Über die Gemeinschaftsverpflegung will Ernährungsminister Özdemir die Deutschen in Richtung Veganismus treiben. Ein Klinik-Geschäftsführer ruft zum Widerstand auf. Mit guten Gründen.
Das Ziel der „Ernährungsstrategie“ der Bundesregierung besteht darin, „einen Beitrag zur Transformation des Ernährungssystems zu leisten“. Nötig sei dies, weil zu fettig, salzig und süß gegessen würde. Die Deutschen seien zu oft zu fett, so Cem Özdemir, als er die „Eckpunkte einer Ernährungsstrategie“ vorstellte: „Gut zwei Drittel der Männer, ungefähr die Hälfte der Frauen und fast jedes sechste Kind in Deutschland sind übergewichtig.“ Er möchte den Leuten aber „nicht vorschreiben, was sie essen sollen“. Doch stimmt das überhaupt?
Weil man den Leuten nicht unmittelbar die Ernährung vorschreiben kann, soll nämlich die „Gemeinschaftsverpflegung als Hebel“ genutzt werden. Und das bedeutet vor allem weniger Fleisch und viel Veganes. Außerdem ist eine „weitere Reduzierung von Zucker, Fetten und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln“ geplant, und der „Anteil an saisonal-regional und ökologisch-klimafreundlich erzeugten Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung“ soll erhöht werden. Diese Strategie soll „bis Ende 2023 finalisiert und von der Bundesregierung beschlossen werden.“
Ernährungsminister Özdemir: „Wir wollen die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bis 2030 für allgemeinverbindlich (!) erklären.“ Darüber hätten sie den „Hebel, dass wissenschaftsbasierte Kriterien zur Grundlage für die Außer-Haus-Verpflegung genommen werden würde.“ Özdemir will den Leuten also durchaus in der Kantine, Schule, Kita, usw. vorschreiben, was sie essen sollen. Denn die sollen sich nach dem Ernährungsverband richten, der zu etwa 70 Prozent von Bund und Ländern über öffentliche Mittel finanziert wird, also den Wünschen der Bundesregierung entsprechen wird. Laut DGE soll man „mit tierischen Lebensmitteln“ seine Mahlzeiten nur „ergänzen“. Nochmal: Solche Standards sollen „allgemeinverbindlich“ (Özdemir) werden.
Kriegsernährungsamt definierte Fleisch-Höchstmenge
Ende Mai sorgte eine Meldung für Wirbel: Laut einem internen Dokument, das der Bild in Auszügen vorlag, plant der Ernährungsverband „Deutsche Gesellschaft für Ernährung“ (DGE) neue Richtlinien für Essens-Empfehlungen. Demnach sollte sich der Fleischkonsum auf 10 Gramm pro Tag reduzieren, was einer Currywurst pro Monat entspräche. Hintergrund der geplanten Fleisch-Reform, so Bild: „Künftig sollen auch Umweltfaktoren wie ‚Nachhaltigkeit‘ bei den Empfehlungen berücksichtigt werden. Heißt: Es geht nicht mehr nur darum, wie viel Fleisch gesund oder ungesund ist, sondern um die CO₂-Bilanz der Lebensmittel.“ Die DGE bestätigte dies der Zeitung: „Wir überarbeiten die Methode, mit der zukünftig die lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen für Deutschland abgeleitet werden sollen.“ Die endgültige Empfehlung stünde aber noch nicht fest. Das publik gewordene Dokument zeige nur „die vorläufigen Ergebnisse der neuen Methode“.
Das veranlasste den Geschäftsführer der Acura Kliniken Baden-Baden, der mit seiner Kritik an der Gesundheitspolitik schon häufiger für Aufsehen sorgte, dazu, den Veganismus-inspirierten Dogmatismus in einem Facebook-Beitrag heftig zu kritisieren: „Tatsächlich geht es dieser politischen Gruppierung [der DGE] um nicht weniger als die Gesamtsteuerung der deutschen Ernährung, zuletzt so in den beiden Weltkriegen. Kurz: eine übergriffige Bevormundungseinrichtung“, so Dirk Schmitz.
Interessant sind seine Vergleiche zur Fleischrationierung während des Ersten Weltkriegs. Wie das Lebendige Museum Online schreibt, rationierte das Deutsche Reich den Fleischkonsum. 1916 erließ die Reichsregierung im Rahmen der allgemeinen Lebensmittelrationierung eine „Verordnung über die Regelung des Fleischverbrauches“, wonach jeglicher Verkauf von Fleisch und Fleischwaren unter staatliche Kontrolle gestellt wurde.
