Gunnar Heinsohn / 22.10.2019 / 06:25 / Foto: U.S. D.D. / 21 / Seite ausdrucken

Kommt das Helikoptergeld?

2008 beurteilt Masaaki Shirakawa, damals Direktor der Bank of Japan, die Senkung des Zentralbankzinses von 6 Prozent 1991 auf 0,1 Prozent im Jahre 2006: „Die extrem lockere Geldpolitik der Jahre bis 2006 mit dem Diskont nahe Null hat zwar dazu beigetragen, das Bankensystem zu stabilisieren, aber für das wirtschaftliche Wachstum fast nichts erreicht” (Financial Times, 15. Dezember 2008, S. 3). Für die ab 2009 einsetzenden Kombinationen aus Nullzins und dem Ankauf von Staatsanleihen (quantitative Lockerung) lässt sich ebenfalls kaum ein Einfluss auf die Realwirtschaft nachweisen (K. Hausken, M. Ncube, Quantitative Easing and Its Impact in the US, Japan, the UK and Europe, Springer, 2013).

Die Aussage zur Stabilisierung des Systems der Banken durch Nullzins ist bewusst zwiespältig gehalten, weil damals in Japan und später in der übrigen Welt ja dennoch viele und auch große Banken untergehen. Das sind diejenigen, die während der Krise durch das Bankrottieren ihrer Schuldner die ausbleibenden Kreditrückzahlungen aus dem Eigenkapital und aus den Reserven glattstellen müssen. Sie dürfen zwar an den Zentralbanktresen, haben aber nun keine Pfänder mehr, die auch für einen mit Nullzins herausgereichten Kredit bisher noch verlangt werden. 

Damit ist eine grundsätzliche Schwäche der Nullzinspolitik benannt. Von ihr können direkt lediglich Leute profitieren, die an den Zentralbanktresen dürfen und pfandtaugliches Eigentum zur Verfügung haben. Nur eine Minderheit der Bevölkerungen also kann aus der Zinsnullung Nutzen ziehen. Deshalb führt sie automatisch zur Vergrößerung der Vermögensunterschiede.

Eine wunderbare Periode der Freude und des Glücks

Für die pfandgesegneten Bankeigentümer hingegen beginnt mit der Zinsnullung eine wunderbare Periode der Freude und des Glücks. Sie kassieren umgehend dadurch, dass sie die von ihren Kunden verlangten Zinsen langsamer senken, als sie nunmehr bei den Zentralbanken zahlen müssen. Darüber hinaus erwachsen ihnen vollkommen neue Märkte. Verlangt eine Zentralbank für eine Million bisher fünf Prozent Zins (also 50.000), wird eine Geschäftsbank keine Firmen oder Anleihen zum Preis von einer Million kaufen, die lediglich vier Prozent (also 40.000) Ertrag abwerfen. Bekommt die Bank eine Million aber plötzlich für 0, darf sich die Investition im Preis sogar verdoppeln und bleibt trotzdem profitabel. Was dann 2 Millionen kostet, bringt zwar immer noch nicht mehr als 40.000, aber dafür kosten die zu leihenden 2 Millionen auch weiterhin lediglich 0 Zins. Allerdings kommt es bei diesem Vorgehen zu einer Inflation der Vermögenspreise um 100 Prozent. Die Konsumentenpreise bleiben stabil; denn mehr Butter und Gemüse wird ja nicht gekauft. Innerhalb der teurer werdenden Firmen hat sich nichts geändert. 

Eine Zentralbank kann also sehr viel dafür tun, um Eigentumsreiche noch reicher zu machen. Auf das Produktivitätswachstum von Unternehmen hingegen hat sie keinen Einfluss. So benötigen Leute, die innovative Geschäftsideen umsetzen wollen, für ihre Kreditfähigkeit Eigenkapital. Das kann ihnen eine Zentralbank genauso wenig verschaffen wie die Geschäftsbank, wo die vielversprechenden Tüftler einen Kredit bekommen wollen, aber kein Pfand stellen können. Bereits existierende Firmen, die durchaus kreditfähig sind, benötigen für die Verbesserung ihrer Konkurrenzfähigkeit höher qualifizierte Arbeitskräfte und/oder bahnbrechende Patente. Weder Geschäftsbanken noch Zentralbanken können solche Faktoren zur Verfügung stellen.

