Peter Grimm / 23.06.2025 / 06:15 / Foto: Imago / 45 / Seite ausdrucken

Klingbeil will Bürokratieentlastung rückabwickeln

Das Politiker-Versprechen, Bürokratie abbauen zu wollen, hat kaum einen Wert. Finanzminister Klingbeil will Regeln des Bürokratieentlastungsgesetzes IV wieder kippen. Es geht um mehr Kontrolle steuerzahlender Bürger.

Vielleicht gibt es – neben all den bekannten Gründen – noch eine weitere Ursache dafür, dass sich viele Bürger gegen eine Existenz als steuerzahlende Erwerbstätige und stattdessen lieber für das Leben als steuergeldverzehrende Bürgergeldempfänger entscheiden. Dabei soll es jetzt nicht um die beim Bürgergeldempfang deutlich überrepräsentierten Nicht-Bürger gehen, sondern um jene Sozialleistungsbezieher, die der Bezeichnung Bürgergeld mit ihrer Staatsangehörigkeit alle Ehre machen und eigentlich in der Lage wären, sich in abhängiger oder freiberuflicher Arbeit selbst um ihren Lebensunterhalt zu kümmern.

Und es soll nicht um die Diskussion gehen, ob das Bürgergeld zu hoch oder der Mindestlohn zu niedrig sei. Es geht auch darum, welche Umgangskultur der Staat mit den leistungsempfangenden Bürgern pflegt und welche mit den Leistungserbringern.

Für die ersteren wurden die Bedingungen in den letzten Jahren eher erleichtert. Karen Peters, Richterin am Sozialgericht Berlin, zog vor ein paar Monaten eine vorläufige Bilanz, über die Frankfurter Rundschau berichtete:

„Der Richterin zufolge haben Leistungsempfängerinnen und -empfänger von Bürgergeld unter anderem auch von diesen Verbesserungen profitiert:

  • Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, die von der Einkommenssteuer befreit sind, sind bis 3.000 Euro im Jahr anrechnungsfrei

(…)

  • Erbschaften werden im Zuflussmonat nicht angerechnet, dann aber als Vermögen berücksichtigt

(…)

  • Bis zu einem Wert von 15.000 Euro wird das Auto nicht als Vermögen berücksichtigt
  • Versicherungsverträge für die Altersvorsorge bleiben anrechnungsfrei
  • Vermögen bis zu 40.000 Euro und 15.000 für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft werden nicht berücksichtigt

Auch bei den Sanktionen gab es laut der Expertin Verbesserungen. Die erste Pflichtverletzung führt demnach zu einer Minderung des Bürgergeldes um zehn Prozent für einen Monat. Danach folgen Minderungen von 20 Prozent für zwei Monate und Minderungen von 30 Prozent für drei Monate. ‚Insgesamt darf die Leistungsminderung nicht mehr als 30 Prozent des Regelbedarfs betragen‘, so Peters. Nur noch unter sehr strengen Voraussetzungen dürften ‚Totalverweigerern‘ der Regelbedarf entzogen werden.“

Wer genießt Vertrauen, wer verdient Misstrauen?

Der Staat wird beim Einsatz von Zwangsmitteln gezähmt, denn er soll dem Leistungsempfänger nicht von vornherein mit Misstrauen entgegentreten. 

Ganz anders ist es mit den Steuerzahlern. Denen will der Staat jetzt erneut mit mehr Misstrauen begegnen, wie wz.de am Sonntag berichtete:

„Unternehmen in Deutschland sollen nach dem Willen von Finanzminister Lars Klingbeil Buchungsbelege und Rechnungen künftig wieder länger aufbewahren müssen. Zur besseren Bekämpfung von Steuerbetrug plane sein Haus eine Verlängerung der entsprechenden Aufbewahrungsfristen auf zehn Jahre, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.“

Nun betrifft die Verlängerung dieser Frist für „Unternehmen“ sicher nicht nur größere Firmen, sondern auch Einzelselbstständige, Kleinunternehmer oder Freiberufler. Und vor allem ist es absurd, weil erst im letzten Jahr das Bürokratieentlastungsgesetz IV in Kraft trat, in dem genau diese Fristen von zehn auf acht Jahre verkürzt wurden, weil die Unternehmen von einer verzichtbaren bürokratischen Last entlastet werden sollten.

Genosse Klingbeil möchte die Steuerzahler, der oben zitierten Meldung zufolge, nun aber wieder zu einer längeren Aufbewahrung der Unterlagen zwingen.

„Dadurch sind Ermittlungen länger möglich“, wird Klingbeil zitiert. Außerdem wolle sein Haus „weitere Ermittlungsinstrumente“ im Kampf gegen Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche und Finanzkriminalität schaffen. Gesetzesvorschläge dazu werde er noch vor der Sommerpause vorlegen, kündigte Klingbeil an.

