Kommen bald Kleinreaktoren in Mikronetzen?

Bisher war es Stand der Technik, möglichst große Stromnetze über Ländergrenzen hinweg zu bilden. In diese speisten zahlreiche lokale Kraftwerke ein. So konnte „preiswerte“ elektrische Energie aus Wasserkraft, Braunkohle, Steinkohle etc. optimal genutzt werden. Durch die vielen Erzeuger erhöhte sich darüber hinaus die Verfügbarkeit für alle. Auf die Spitze getrieben wurden diese Netze in den USA, der Sowjetunion und neuerdings in China. Sie sind so ausgedehnt, dass sogar Zeitzonen ausgenutzt werden konnten. Das war die „gute, alte Zeit“ mit ausschließlich nachfrageorientierter Versorgung.

In dem Moment, als man die fixe Idee einer Vollversorgung durch Wind und Sonne ersonnen hatte, wurde alles schlagartig anders: Der Zufall trat als bestimmende Größe auf den Plan. Heute soll nicht mehr produziert werden, wenn der Kunde eine Nachfrage hat, sondern ausschließlich, wenn der Wettergott es will. Es ist wieder so wie vor der Erfindung der elektrischen Arbeit. Geistige Größen wie Claudia Kemfert bezeichnen das verniedlichend als „dargebotenes Wirtschaften“. Soll heißen, wenn der Wind weht, soll der Arbeiter am Fließband arbeiten, bis er umfällt, dafür kann er ja bei Windstille „Überstunden abfeiern“. Willkommen zurück im Mittelalter.

Definition nach IEEE

Für alle Nutzer, die auf eine kontinuierliche Stromversorgung angewiesen sind, ist die Entwicklung hin zu „Erneuerbaren“ ein einziger Albtraum. Die logische Antwort darauf heißt Microgrid in Anlehnung der IEEE 2030.7 (IEEE Standard for Specification of Microgrid Controllers):

Ein Microgrid (kleines Stromnetz oder besser noch Energienetz) sind miteinander verbundene Verbraucher und Erzeuger mit elektrisch eindeutiger Abgrenzung, die als eine regelbare Einheit verstanden werden können. Sie können mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden und von diesem getrennt werden (Inselbetrieb), sind aber stets in sich regelbar. – IEEE 2030.7 (IEEE Standard for Specification of Microgrid Controllers)

Das ist die Antwort der IEEE (Institute of Electrical and Electronic Engineers) auf die zunehmende Verwundbarkeit unserer Stromnetze durch „extreme Wetterereignisse“ oder menschengemachte Unglücke. Das geht über die Absicherung einzelner Objekte – z.B. Krankenhaus mit Notstromdiesel – weit hinaus. Denkbar ist z.B. eine Stadt mit Wohngebäuden, Gewerbe, Industrie etc. und verschiedenen Quellen: Photovoltaik, „Kleinkraftwerke“, Abwärmenutzung usw. Durch die Vernetzung ist es darüber hinaus möglich, Primärenergie durch Kraft-Wärme-Kopplung zu sparen. Im Gegensatz zu elektrischer Energie lässt sich Wärme nur im Nahbereich wirtschaftlich nutzen. Das war vielfach der Hinderungsgrund (z.B. großes Kernkraftwerk, weitab von Städten) für Koppel-Prozesse oder den heutigen Schnapsideen (z.B. in Berlin), die Überproduktion aus den fernen Windparks auf dem Meer in riesigen Tauchsiedern für die Fernwärme zu verbraten.

Die Widerstandsfähigkeit

Man muss es immer wieder in aller Deutlichkeit sagen: Ein Stromnetz nur mit Wind und Sonne zu betreiben, ist technisch unmöglich. Es ist immer ein Backup-System für die Dunkelflaute nötig. Selbst ein Einfamilienhaus lässt sich – zumindest wirtschaftlich – nicht nur durch Photovoltaik versorgen. Es müssten riesige, entsprechend teure Akkus installiert werden, damit jederzeit Strom genutzt werden kann – auch in der Nacht im Winter. In der Praxis schnorren solche Installationen deshalb im öffentlichen Netz: Es wird elektrische Energie zu einem geringen Preis pro kWh bezogen. Die Investitionen für die Leistung werden allen anderen Stromkunden in Rechnung gestellt. Ein Zustand, über den man bisher, wegen der geringen Anzahl, hinwegsehen konnte. Je mehr (wohlhabende) Schlaumeier sich aber Photovoltaik aufs Dach setzen, um so unsozialer wird diese Form der Umverteilung. Kurz über lang wird man deshalb einen (saftigen) Bereitstellungspreis für diese Form der Bereicherung einführen müssen. Dies ist z.B. für die Industrie schon immer der Fall. Sorry, liebe „grün-alternativen“ Hausbesitzer, wenn ihr den Schlangenölverkäufern auf den Leim gegangen seid. „Öko“ mag zwar fürs eigene Image gut sein, man muss es sich nur leisten können.