Schmitz zufolge gehe es der DGE um eine „politisch motivierte Mangelernährung von besonders Schutzbedürftigen“, weil die mickrigen 10 Gramm pro Tag bzw. 70 Gramm pro Woche selbst die vom Kriegsernährungsamt zugebilligte Ration für das Jahr 1917 noch deutlich unterschreiten, diese betrug nämlich noch im Durchschnitt 250 Gramm pro Woche. In den „Hungerjahren“ kam man damit noch auf 13 kg Fleisch pro Jahr. Zum Vergleich: Vor 1914 lag der durchschnittliche Fleischverbrauch noch bei 52 kg pro Jahr. 10 Gramm pro Tag entsprächen 3,6 kg pro Jahr. Schmitz: „Für Kinder im Wachstumsalter und alte Leute ist das strukturelle Körperverletzung durch eine abgehobene Minderheit.“
Wie gesagt: Die bekanntgewordenen 10 Gramm waren nur ein vorläufiges Ergebnis, das jedoch zeigt, wohin die Reise geht. Es werden klimapolitische Modellrechnungen durchgeführt, mit denen die Ernährungsgewohnheiten reguliert werden sollen, sie liefern die Höchstwerte des noch tolerierbaren Fleischkonsums. Damit zurück ins Deutsche Reich zu Kriegszeiten:
„Die Festlegung der Rationen blieb den Landesbehörden überlassen, jedoch bestimmte das Kriegsernährungsamt die Höchstmenge, die auf die jeweils gültige Fleischkarte ausgegeben werden durfte.‘“
Für die DGE: 3,8 Millionen Euro von Özdemir
Fleischkarten immer und überall wird es zwar nicht geben, aber auf erhebliche Fleischreduktion in der Kantine und anderen Orten der Gemeinschaftsverpflegung soll es mit den künftig allgemeinverbindlichen DGE-Standards hinauslaufen. Die Faktenchecker stellen sich übrigens wie üblich dümmer, als sie hoffentlich sind: Laut dpa könne von „Rationierung keine Rede sein.“
Der Fleischverzicht wird freilich auch mit der Gesundheit begründet, nicht zuletzt dem Übergewicht der Deutschen. Dabei weiß jeder, der schon mal etwas zu häufig seinem Heißhunger auf Pasta freien Lauf ließ, dass die Kalorienbomben keineswegs vor allem im Fleischbereich liegen. Vielmehr kann man fleischbasiert sogar abnehmen, wie auch Schmitz betont. In seiner Klinik wird „ketogene Ernährung“ (Verzicht auf Kohlenhydrate) als medizinische Therapie angeboten, die bei übergewichtigen rheumatologischen Patienten mit erheblichen natürlichen Erfolgen für Gesundheit und Gewichtsabnahme verbunden sei. Allerdings bieten die Acura-Kliniken auch vegetarische und vegane Komponenten an. Denn – und das ist an dieser Stelle das Entscheidende – alles basiere „auf der Freiwilligkeit unserer mündigen Patienten – und nicht auf parteipolitischen Vorgaben.“ Sein kämpferisches Urteil: „Wir werden die aus Sicht des Autors schwachsinnigen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) zurückweisen, niemals umsetzen und sie in unseren verbandspolitischen Krankenhaus-Gremien als unwissenschaftlich und parteipolitisch motiviert bekämpfen.“
Apropos unwissenschaftlich. Uwe Knops schrieb auf Achgut.com über Meta-Studien, u.a. aus dem renommierten Cochrane-Hause, die zeigen, dass der wissenschaftliche Stand der Dinge in Sachen Gesundheit und Ernährung keineswegs so eindeutig ist, wie es veganistisch bewegte Kostverächter voraussetzen. Knops hält es mit einer „ernährungswissenschaftlich-liberalen Empfehlung“: „Vertrauen Sie auf ihr ‚wohliges Stöhnen aus der Tiefe des Bauches‘, mit dem Ihnen Ihr Körper signalisiert: Ich fühle mich gut, alles richtig gemacht!“
Wissenschaft ist heutzutage ein Schlagwort, um politische Interessen als Gebote allgemeingültiger Vernunft zu verschleiern, wobei sehr oft Geld im Spiel ist. Schmitz sagt, Özdemir habe sich „den ‚DGE-Schein‘ schlicht gekauft“ und zitiert von der Seite des Ernährungsministeriums:
„Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, setzt sich dafür ein, die Qualität in der Gemeinschaftsverpflegung flächendeckend zu verbessern und das Kantinenessen gesünder und nachhaltiger zu gestalten. Dazu hat er heute eine Förderurkunde in Höhe von knapp 3,8 Millionen Euro an die Geschäftsführerin und den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), Dr. Kiran Virmani und Prof. Dr. Jakob Linseisen, übergeben.“
Man könnte auch sagen: 3,8 Millionen Euro Steuergeld ist es Özdemir wert, den DGE zur gewünschten, besonders fleischfeindlichen „Expertise“ zu motivieren.
Felix Perrefort ist Redakteur und Autor bei der Achse des Guten.