereichen nachhaltiger Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik vereinen, sollten daher unabhängig sein“ und je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat „für zwölf Jahre ohne Wiederwahlmöglichkeit gewählt werden“.
Die Schaffung einer solchen Instanz wäre eine tiefgreifende Veränderung des Verfassungsgefüges der Bundesrepublik Deutschland, die bisher als parlamentarische Demokratie organisiert war, in der das Beschließen von Gesetzen den Abgeordneten des Bundestags, und bei zustimmungspflichtigen Gesetzen außerdem einer Mehrheit im Bundesrat, vorbehalten ist. Die Autoren des Sondergutachtens räumen selbst ein, dass ihre Vorschläge „in einem Spannungsverhältnis zum System der parlamentarischen Demokratie“ stehen. „Bereits die Androhung eines Vetos im laufenden Gesetzgebungsverfahren dürfte regelmäßig zu Änderungen des Gesetzesvorhabens führen, um den Bedenken des Rates (wenigstens teilweise) Rechnung zu tragen“, so eine besonders aufschlussreiche Passage im Dokument.
Doch der Umweltrat will mit dem Rat für Generationengerechtigkeit nicht nur eine komplett neue Instanz schaffen. Er will auch zwei bestehende Instanzen stärken. Die Ressortkoordinatorinnen und -koordinatoren für Nachhaltigkeit in den Bundesministerien sollen nach Wunsch des Umweltrates ebenfalls ein „suspensives Vetorecht“ bei Widersprüchen gegenüber der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung sowie eine Mitzeichnungspflicht bei Gesetzgebungsverfahren erhalten.
Außerdem soll das Bundesumweltministerium „ein Gesetzesinitiativrecht außerhalb des eigenen Geschäftsbereichs für Angelegenheiten von besonderer umweltpolitischer Bedeutung erhalten“ und ebenfalls ein suspensives Widerspruchsrecht eingeräumt bekommen. Bislang hat nur das Bundesfinanzministerium ein Vetorecht, wenn es um Fragen von finanzieller Bedeutung geht.