Schon länger in der Industrie und neuerdings auch bei Stadtwerken, rückt die Versorgungssicherheit noch vor den Energiepreisen ins Blickfeld. Jahrzehntelang kam in Deutschland der Strom aus der Steckdose. Plötzlich setzt sich die Erkenntnis durch, dass kein Strom (Blackout) die teuerste Variante ist. Egal ob die verwundbar gewordenen Netze durch außergewöhnliches Wetter oder durch wechselnde Politiker (drohen) zusammenzubrechen. Eigentlich keine neue, sondern allenfalls vergessene Erkenntnis. Jedem West-Berliner ist das Problem noch aus der Zeit des kalten Kriegs vertraut. Man unterhielt riesige Kohlenhalden, einen eigenen Erdgasspeicher und zusätzliche Tanklager, um einen Inselbetrieb zu ermöglichen. Strenge Winter wurden damit überstanden (Einfrieren der Wasserwege und der Kohle in den Eisenbahnwaggons), und sie dienten auch als wirksame Abschreckung gegenüber russischen Blockaden. Die wirksamste und preiswerteste Lösung ist das Speichern der Primärenergie (Kohle, Gas, Öl, Uran) und nicht erst der Endenergie (elektrische Energie, Wärme). Der beschleunigte Ausbau der Windkraft in Deutschland ist in diesem Sinne der Versuch, einen Brand mit Benzin zu löschen. Je mehr Windparks, um so anfälliger wird das öffentliche Netz. Speicher für die Überbrückung der in Zentraleuropa regelmäßig auftretenden tagelangen Dunkelflauten sind nicht einmal technisch möglich, geschweige denn finanzierbar. Da sich diese Erkenntnis langsam rumspricht, ward das nächste Schlangenöl geboren: Wasserstoff aus Kanada, Strom aus der Sahara.

Die Optimierung

Wenn man darüber hinaus noch glaubt, dass (moderne) fossile Kraftwerke schädlicher für die Umwelt seien als Windparks apokalyptischen Ausmaßes – man betrachte nur die Planungen für Nord- und Ostsee – was bleibt dann? Wenn man nicht völlig ideologisch vernagelt ist, nur die Kernenergie. Sie ist ohnehin die umweltfreundlichste Energieerzeugung und reicht für Jahrtausende, um den heutigen Primärenergieverbrauch der Welt zu decken. Es gab bis heute allerdings das Problem der „Megawatt-Maschine“. Man musste erst mal ein großes Netz haben, damit man überhaupt Kernkraftwerke bauen konnte. Das ist das Problem aller abgelegenen Regionen bzw. Entwicklungsländer.

Nun kommt unerwartete Hilfe von professionellen Investoren (Waren Buffet, Bill Gates etc.). Sie haben sich mit Milliarden Subventionen aus Steuermitteln die Investition in Wind- und Sonne versüßen lassen. Wohl wissend, dass sich diese „Geldanlagen“ nur wegen der Subventionen rechnen. Diese laufen aber absehbar aus. Der Rückbau dieser Anlagen kostet auch noch Geld, also muss eine Lösung her, diese wenigstens auf dem Papier weiter betreiben zu können. Dafür bieten sich Microgrids mit Kleinreaktoren an. Im ersten Schritt listet man alle Verbraucher – Wärme und Elektro – in dem betrachteten Gebiet auf, ebenso alle Energiequellen wie Windmühlen, Sonnenkollektoren, Biogasanlagen und was sonst noch immer geht. Die Aufgabe, all das zu optimieren, nimmt heute ein Programm wie XENDEE ab. Mit ihm kann man nicht nur die finanziell optimale Lösung finden, sondern auch nach ökologischen Gesichtspunkten optimieren, was für das Marketing äußerst wichtig ist: Selbstverständlich kann der minimale CO2-Fußabdruck gefunden werden.

Jetzt kommt die Kernenergie ins Spiel. Sie kann das betrachtete Versorgungsgebiet nahezu CO2-frei machen. Wozu man dann überhaupt noch Wind und Sonne braucht? Man kappt ja nicht die Verbindung zum öffentlichen Netz, sondern bezieht gelieferte bzw. bezogene elektrische Leistung ein. Ein simpler Weg ist die Lieferung bei Spitzenpreisen bzw. der Bezug, immer dann, wenn der Preis im öffentlichen Netz unter dem der Eigenerzeugung liegt. Dieses Zubrot kann man noch durch Wärme- und Kältespeicher ausbauen. Eigentlich gar nicht etwas so Neues, sondern das, was Stadtwerke (z.B. Bewag in Berlin oder HEW in Hamburg) in der guten alten Zeit schon immer gemacht haben.

