Ramin Peymani, Gastautor / 03.02.2020 / 12:00 / Foto: Mateussf / 48 / Seite ausdrucken

Kommt jetzt das EU-Austritts-Verbot?

Es ist vorbei. Weg sind sie, die Briten. Zumindest offiziell. Denn bis zum Jahresende ändert sich noch nicht viel. Erst danach wird der Verlust des mit Deutschland zahlungskräftigsten und neben wenigen anderen Staaten der Demokratie am meisten verpflichteten Partners spürbar. Nun beginnt das zähe Ringen um die künftige Beziehung zwischen Großbritannien und der Europäischen Union. Und beide Seiten versuchen, sich mit kräftigem Säbelrasseln in eine vorteilhafte Ausgangsposition zu bringen.

Dass man sich zusammenraufen wird, steht jedoch außer Frage. Niemand hat ein Interesse an einem zerrütteten Verhältnis der frisch geschiedenen Eheleute, die 47 gemeinsame Jahre aufarbeiten und sich ein neues eigenes Leben aufbauen müssen. Rachsucht ist da ein ebenso schlechter Ratgeber wie der Rückzug in die Schmollecke.

Die Europäische Union hat derweil schon einmal klargemacht, welche Konsequenzen sie aus der gescheiterten Ehe zu ziehen gedenkt: Verbliebene und zukünftige Partner sollen sich noch stärker der tonangebenden Brüsseler Gattin unterordnen, am liebsten sollen sie auch noch Ausgehverbot erhalten. Das zumindest fordert Brexit-Koordinator Guy Verhofstadt.

Der Chefunterhändler des Europäischen Parlaments rief dazu auf, die Möglichkeit zum Ausscheiden aus der EU künftig zu unterbinden. Zwar liegt er richtig mit seiner Einschätzung, der Brexit markiere das „Scheitern der Union“, doch zieht er daraus die entlarvende Schlussfolgerung, man müsse die EU zu einem geschlossenen Club umbauen, in dem knapp 450 Millionen Menschen aus 27 Staaten mit den unterschiedlichsten Vorlieben, Traditionen und Kulturen zwangsverheiratet werden.

In Form eines europäischen Gefängnisses

Zwang scheint das Mittel der Wahl, nachdem eine bürgerferne, selbstreferenzielle Politkaste es über Jahrzehnte hinweg nicht vermocht hat, die Menschen des Kontinents für eine Union zu begeistern, die sich in Sonntagsreden als großes europäisches Projekt feiert, im Alltag jedoch als demokratieferne Ansammlung machtgieriger Apparatschiks daherkommt. Nun soll der Europäische Bundesstaat, den Europas Bürger mehrheitlich ablehnen, also in Form eines europäischen Gefängnisses durchgesetzt werden, lebenslange Haft(ung) inklusive. Wer einmal drin ist, kommt nicht mehr raus.

Zu groß ist die Sorge vor Nachahmern des Brexits, denn schon werden etwa in Polen kräftige Stimmen laut, die nach einem Austritt rufen. Rasch will man die Zügel nun anziehen, um neue zermürbende Austrittsdebatten zu vermeiden. Zwar hat Brüssel vollmundig eine „Konferenz zur Zukunft Europas“ angekündigt, die den EU-Bürgern ab Mai zwei Jahre lang Gelegenheit geben soll, ihre Kritik in Gesprächsrunden zu artikulieren, doch wurde die zunächst vorgesehene Möglichkeit, die europäischen Verträge aufgrund der gesammelten Bürgerwünsche zu ändern, in letzter Minute wieder kassiert.

Klarer kann man nicht dokumentieren, dass man sich als Zentralkomitee sieht, das über der Demokratie steht. Die Angst vor dem Machtverlust lässt sich geradezu mit Händen greifen. Und auch die vor dem Jobverlust. Für die meisten der obszön hoch bezahlten EU-Granden wäre anderswo kaum mehr ein Platz zu finden. Das gilt auch für Guy Verhofstadt, für den nach dem vollzogenen Brexit ein neuer Posten gefunden werden musste. Er wird – tataa! – Vorsitzender der „Bürgerkonferenz“.

