Manfred Haferburg / 20.06.2025 / 15:00 / Foto: Florival fr / 13 / Seite ausdrucken

Kommt das Kernkraftwerk Fessenheim zurück ans Netz?

Einen Steinwurf hinter der deutschen Grenze könnte in einem reaktivierten KKW vielleicht wieder Atomstrom für Deutschland erzeugt werden. Die französische Kernenergie wird hierzulande dank der Energiewende zuweilen dringend gebraucht.

Das KKW Fessenheim steht nur ein paar hundert Meter von der Deutschen Grenze entfernt. Es besteht aus zwei Reaktorblöcken von je 900 MW und wurde 1977 in Betrieb genommen. Deutsche Kernkraftgegner bekämpften das Kraftwerk viele Jahre, diffamierten es als „Pannenreaktor“ und ließen kein gutes Haar an der Anlage. 2020 hatten sie endlich Erfolg, das KKW wurde vermeintlich für immer abgeschaltet. Der französische Staatskonzern EdF berichtete damals: „Es ist das erste Kraftwerk, das im Rahmen des mehrjährigen Energieprogramms zur Verringerung des Kernenergieanteils der französischen Stromerzeugung endgültig vom Netz genommen wurde. In 43 Betriebsjahren hat es 448 TWh Strom erzeugt. Dies entspricht dem elsässischen Stromverbrauch von 30 Jahren.“ Die deutschen Medien überschlugen sich vor Jubel. Haben sie sich zu früh gefreut?

Bekanntlich hat es sich die französische Regierung inzwischen anders überlegt, und statt Kraftwerksausstieg sollen nun zunächst sechs neue große Kernkraftwerke vom Typ EPR gebaut werden. Doch Fessenheim sollte ursprünglich rückgebaut werden. Die Rückbau-Genehmigung sollte 2026 erteilt werden.

Nun die große Überraschung. Der französische Sender BFM berichtet, dass die Nationalversammlung am 18. Juni den Beschluss fasste, das Kraftwerk wieder in Betrieb zu nehmen. „Dank der Mobilisierung der Abgeordneten des Rassemblement National nach der Rückkehr aus der Sitzungsunterbrechung wurde ein Änderungsantrag zur Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerks Fessenheim und seiner beiden Reaktoren angenommen“. 

In französischen linken Medien hört man nun Heulen und Zähneklappern. Genau wie in Deutschland sei eine Wiederinbetriebnahme gar nicht möglich. Allerdings ist bisher noch keine Rückbaugenehmigung erteilt, also wurde die Anlage noch nicht zerstört. Auch wird der Beschluss des französischen Unterhauses als unerlaubt juristisch angegriffen. 

"Notwendigkeit für die Energiesouveränität"

Insbesondere in Deutschland besteht die berechtigte Sorge, dass eine Wiederinbetriebnahme von Fessenheim die Diskussion des Rückholens der deutschen Kernkraftwerke wieder lostreten könnte. Auf der anderen Seite muss man beachten, dass seit der Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke Frankreich den Strom von etwa drei französischen Kernkraftwerken sehr gewinnträchtig nach Deutschland exportiert. Das paradoxe Resultat: Das Kernenergieausstiegsland Deutschland bezieht Strom aus Kernenergie, die im Kernergie-Nachbarland Frankreich betrieben werden.

So ganz unwahrscheinlich ist die Wiederinbetriebnahme von Fessenheim also  nicht. Die Zukunft wird zeigen, ob dies eine Tatarenmeldung ist. Jean Philippe Tanguy (RN) sagte in seiner Antragsbegründung: „Die Wiedereröffnung muss so schnell wie möglich erfolgen, sobald die technischen Bedingungen und Sicherheitsmaßnahmen dies zulassen. Dies ist eine Notwendigkeit für unsere Energiesouveränität, die Teil einer ehrgeizigen Politik der massiven Wiederbelebung der Kernenergie ist". Ein kleiner Sieg für die Partei von Marine Le Pen. 

Man muss nur nach Japan schauen. Dort wurden seit dem Schock von Fukushima 14 Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen und weitere werden vorbereitet. Sogar Neubauten werden geplant. 

Obwohl die „Faktenchecker von dpa“ es vehement leugnen, der französische Kaiser Napoleon Bonaparte soll über die Deutschen gesagt haben: „Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. Ich brauchte nur meine Netze auszuspannen, dann liefen sie wie ein scheues Wild hinein. Untereinander haben sie sich gewürgt, und sie meinten ihre Pflicht zu tun. Törichter ist kein anderes Volk auf Erden". Wie auch immer – was den Ausstieg aus der Kernenergie betrifft, neigt der objektive Betrachter wohl eher zur inhaltlichen Zustimmung. 