Der Einsatz von Kleinreaktoren

Wichtig zum Verständnis ist die unmittelbare Nähe zum Verbraucher. Nur so kann man überhaupt Kraft-Wärme-Kopplung als die energetisch sinnvollste Methode der Energiewandlung betreiben. Genau das Gegenteil von deutscher „Energiewende“: Es wird nicht die Nutzenergie in der fernen Nordsee oder gar im fernen Kanada produziert, sondern erst unmittelbar vor Ort. Abgesehen von der Einsparung großer Transportverluste muss man auch nicht elektrisch heizen. Die Verwendung der Edelenergie „elektrischer Strom“ ist wirtschaftlicher (Umrüstung alter Gebäude auf Wärmepumpen) Unsinn bzw. die „Heizung durch elektrische Tauchsieder“ thermodynamischer Frevel (Exergie).

Wenn Kernreaktoren in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten akzeptiert werden sollen, müssen sie „inhärent sicher“ sein. Sie müssen vollautomatisch betrieben werden können und dürfen – egal was auch immer passiert – keine gefährdende radioaktive Strahlung über ihre Grundstücksgrenze hinweg abgeben. Ferner sollte ihre Leistung möglichst klein (<20 MWel) sein, damit möglichst viele Kleinnetze gebildet werden können. Bezüglich der wirtschaftlichen Größe kann bisher noch kein abschließendes Urteil gefällt werden. Selbst die SMR (< 300 MWel) sind wegen ihrer Leistung nur für Metropolen oder Industriegebiete geeignet. Sie sind eher für die Eingliederung in konventionelle Netze – z.B. Ersatz bestehender fossiler Kraftwerke – erdacht worden.

Der Krieg als Vater aller Dinge

Immer wenn es um Militär geht, spielt Geld praktisch keine Rolle. Nichts erscheint zu teuer. Zweistellige Millionenbeträge sind z.B. bei Kampfflugzeugen die Regel. Generäle denken in anderen „Einheiten“. Ihr Leitgedanke gipfelt in der schon alten Überzeugung: Schlachten werden durch die Infanterie, Kriege aber durch die Logistik gewonnen. Dieser Gedanke ist im Zeitalter der Präzisionsraketen aktueller denn je, wie der Ukraine-Krieg gerade zeigt: Die Stützpunkte lassen sich relativ einfach verteidigen, nicht aber die Eisenbahnlinien und die LKW-Kolonnen für Munition und Treibstoff. Ferner elektrifiziert sich auch der Krieg immer mehr: elektrische Antriebe wegen ihrer geringeren Wärme- und Geräuschabstrahlung, Radargeräte, elektronische Geräte zur Aufklärung und Störung – bis hin zu Lasern zur Drohnenabwehr. Allen Militärs ist klar, nicht die Stromerzeugung im Feld ist das Problem, sondern die dauerhafte Energieversorgung unter Kriegsbedingungen.

Favorit sind mobile Kleinreaktoren, die sich mit Flugzeugen und LKW transportieren lassen. Im ersten Schritt will man Flughäfen und Raketenabwehr im fernen Alaska versorgen. Auch das ist kein so neuer Gedanke, war alles schon mal in den 1950er Jahren da. Heute steht aber eine ganz andere Reaktortechnik zur Verfügung. Solche Militärstützpunkte verfügen bereits über ein Microgrid. Auch auf dem Gebiet der Netze hat sich durch die Elektronik enorm viel getan. Der letzte fehlende Baustein ist nur noch der Kleinreaktor.

Wenn man sieht, mit welcher Intensität in den letzten Jahren in den USA geforscht und entwickelt wird und vor allen Dingen, wie breit die finanzielle Unterstützung der Politik geworden ist, wird man in den nächsten Jahren mit den ersten realisierten Projekten rechnen können. Da in den USA eine grundsätzlich andere Einstellung zur „Geheimhaltung“ als in sozialistischen Systemen herrscht, wird die zivile Anwendung unmittelbar folgen. Sobald das Militär die technische Realisierbarkeit vorgemacht hat, werden sich die Investoren auf dieses neue Gebiet stürzen. Wehe den Staaten, die ihren Wohlstand mit ihren gigantischen „Windparks“ verbrannt haben. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ganze Kulturen wegen technisch-wirtschaftlicher Fehlentscheidungen in sich zusammengebrochen sind.