Mit „weiteren Ermittlungsinstrumenten“ soll demnach etwa der Einsatz einer automatisierten Datenanalyse zum Aufspüren von Schwarzarbeit gemeint sein. Dadurch könnten künftig größere Datenmengen ausgewertet werden, habe es zur Erläuterung aus Klingbeils Ministerium geheißen. 

Es müsste automatisiert doch schneller gehen?

Doch wenn Daten automatisiert besser ausgewertet werden können, dann müsste das doch eher schneller, also in kürzerer Frist erledigt werden können als bisher. Wozu dann die Fristverlängerung? Die ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Steuerzahler mehr und stärker kontrolliert wird, als bisher.

In Klingbeil-Deutsch hört sich das so an: „Wir legen eine härtere Gangart ein, wenn es darum geht, gegen Kriminelle vorzugehen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern.“ Also ist ein nicht abhängig beschäftigter Steuerzahler in der Weltsicht des Genossen Minister ein potenzieller Krimineller?

Wenn es wirklich darum gehen sollte, im Verdachtsfall besser „gegen Kriminelle vorzugehen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern“, dann sollte der Genosse Minister dafür sorgen, dass die Steuer- und Finanzverwaltungen personell, fachlich und technisch angemessen ausgerüstet sind, um dort überhaupt mithalten zu können, wo es um viel Geld „auf Kosten der Allgemeinheit“ geht. Und Ermittlern wie auch Staatsanwälten, die sich mit solchen Fällen befassen, könnte die Politik mehr Rückendeckung statt Bremsklötze geben. Aber das ist natürlich nur ein frommer Wunsch, der auch gar nichts mit den Aufbewahrungsfristen zu tun hat. Ebensowenig wie das schlechte Gedächtnis mancher politischer Spitzenamtsträger, wenn es um Gespräche über Stundung oder Erlass von Millionenzahlungen für bestimmte Steuerpflichtige geht. 

Aber Genosse Klingbeil hat erkannt, dass das Bürokratieentlastungsgesetz IV der von seiner Partei angeführten Ampelregierung falsch war und es wieder mehr Bürokratiebelastung braucht. Das wirft ein schönes Licht auf die sogenannte Bürokratieentlastung, die die aktuelle Koalition vorzuhaben vorgibt. Wahrscheinlich wird die so erfolgreich sein wie der Umgang mit der Schuldenbremse oder die Personaleinsparung in der Ministerialbürokratie mit hunderten Neueinstellungen. 

Und irgendwie scheint es auch in puncto Wirtschaftswachstum oder illegaler Massenmigration in die Sozialssysteme so zu laufen. Warum hätte man also in dieser Detailfrage etwas anderes erwarten sollen? Immerhin kann man jetzt schnell noch die Belege der Abrechnungsjahrgänge 2015 und 2016 wegwerfen, bevor man sie bald wieder aufheben müsste.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Imago

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Karl Emagne / 23.06.2025

Das Parteienkartell will alles rausholen, was geht. Genügend Deutsche werden sich in der vagen Hoffnung auf bessere Zeiten oder einfach nur für ihre Familien weiter im Hamsterrad abstrampeln, während die Machthaber eines gescheiterten Systems alle leistungs- und freiheitsfeindlichen Schrauben anziehen, bei denen nach fest nicht lose kommt. Allein ihr Ungeschick kann den Kollaps so beschleunigen, dass insgesamt der Schaden gemindert wird.

Gustav Kemmt / 23.06.2025

Vielen Dank! Ist der Mann vielleicht ein Kokser?

Horst Jungsbluth / 23.06.2025

@ Arndt Frhr. von Witzendorff: Wie immer,  fast alles richtig eingeordnet, nur ein winziger Fehler ist Ihnen unterlaufen: In all unseren staatlichen Apparaten haben sich bereits jetzt mehr als 100.000 Klingbeils eingenistet!

Else Schrammen / 23.06.2025

Wie ich gehört habe, gibt es eine neue Zitronensorte, die “gemeine Steuerzahlerus Idiotica”, die man so weit auspressen kann, dass nicht mal die Schale übrig bleibt. Und Frankensteins Erben basteln schon an einer neuen Kreatur,, genannt “Bürgerus Eselius”, der Golddukaten schei…. kann!

Winston Smith / 23.06.2025

@ Hans-Joachim Gille. ” ... Die Milei-Nummer, als harter libertärer Revolutionär, … ”  Unsinn. Milei hat die Zahl der Staatsbediensteten bis Oktober 2024 um 35.000 reduziert. Langfristig sollen insgesamt 70.000 Stellen im Staatsdienst abgeschafft werden. Eine neue Maßnahme soll den Abbau der Bürokratie in Argentinien weiter vorantreiben: Für jede Neueinstellung muss die Abteilung drei Entlassungen vorweisen. ++ Nachzulesen in [apollo-new.net: Milei-Maßnahme: Behörden müssen für jede Neueinstellung drei Entlassungen vorweisen]. Oder in [amerika21.de: Argentinien: Milei setzt weiter Motorsäge in der Verwaltung an]. ++  Im deutschen Beamtenstaat vollkommen unmöglich. Die servile deutsche Mainstreampresse ist natürlich entsetzt. Um Schland zu reformieren, ist Milei’s Kettensäge noch viel zu klein. Dazu braucht man einen Bulldozer, Dynamit und noch ein ganz spezielles Gerät, das kurz nach 1789 in Frankreich häufiger eingesetzt wurde.

