Wer oder was außer dem Friedensnobelpreis für Al Gore könnte die sogenannte Klimakatastrophe wohl noch aufhalten? Vielleicht die Gesellschaft für Deutsche Sprache, die auf der Suche nach dem prägenden Wort des Jahres 2007 eben jene Klimakatastrophe fand, die tatsächlich in aller Munde ist? Allerdings ist sie das schon seit längerem, aber in den letzten Jahren erschienen den Wiesbadener Sprachpflegern „Fanmeile“ und „Bundeskanzlerin“ als wichtiger. Sprache ist eben immer mit Willkür verbunden; der Ausdruck, den wir einer Sache geben, enthält stets die Vorstellung, die wir von ihr haben. Es gibt keine Sprache, die sich selber spricht – mögen das auch Philosophen wie Heidegger und manche Dichter anders gesehen haben. „Die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort“, sagte der wegen seines 150. Todestags gerade viel erwähnte Eichendorff. Und Stefan George, dank einer großen Biographie auch wieder gegenwärtiger, behauptete, daß „kein Ding sei, wo das Wort gebricht“. Solche Überlegungen stehen stets im Hintergrund, wenn man sich die Mühe macht, einzelne Begriffe aufs Podest zu heben und intensiver Beschau zu unterziehen, wie das die Gesellschaft für Deutsche Sprache tut. Ohne etwas Sprachphilosophie hat so eine Sprachaktion nämlich gar keinen Sinn, und in der Tat droht die hastig-triumphale Verbreitung der vielen Wörter und Unwörter und schönsten Wörter und bedrohten Wörter, die dauernd gekürt und durch das Nachrichtenwesen püriert werden, von Mal zu Mal mehr leerzulaufen. Wenden wir deshalb das Gesagt einmal auf die Klimakatastrophe an! Sie ist – so unverfroren die Feststellung zunächst erscheinen mag – ein schönes Wort: lautlich ausbalanciert, von gravitätischer Länge, bestehend aus zwei Fremdwörtern, die aber jedes für sich im Deutschen so gut eingebürgert sind, daß ihre Zusammensetzung schon fast heimatlich anmutet, und vor allem: ein klackender Stabreim, der für den Siegeszug der Klimakatastrophe in aller Munde und in allen Medien mindestens mitursächlich ist. Denn was wären alarmierende Artikel, kämpferische Kommentare, aufrüttelnde Reportagen und schockierende Schlagzeilen ohne Alliterationen? Die Klimakatastrophe funktioniert aufgrund ihrer antiken Wortwurzeln sogar in vielen Sprachen, was zu ihrem internationalen Erfolg nicht wenig beiträgt. Doch wenn man schon annehmen, daß die Klangeigenschaften eines Wortes für seine Beliebtheit bestimmend sind, so heißt das auch, daß damit über den Inhalt gar nichts gesagt ist. Die Klimakatastrophe, die auf durchaus fragwürdige Weise von Wissenschaftlern mit Computern simuliert wird, ist wahrhaftig nichts anderes als eine Art Sprachspiel. So wie die in die Katastrophe weisenden Kurven von den Benennungen ihrer Koordinaten abhängen, so ist die politische Hysterie, die sich auf das ganze Thema gelegt hat, reine Sprachenergie. Die Gesellschaft für Deutsche Sprache hat es sicher nicht so gemeint, aber in ihrer heutigen Wahl steckt eine tiefe Weisheit: die Klimakatastrophe ist eben nur ein Wort.