Kokain kann tödlich sein – fürs Klima!

Von Michal Kornblum.

Ich blätterte von Seite zu Seite des Stern, als ich plötzlich an einem Foto hängen blieb. Eine grüne Landschaft aus Südamerika, wunderschöne Weite und die absolute Wildnis. „Super!“, dachte ich, „ein Reisebericht!“. Ich habe ein Faible für dieses Genre, da es neben kulinarischen Artikeln häufig ein letztes Relikt noch halbwegs unpolitischen Journalismus‘ ist. Enttäuscht stellte ich beim Lesen der Überschrift schnell fest, dass es weder um Reisen geht, noch, dass man hier ohne Politik auskommen würde. Stattdessen geht es um Kokain. Genauer gesagt, setzt sich dieser Artikel mit der plakativen Überschrift „Kokain als Klimakiller“ mit den klimaschädlichen Folgen von Kokain auseinander.

Sollte man sich also noch nicht ganz sicher sein, wie Kokain zu bewerten ist, – denn immerhin sind brutale Drogenkartelle, die die Bevölkerung bedrohen, Menschen, die sterben, weil sie mit Bodypacks versuchen, Kokain zu schmuggeln und über eine halbe Million Tote nur durch Kokain pro Jahr keine ethischen Kriterien, um zu einer eindeutigen Einschätzung zu gelangen – dann sollte dieser Bericht mit diesen schwerwiegenden Argumenten auch den letzten Unschlüssigen überzeugen. Nicht genug, dass für den Anbau der entsprechenden Pflanzen immense Flächen an Wäldern gerodet werden, errichten die Kartelle häufig Rinderfarmen, um die Einnahmen aus dem Geschäft mit dem Kokain, reinzuwaschen. Inzwischen sollte ja auch jedem Kulturbanausen bekannt sein, dass nur noch schlimmer als Kokain für das Klima das Rind ist. Kurzum das Teufelszeug ist wirklich schädlich (fürs Klima!), und so appelliert der Stern, untermauert mit einer wissenschaftlichen Studie der Texas State University, an die Politiker der betroffenen südamerikanischen Länder, stärker gegen Drogenkartelle vorzugehen.

Ich war schockiert, denn ich hatte ja keinen Schimmer, wie schlimm Kokain wirklich ist. Klar, während der Drogenpräventionstage in der Schule wurde ich über die gesundheitlichen Risiken und Folgen aufgeklärt, und auch von Kartellen und Drogenbossen, die vor nichts zurückschrecken, hatte ich schon gehört, aber das mit dem Klima war mir neu.

Als ich jedoch länger drüber nachdachte, fiel mir ein, dass bekanntermaßen auch der Anbau von Marihuana klimatechnisch eine ziemlich große Schweinerei ist. Immerhin brauchen die Pflanzen nicht nur sehr viel Wasser, sondern auch viel Licht und somit sind das richtige Stromfresser. Ich erinnere mich an Fälle, bei denen große Hanfplantagen durch einen horrenden Stromverbrauch aufgefallen sind. Widersprüchlich ist, dass gerade die Partei für die Legalisierung des „grünen Wunders“ kämpft, die sich besonders für den Klimaschutz einsetzt.

„Schlafmohn aus regionalem Anbau“

Aber ich muss sagen, ich finde es ausgezeichnet, dass Drogen nun auch als Klimasünden und Umweltverschmutzer entlarvt werden. Welcher Friday-for-Future-Aktivist oder XRist, der noch was auf sich hält, kann es bei dieser eindeutigen Sachlage noch mit sich und seinem Gewissen vereinbaren, Cannabis und Co. zu konsumieren? Gerüchte, dass man gerade diese Gruppen häufiger mal beim Kiffen sieht, halte ich auf dem Boden dieser Gegebenheiten für üble Nachrede.

Es ist eine wirklich gute Sache, dass so der Drogenkonsum gerade unter Jugendlichen eingedämmt wird, wobei die Pessimistin in mir die Befürchtung hegt, dass sich auch hier ein neuer Markt entwickeln könnte. „Kokain: natürlich Fairtrade und für jedes Gramm pflanzen wir einen neuen Baum“, „Cannabis: CO2-neutral und aus garantiert biologischem Anbau“, „Ecstasy: Unsere Labore werden zu 100% durch erneuerbare Energien betrieben“ oder „Heroin: Schlafmohn aus regionalem Anbau, gut für dich und gut für die Umwelt“ könnte bald unseren Drogenmarkt dominieren. So müssten auch umweltbewusste und klimaschützende Konsument*innen nicht ihren Gelüsten widerstehen und würden ohne schlechtes Gewissen ein klimaneutrales Leben ohne Verzichte führen. Bis es allerdings so weit ist, können sich die Schulen die Drogenaktionstage und zahlreichen Präventionen sparen und die Zeit in die Steigerung der Bildungsniveaus der Schüler investieren.

Wie erschreckend ist es, dass unsere Maßstäbe an Schädlichkeit und an moralischen und ethischen Grundsätzen heutzutage weder nach gesundem Menschenverstand (falls dieser noch existent ist) noch menschenorientiert, sondern ausschließlich klimatisch gesetzt werden? Sogar offensichtlich „böse“ Dinge wie Drogen werden unter die Klima-Lupe genommen und neu beurteilt. Wie pervers ist erst der Titel, da Kokain in erster Hinsicht ein „Menschenkiller“ ist. Ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die Familie oder Freunde durch Drogenmissbrauch verloren haben oder gegen eine Sucht kämpfen. Der Mensch rückt aus dem Mittelpunkt dieser Bewertung, das Klima wird zum Subjekt, der Mensch zum Objekt. Ein ganz neues Werteverständnis.

Dieser Beitrag erscheint auch auf dem Jugend- und Schülerblog Apollo-News

 

Michal Kornblum, 22, ist aus Lübeck und Studentin.

Foto: Colton Cotton CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Hans-Peter Dollhopf / 21.10.2019

“Gerüchte, dass man gerade diese Gruppen häufiger mal beim Kiffen sieht, halte ich auf dem Boden dieser Gegebenheiten für üble Nachrede.” Nein, die rauchen schon dieses Klimatötungszeug, aber “das dysfunktionale System, in dem wir leben” ist daran schuld, dass sie es tun! Zumindest einige stellvertretende XR-“Promis machen „‘das System’ für eigenen ‘heuchlerischen’ Lebensstil verantwortlich” (siehe 19.10).

Dr. Joachim Lucas / 21.10.2019

Um in der Diktion des Boulevard-Blattes “Stern” zu bleiben: Jeder Drogentote ist gut fürs Klima. Oder: Leute, fresst synthetische Drogen, ist gut für’s Klima. Da man in diesem Irr-Land alles, alles mit der Klimabrille sieht, ist das nur konsequent. Schließlich ist das ganze Leben “klimaschädlich”. Ich wundere mich nur, dass Sie dieses überflüssige und klimaschädliche Blatt überhaupt anfassen.

Franck Royale / 21.10.2019

Auf jeden Fall sollte im Görlitzer Park dann von RRG noch eine neue Zone eingeführt werden, wo man mit gutem Wissen fair gehandelte und klimaneutrale Drogen und CO2-Zertifikate erwerben kann.

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