Großes Auftatmen in den Kommentarspalten über den Abgang des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Erste gute Nachricht aus Sicht der linken Meinungshüter: Koch ist weg. Zweite gute Nachricht: Koch ist weg. Drittens: Die Konservativen in der CDU sind nun heimatlos.
Der gängigsten Deutung des Rücktritts zufolge hat Koch die Zeitläufe nicht verstanden und ist deshalb gescheitert. Der Mann aus Wiesbaden ist danach der typische Vertreter einer Generation der Trotzigen, die ihre ihr politisches Leben im Kampf gegen die Ideen der Achtundsechziger verbracht (und verschwendet) haben. Richtig ist sicher, dass die Entscheidung, sich der Jungen Union anzuschließen, in den siebziger Jahren besonderen Mut erforderte - und einen Kampfgeist, der die damals aufgewachsenen Konservativen bis heute auszeichnet. Weniger überzeugend ist die Folgerung, die Generation Koch habe den gesellschaftlichen Trend verschlafen, weil sie nun an ihrem Widerstand gegen Gesamtschule, Kinderkrippen und die AKW-Bewegung festgehalten habe.
Die Mehrheit der Deutschen misstraut bis heute der Gesamtschule, hält Krippen anders als die Linken nicht für eine besondere Bereicherung der Kinderwelt, sondern eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Erwerbslebens und ist sich beim Thema AKW nicht sicher, wem man nun glauben soll: den Grünen, die einfach darauf setzen, dass uns in den nächsten zehn Jahren schon irgendein Trick einfällt, Solarstrom zu speichern, oder der Atomlobby, die sagt, ohne Kernenergie gingen bald die Lichter aus.
Dass jetzt mehrere Ministerpräsidenten der Union solche Mühe hatten, sich an der Macht zu halten, liegt mit Sicherheit nicht daran, dass sie zu konservativ aufgetreten sind - wenn überhaupt gilt das Gegenteil: Wer wie Jürgen Rüttgers seine Messeauftritte meistbietend ausloben lässt und sich mit Beratern umgibt, die untereinander davon reden, wie man der Kandidatin der Gegenseite eins auf die “Omme” geben könne, muss sich nicht wundern, dass die Leute Zweifel an seiner Seriosität bekommen. Den armen Peter Müller Saarland haben selbst seine ärgsten Feinde nie für einen Konservativen gehalten. Und Roland Koch hat seine Wähler durch Auftritte verschreckt, die man von einem jungen Wilden, aber nicht von einem Ministerpräsidenten erwartet (seine Bilanz ist übrigens so schlecht nicht: Dreimal haben ihn die Hessen nacheinander ins Amt gewählt, zuletzt sehr knapp, davor auch sehr deutlich).
Die CDU ist heute die Partei mit den meisten Nichtwählern, das ist ihr Problem, nicht das wundersame Erstarken der Linken. Die freundliche Bionadepolitik Merkels, die auch noch der Patchwork-Familie und der Gender-Forschung etwas Gutes abgewinnt, sorgt zuverlässig für aufmunternde Kommentare in den Feuilletonetagen. Nur stellt sich Wahltag für Wahltag heraus, dass die Leute, die die CDU-Parteivorsitzende zur Entunionisierung der Union beglückwünschen, ihr Kreuz dann doch dort machen, wo sie es immer gemacht haben, also bei den Grünen und gelegentlich auch bei der SPD.
Es gehört zu den frustrierenden Erfahrung des politischen Geschäft, dass es sehr viel leichter ist, alte Anhänger zu verlieren, als neue zu gewinnen.
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