Von Brüssel aus gesteuertes Großreich

Und so ist schon heute klar, was 2022 im Abschlussbericht stehen wird, der die Grundlage für den künftigen Zuschnitt der Europäischen Union bilden dürfte. Verhofstadt hat es deutlich formuliert: Die EU müsse in eine echte Union verwandelt werden, „ohne die Möglichkeit des Austritts, des Beitritts, ohne Rabatte, ohne Ausnahmen“. Er hat damit bereits den Blick über den Europäischen Bundesstaat hinaus geworfen. Denn die von ihm propagierte Abschaffung der Beitrittsoption für einzelne Staaten bedeutet, dass eine Mitgliedschaft dann nur noch über die Annektierung möglich sein wird.

Wer sich dem von Brüssel aus gesteuerten Großreich anschließen will, muss fortan bereit sein, vollständig im Bundesstaat aufzugehen. Es ist diese – von Verhofstadt offengelegte – Perspektive, die die Kritiker einer sich immer weiter verselbstständigenden europäischen Machtelite bestärkt und deutlich macht, wie gefährlich der Brüsseler Apparat ist. Denn die Überlegungen führen unweigerlich in die Unfreiheit.

Allerdings haben Europas Mächtige ihre Lektionen aus den gescheiterten Versuchen früherer Regime gelernt: Die Bürger werden keinen Hunger leiden. Sie werden Zugang zu jedem erdenklichen Konsum behalten, notfalls mit staatlicher Alimentierung. Auch dürfen sie weiterhin (aus)reisen. An die Stelle unansehnlicher Grenzmauern, die Menschen am Fliehen hindern, werden weniger bedrohlich wirkende Austrittsbarrieren für ehemals souveräne Staaten treten. Nur das Verschwinden von demokratischer Mitsprache und Meinungsfreiheit markiert den Systemwechsel. Der Sozialismus hat seine Rückkehr gründlich vorbereitet. Die Briten hingegen haben die Mauerflucht gerade noch geschafft.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis Blog „Liberale Warte".

Nachtrag und Korrektur:

Der Beitrag enthält offenbar ein Missverständnis des Tweets von Guy Verhofstadt. Er sprach sich darin nicht gegen die Austrittsmöglichkeit, sondern die Ausnahmeregelungen, die einzelnen Staaten zugestanden worden sind, aus (sogenannte Opt-outs). Wir bitten für die Fehlinterpretation um Entschuldigung.

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Leserpost

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sybille eden / 03.02.2020

Wer bitte schön sollte den z.B. Polen daran hindern aus der EU auszutreten ? Etwa die deutsche Bundeswehr ? Das ich nicht lache, die polnische Armee ist in allerbestem Zustand und von sehr hoher Kampfkraft und Motivation ! Die EU -Bonzen ,insbesondern die Germanischen, sollen jetzt einfach mal die Schnauze halten !

Donald Adolf Murmelstein von der Böse / 03.02.2020

@Andreas Aauer; Den Sezessionskrieg kann man nicht mit einem möglichen Bürgerkrieg in Europa vergleichen – weder jetzt noch in absehbarer Zukunft. Selbst die „Sklaverei-Frage“ ist heute bei genauer Betrachtung (heute) so nicht haltbar. Ich rechne eher mit Schützenhilfe aus dem befreundeten Ausland, wenn es allzubunt wird. Vielleicht zur Abwechslung mal einen „bunten“ Putsch oder viele kleine bunte Zollschranken und Holzwege ....

Friedrich Neureich / 03.02.2020

So ist’s recht, immer nur feste druff, damit irgendwann auch der Dümmste begreift, dass der vermeintlich coole Club in Wirklichkeit eine finstere Mafia ist - ja ärger, desto besser. “Die Bürger werden keinen Hunger leiden. Sie werden Zugang zu jedem erdenklichen Konsum behalten, notfalls mit staatlicher Alimentierung” - unter dem Sozialismus längerfristig nicht möglich. Und irgendwann kommt der Punkt, an dem die Völker nicht mehr nach der Clubsatzung fragen. Auch die UdSSR ist am Ende einfach auseinandergebrochen.