Allerdings können Zentralbanken kreditfähige Firmen dazu verführen, Anleihen zu begeben. Die Unternehmen ärgern sich, dass sie bei ihren Nullzinsgeld empfangenden Banken auch weiterhin 4 oder 5 Prozent bezahlen müssen. Also begeben sie umgehend Anleihen mit einem Zinsversprechen von 3 Prozent. Fängt einer damit an, müssen die anderen nachziehen, um nicht aufgrund höherer Zinslasten ihre Konkurrenzfähigkeit zu verschlechtern.

Da die nun eingeworbenen Mittel für den laufenden Betrieb gar nicht gebraucht werden, gehen sie überwiegend in Aktienrückkäufe, um die Zahl der Gewinnberechtigten zu verringern. Intern ändert das an der Leistungsfähigkeit der Betriebe nichts. Dafür sind die Anleihen interessant für Alle, die etwa für ihre Ausleihungen an Banken (für ihre Sparkonten also) fast nichts mehr bekommen, sich nun aber über 3 Prozent freuen können. Somit resultiert auch ihre Kaufbereitschaft aus der zentralbanklichen Zinsnullung.

Die fälligen Mega-Bankrotte

Allein in den USA springt das Volumen von Firmenanleihen (corporate bonds) zwischen 2008 und 2018 von etwa 2,8 auf fast 7,5 Billionen Dollar. Rund eine Billion davon hat mittlerweile ein Junk-Rating. Bald 3,5 Billionen stehen nur noch eine Stufe darüber. Fallen sie um diese Stufe, verlieren sie ihre Mündelsicherheit und müssen von Lebensversicherungen et cetera abgestoßen werden. Finden sich keine Käufer, müssen die aktuellen Halter vielleicht zu 30 Cent bewerten, was gestern noch mit einem Dollar in der Bilanz stand. Die verlorenen 70 Cent müssen aus dem Eigenkapital glattgestellt werden. Die fälligen Mega-Bankrotte könnten dann nur noch durch zentralbankliche Ankäufe dieser Bonds nahe ihrer Ausgabekurse herausgezögert werden.

Walter Bagehot (1826-1877) hat die aus zentralbanklicher Zinsnullung erwachsenden Torheiten vorausgesehen und deshalb ihr Gegenteil verlangt. In einer Krise – so schreibt er 1871 in Lombard Street – ist von solventen, aber momentan illiquiden Geschäftsbanken „ein sehr hoher Zinssatz zu verlangen. Das wird sich als schwere Ahndung für irrationale Ängste auswirken und so die Mehrzahl der Anträge von Bankern verhindern, die sie gar nicht brauchen.“ 

Die entscheidende Torheit besteht im Nullzinsangebot ausschließlich an Pfandreiche, die damit noch reicher werden können. Da wäre Helikoptergeld zwar keine weisere, aber doch die demokratischere Lösung. Auf alle Konten würden Summen überwiesen, ohne dass die Empfänger Pfand und Tilgung zusagen müssten. Die Inflation würde sich dann nicht allein auf die Vermögenspreise beschränken, sondern auch das Rinderfilet treffen. Eine Verbindung von Nullzins und Pfandverzicht wäre insofern das ultimative Interventions-Ass, das die Zentralbanken noch im Ärmel haben.

Autor Gunnar Heinsohn ist im Lexikon ökonomischer Werke von Dietmar Herz und Veronika Weinberger  – neben dem 1994er Nobelpreisträger Reinhard Selten – als einziger deutscher Autor mit drei Werken vertreten. Das Lexikon stellt 650 wegweisende Schriften von 460 Autoren seit Hesiod vor (Düsseldorf: Wirtschaft und Finanzen 2006, S. 186-190). 