Foto: Tiia Monto CC BY 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Manfred Wetzel / 06.09.2022

Nun bin ich nicht der Freund der Kernenergie, aber spielen wir das mal durch. Diese Kleinreaktoren, wahrscheinlich Flüssigsalzreaktoren, werden der kommende Exportschlager Chinas werden. China wird diese Dinger dann in Serie produzieren. Verkauft werden die an despotische Regime, das umgeht die Genehmigungsverfahren.  Alles was es dann noch braucht ist ein Gleis-, ein Autobahn- oder ein Hafenanschluss. Irgendwie müssen die schweren Brocken ja ankommen. Dann braucht es einen Kühlwasseranschluss und eine 10 kV-Leitung in der Nachbarschaft. Der Aufbau eines Kleinreaktors wird vielleicht 6 Monate dauern. Wenn die Brennelemente dann abgebrannt sind, werden nicht die Brennelemente gewechselt, der gesamte Reaktor wird getauscht.  Das dauert vielleicht einen Monat. Das wird der neue Türöffner für China in den Ländern der 3. Welt. China übernimmt den Aufbau, den Betrieb und die Entsorgung. Und wie man hört bastelt man ich China bereits an solchen Sachen.

Paul Ehrlich / 06.09.2022

Fakt ist, es wird höchste Zeit für eine Entgrünifizierung Deutschlands! Aber diesmal gründlich und nicht so wie beim ersten Mal. Aber ich wäre für ein Denkmal so nach dem Motto Nie wieder!

M. Feldmann / 06.09.2022

Ergänzung: Die Dinger gibt es Wirklich. In den USA sind einige Unternehmen entstanden,  die wollen die Reaktoren buchstäblich am Fließband bauen und dann auf den Lkw packen und stellen den dann vor die Türe. ... Scherz bei Seite. Es wird ein Loch gebuddelt,  ausbetoniert, der Reaktor versenkt, Deckel drauf, fertig. Vereinfacht gesagt. Steuerung von außen. Sie können buchstäblich nicht durchdrehen, die Reaktion ist so beschaffen, dass sie sich im theoretischen Fall selbst runterfahren. ... Sagt man. ... Der Brennstoff reicht wartungsfrei im Normalbetrieb für ca. 100 Jahre. ... Sagt man. ... Die Energieausbeute des kleinsten Reaktors 1 MW. ... Sagt man. ... Kosten kann man sich mit den Nachbarn teilen oder einen Kurzzeitkredit über 100 Jahre bei der Bank Ihres Vertrauens beantragen. Die werden sicher sofort helfen.

Herbert Exner / 06.09.2022

Ich möchte zusammenfassend aufzeigen worauf es bei den Microreaktoren ankommt: 1. Die meistbenötigten Leistungsgrößen müssen behördlich nur einmal freigegeben werden. 2. Die Hersteller solcher Mikroreaktoren müssen ihre Produkte frei innerhalb des Landes (zunächst) verkaufen   können als wären sie ein PKW oder ein Rasenmäher. 3. Die Chemische Industrie muss die abgebrannten Uran oder Thorium “Stäbe” in wenigen landeseigenen   Anlagen wieder aufbereiten. 4. Die Forschung an Universitäten, Start-ups und Industrie muss auf diesem Gebiet langfristig gefördert werden. 5.  Staatliche Instanzen informieren Medien und Öffentlichkeit wahrhaftig

BKKopp / 06.09.2022

Für Atom-U-Boote und Atom-Eisbrecher gibt es Kleinreaktoren schon lange. Die britische Regierung hat vor ca. einem Jahr, zusammen mit dem Anlagenbauer Rolls-Royce, ein ca. 400-Millionen-Entwicklungsprogramm angeschoben, mit dem industrielle Kleinserienproduktion von kleinen Atomreaktoren entwickelt werden sollen. Wirtschaftlichkeit ist wahrscheinlich der kritische Faktor. Die Vision wäre, dass jede größere stromintensive Fabrik ihr eigenes kleines AKW betreibt und neben dem Eigenbedarf auch die unmittelbare Umgebung stabil mitversorgt. Wenn es dann auch noch gelänge, solche Klein-AKWs mit weiterentwickelter Reaktortechnik zu wettbewerbsfähigen Bedingungen auf den Markt zu bringen, dann wäre CO-2_Neutralität in 20-plus Jahren nicht unmöglich.

Gus Schiller / 06.09.2022

Schon bei Loriot bekam Dicki zu Weihnachten ein eigenes Atomkraftwerk.

Dr Stefan Lehnhoff / 06.09.2022

Naja, der Krieg Als Vater aller Dinge hat auch Jahrzehnte lang dafür gesorgt, dass man der schlechteren Technologie den Vortug gab, um Plutonium erbrüten zu können.

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