Marcel Seiler / 03.02.2020

Die EU sollte vertraglich vereinbaren, dass bei Austritt eines Landes ein Bürgerkrieg geführt wird, wie ihn die USA zwischen 1861 und 1865 zwischen Nord- und Südstaaten geführt haben. Ich bin sicher, dass eine solche Vereinbarung auch den größten Europaskeptiker für die EU begeistern wird!

Olaf Manns / 03.02.2020

Ich würde da garnicht so sehr in die Zukunft blicken,oder Hegemonien konstruieren,die über dieses Jahr hinausgehen.Der Sozialismus wird sich in Kürze,nach dem unvermeidbaren Zusammenbruch der EZB und damit das Erleben der grössten Wirtschaftskrise der 20er Jahre,im Gewand der alternativlosen Verstaatlichung der Banken und Regulierung,sich anbiedern und damit die Macht endgültig übernehmen.Die jetzt schon deportierten Grundwerte des Deutschtums,können dann mit den unschuldigen Banken und die als unfähig propagierte freie Markwirtschaft einstimmig zu gesellschaftlichen Gesamtproblematik deklariert werden und schon werden die linken und grünen Stalinisten ans Ruder des sinkenden EU Tankers..etwaige Verfehlungen im Aufbau des Staates,zb Ernennung von wirtschaftlichen Taugenichtsen/innen,gehen in der Toleranz des Bürgers in Form von Erwartungshaltung unter,oder in den Vormachtsansprüchen des Islam,weil der dann plötzlich keine unterdrückte Minderheit mehr ist,sondern eine Gegengesellschaft.

Andreas Auer / 03.02.2020

Ein schöner Präzedenzfall ist der amerikanische Bürgerkrieg, in dem Abraham Licoln unter wiederholtem Bruch der Verfassung Krieg gegen das eigene Land geführt und die USA mit blutiger Gewalt und über einer halben Million Toter von einem EU-ähnlichen Staatenbund zu dem Bundesstaat gemacht hat, den wir heute kennen. Allerdings konnte er dazu ein Heer von fast drei Millionen Mann und eine mehr oder weniger fähige Generalität ins Feld führen, was ihn letztendlich davor bewahrt hat, als Hochverräter aufgehängt zu werden. Ich bezweifle, dass die EU in ihrem eigenen Sezessionskrieg ähnliche Ressourcen aufbieten könnte. Aus Deutschland werden die jedenfalls kaum kommen.

Jörg Themlitz / 03.02.2020

Demnächst ein Stern weniger auf der EU Fahne geht gar nicht. Symbol des Misserfolges, der Schwäche. Niemals! Hallo, wer vom Bundeskanzleramt liest hier? Mein Vorschlag auf den ich keinerlei Rechte erhebe und kostenlos zur Verfügung stelle. Wir treten das Saarland an Frankreich ab. (Kohle wird dort eh nicht mehr ausgebuddelt. Und was die letzten 100 Jahre von dort als Politiker kam…) Frankreich zieht sein “Veto” gegen den Beitritt der Tigerstaaten vom Mare Mediterraneum, Albanien und Mazedonien, zurück. Zack haben wir sogar einen Stern mehr als jetzt. Claus Kleber kocht und seviert uns das al dente als Subtext, nach einem ausführlichen Bericht über einen versuchten Republikssturz mit Luftgewehr und Taschenmesser. Alles gut. Die Glücksnachricht überhaupt, mir schießen die Freudentränen in die Augen und ich sehe kaum noch die Tastatur. Aber ich schreibe weiter im Widerstand. Schlagartig ist die EU das riesige CO² Paket von GB los. (Experten können belegen, dass das böse CO² nach Austritt GB, sich nicht mehr über den Ärmelkanal traut) Und wir erhalten zwei ganz kleine CO² Päckchen aus Albanien und Mazedonien. Ich höre schon ganz leise, das Bundesverdienstkreuz an meiner Brust klimpern.

Thorsten Pallmauer / 03.02.2020

Das sind doch mal gute Nachrichten für die Schweiz, wenn der Moloch Beitrittsmöglichkeit abschaffen will.

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