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Jochen Wegener / 22.10.2019

Und nun erfüllt sich auch, was Helmut Schmidt schon damals von türkischen Politikern wie Demirel hörte: “Wissen Sie, Herr Schmidt, bis zum Ende des Jahrhunderts müssen wir noch zehn Millionen Türken nach BRD exportieren, wir haben zu viele Menschen.” Erdogan hat das gut im Ohr und weiß das auch den vertriebenen Kurden zu vermitteln, Germoney das Land der unbegrenzten sozialen Wohltaten wird euch aufnehmen, dort kommt das Geld schließlich vom Himmel.

Rudi Hoffmann / 22.10.2019

Börsengeheimnisse leicht erkärt: Herr Heinsohn hat mal sinngemäß  folgendes gesagt/gefragt; Wenn eine Hühnerfarm an die Börse geht und sich dadurch ihr Kapital und Börsenwert verzehnfacht ,  legen deshalb die Hühner mehr Eier ?

Fritz Maier / 22.10.2019

Die EZB kann -wie alles likspopulistische - nicht logisch Denken. Der Negativzins soll die Wirtschaft ankurbeln und den Verbraucher dazu bringen sich zu verschulden. Dumm nur, dass man ein paar jahre vorher Basel 3 eingeführt hat, dass der Verschuldung der Realwirtschaft enge Grenzen setzt. Jetzt sitzen die EZB und Geschäftsbanken auf einem Haufen Geld - und keiner kann es - in Form von Kreidten - nehmen. Also wirft man - wie bei Frau Holle - das überflüssige Geld einfach zum Fenster raus. Was ich mit 10k€ machen würde weiß ich, nur wäre das nicht im Sinne der EZB.

Anders Dairie / 22.10.2019

Wann, Prof. HEINSOHN, fällt das Wort INFLATION und kommt die Vernichtung der Kaufkraft des vielen bedruckten Papiers ?  Ich hatte meinen lw. Pächter verpflichtet, die Pacht aus gg. Grund in Naturalien,  wie Säcke mit Mehl und Zucker , sowie Krüge mit Fett zahlen zu müssen.  Wobei mir erst später einfiel,  dass Rapsöl , Eier und Benzin vergessen wurden.  Den Städtern könnte zudem das Wasser fehlen.

Karsten Paulsren / 22.10.2019

Glück gehabt! Wir habe noch zur Normalzinszeit gebaut und konnten vor 2 Jahren unseren Kreditbelastung erheblich herabsetzen. Der Neuerstellungspreis unserer Immobilie ist inzwschen um 40% gestiegen.

Gereon Stupp / 22.10.2019

Wenn die Sachwert-Inflation auf die Verbraucherpreise durchschlägt – wie hier per Helikoptergeld angedacht – ist die Panik da. Das Euro-Konzept fliegt uns ohnehin um die Ohren. Ob der Crash von der fehlenden Ertragsfähigkeit der Banken (siehe Krall) oder von Staatsbankrotten oder von sonst etwas ausgelöst wird, ist am Ende des Tages wurscht. Europa wird an vielen Stellen von Inkompetenz regiert. Vielleicht ist es ja das Peter-Prinzip. Es kann nicht schaden ein paar tausend Dollar im Strumpf zu haben, wenn es soweit ist.

Walter Neu / 22.10.2019

Helikoptergeld haben wir doch quasi bereits. Allerdings auch nicht sozial gerecht verteilt: Man importiert Millionen von Menschen aus Problemregionen und verteilt gigantische Geldbeträge an selbige.

T.Resias / 22.10.2019

Das Helikoptergeld ist schon da. Es wird aber nicht über der einheimische Bevölkerung abgeworfen, denn die würde es ja u.a. auch für zusätzliche Auslandsurlaube oder zum Sparen verwenden. Nein, es wid über die Neuankömmlinge ausgegossen, die ja ohne mitgebrachte Güter hier ankommen und daher alles neu brauchen . Somit wandert dieses Geld direkt in den Konsum, kurbelt also die Inlandsnachfrage an - genau der Effekt den man erreichen wollte.

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