Tomas Poth / 23.06.2025

Entbürokratisierung vom Genossen Polit-Apparatschik zu erhoffen bedeutet ein Kamel durch das Nadelöhr zu treiben! Rotgrüne Politik braucht die ganzen Bürokraten zwecks Kontrolle, Gegenkontrolle und Nachkontrolle, um sich als Pilz-/Filzgeflecht am Substrat der Steuererhebung fest- und fett zu saugen.

Markus Baumann / 23.06.2025

Wieder mal die Einnahmenseite (der Steuerzahler), bei der „die Allgemeinheit=Politiker“ kriminelle Energie vermutet und die man ausmerzen will. „Die Allgemeinheit=der Staat=Politiker“ brauchen Geld. Versteht doch jeder. Schliesslich will „die Allgemeinheit“ auf der Ausgabenseite weiter klotzen und ohne jede kriminelle Energie ihre Klientel mit fetten Zahlungen beglücken. Habeck und Spahn lassen grüssen, Baerbocks Visage auch. Und dann haben wir ja seit neustem auch noch die üppigen Sondervermögen und Extraschulden , deren Geldtöpfe gefüllt sein wollen. Und nicht zu vergessen: die 5% vom BIP für das Militär! Merke: Geld her Bürger Zahlesel! Wir Allgemeinheit wissen besser, wie, wo und für wen es auszugeben ist. Du brauchst eigentlich gar nix mehr, wir Allgemeinheit wissen eh besser, wie du künftig zu leben hast, das organisieren wir dann schon. Hab Vertrauen Bürger Zahlesel, wir schauen für dich. Deine Maloche sei uns heilige Verpflichtung, denn dein damit verdientes Geld ist unserer Allgemeinheit höchstes Gut. Dem Bürger Zahlesel gebühren Gruss und Dank von „unserer Demokratie“.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 07.07.2025 / 10:00 / 74

Die große Schüler-Umverteilung

Kommt jetzt in den Schulen eine Migranten-Quote? Und werden dann deutsche und migrantische Schüler durch die Lande gekarrt, damit die Quote stimmt? Bildungsministerin Karin Prien…/ mehr

Peter Grimm / 01.07.2025 / 14:00 / 41

Willkommen in Merkels Welt

Wer Angela Merkels folgenreiche "Wir schaffen das"-Einladung von 2015 kritisiert, gilt immer noch als politisch nicht ganz stubenrein. Auch nach zehn Jahren soll das so bleiben.…/ mehr

Peter Grimm / 26.06.2025 / 06:15 / 53

Frische Rechtsextremisten entdeckt

Während die SPD auf ihrem Parteitag eigene Ermittlungen gegen die AfD beschließen will, um sie endlich verbieten lassen zu können, hat der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt…/ mehr

Peter Grimm / 24.06.2025 / 12:00 / 58

Ein Rettungsring für die Pressefreiheit?

Das Bundesverwaltungsgericht erklärt Nancy Faesers Compact-Verbot für rechtswidrig. Kann man nun den Sieg des Rechtsstaats und der Pressefreiheit auch für "umstrittene" Publikationen feiern? Immerhin sagt…/ mehr

Peter Grimm / 22.06.2025 / 10:00 / 104

US-Luftangriffe auf den Iran. Wie geht’s weiter?

Nun ist US-Präsident Donald Trump auch selbst zum Kriegsherrn im Nahen Osten geworden. Gab es im Vorfeld Absprachen mit Russland? Und mit anderen Mächtigen? Die…/ mehr

Peter Grimm / 20.06.2025 / 12:00 / 38

Der Fall Maja: Wirrer Ungeist und verdrängte Fragen

Unter Deutschlands Linksextremisten steht die Heimkehr ihrer Gesinnungsgenossin Maja T. weit oben auf der Prioritätenliste. Dabei wirft Majas Auslieferung an Ungarn wichtige und verdrängte Fragen…/ mehr

Peter Grimm / 11.06.2025 / 06:00 / 67

Durchsicht: Israel und die zwei Gesichter der AfD

Letzte Woche debattierte der Deutsche Bundestag über die Forderung, Israel wegen seiner Kriegsführung im Angriffskrieg der Hamas zu sanktionieren. Die meisten Reden waren erwartbar, aber…/ mehr

Peter Grimm / 28.05.2025 / 10:00 / 46

Gutes „Pack“, schlechtes „Pack“

Der Umgang mit dem „Pack“ hat sich in zehn Jahren arg verändert, oder macht das Parteibuch des Politikers, der dieses Wort ausspricht den Unterschied aus?…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com