 

Manfred Haferburg wurde 1948 im ostdeutschen Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Aber im Dunkeln leuchten kann er immer noch nicht. Als die ehemalige SED als Die Linke in den Bundestag einzog, beging er Bundesrepublikflucht und leckt sich seither im Pariser Exil die Wunden. In seiner Freizeit arbeitet er sich an einer hundertjährigen holländischen Tjalk ab, mit der er auch manchmal segelt. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.

 

Zum Thema kürzlich von Manfred Haferburg und Klaus Humpich erschienen:

Atomenergie – jetzt aber richtig

Das Nachwort stammt von dem Wissenschaftsphilosophen Michael Esfeld. Sie können das Buch hier in unserem Shop bestellen.

Zum Inhalt des Buches: Es ist keine Frage ob, sondern lediglich wann „die dümmste Energiepolitik der Welt“ (wallstreet-Journal) – in Deutschland euphemistisch „Energiewende“ genannt – beerdigt wird. Und was dann? Überall auf der Welt werden längst wieder die Weichen für die Kernenergie gestellt, CO2-frei wie bisher, aber intelligenter, resilienter, mobiler und preiswerter als je zuvor. Die Atomenergie kann auch hierzulande der Nukleus für einen neuen Wohlstand sein, auch diese Einsicht wird sich unter der Last des Faktischen durchsetzen. Die beiden Energieexperten Manfred Haferburg und Klaus Humpich analysieren den deutschen Irrweg und zeigen Wege aus der Sackgasse. Dieses Buch ist ein Almanach der Vernunft für alle, die in Deutschland erfolgreich wirtschaftlich tätig sind und damit fortfahren wollen.

Foto: Florival fr, CC BY-SA 3.0, Link

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 20.06.2025

Während geografisch nicht allzu weit entfernt gerade gezielt und systematisch Atomanlagen bombardiert werden, scheint mir eine Diskussion um die Wiederinbetriebnahme dieses oder anderer Kernkraftwerke ein wenig an den gegenwärtigen realen Problemen vorbei. Aber darin sind “wir” ja Weltklasse, propagieren hier irgendwas von “Klimaneutralität durch C02-Abschaltung”, während direkt um die Ecke ein fossil betriebener Krieg am Laufen gehalten wird.

Heiko Caster / 20.06.2025

Als ich auf der anderen Seite des Rhein stand, dachte ich unwillkürlich: Was für ein Schrotthaufen!!! Und sowas wieder in Betrieb zu nehmen, um dieses Land (BRD) mit Energie zu versorgen….??? Und hier wurden wesentlich neuere und höherwertige AKW’s gesprengt (zumindest die Kühltürme) und “zurückgebaut”? Danke an alle! bisher regierenden Parteien und ganz besonders: den “Grünen”.... Was für eine Scheiss - Taliban Politik !!! Soviel Ideologie, Ignoranz und Naivität ist unerträglich…und einer Demokratie unwürdig.

L. Luhmann / 20.06.2025

@Gerard Doering / 20.06.2025 - “Interessant auch die Meldung dass Arcelor Mittal das Projekt der Grünen Stahlförderung mittels Wasserstoff, aufgab. Trotz versprochener hoher Subventionen lohnt sich das für den größten Stahlkonzern der Welt nicht.(...)”—- Diejenigen, die sich die Taschen vollgemacht haben, wussten ganz genau, was sie taten! Diesen Leuten ist es wert, ein Milliarde in den Sand zu setzen, wenn sie selbst eine Million einsacken können ...

L. Luhmann / 20.06.2025

Wir Ohnmächtigen können nur sagen: On verra ...

Rolf Lindner / 20.06.2025

@Johannes Schuster: Wer einigermaßen in der Großanlagenindustrie zu Hause ist, weiß, dass keine solcher Anlagen in Betrieb genommen und einfach 43 Jahre auf Verschleiß benutzt wird. Umso mehr gilt das für KKWe, deren Betrieb von einer ganzen Menge Genehmigungen nach xyz vorgeschriebenen Rekonstruktionen abhängig ist. Die Schalttafeln von 1977 gab es im Fessenheim von 2020 garantiert nicht mehr. Dass die Wiederinbetriebnahme eines stillgelegten KKWes eine Menge Anpassung an neue Anforderungen benötigt und teuerer ist, als wenn man es einfach weiter betrieben hätte, ist auf alle Fälle der rotgrünen Industriezerstörungswut und Klimaparanoia anzulasten, genauso wie das Märchen, dass ein Neubau billiger wäre. Letzteres stimmt möglichweise, jedoch nur dann, wenn vorher die rotgrüne Klimamafia und die schwarzen Bücklinge von der Macht getrennt werden.

Ralf.Michael-さん / 20.06.2025

Viva la Centrale Nucléaire ...

Sam Lowry / 20.06.2025

Und sollte der Schrotthaufen wieder ans Netzt gehen: 1. Wer verdient dran? 2. Egal, ob hundert Meter vor oder hinter der Grenze was hochgeht macht welchen Unterschied? Irgendwie sind in letzter Zeit seltsame Artikel bei Achgut…

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