Wenn ein „Zukunftsforscher“ mit neun von zehn Prognosen voll daneben liegt und mit einer halb, muss er seinen Laden nicht gleich dicht machen. Er geht einfach zur Deutschen Bank. Dort fällt er nicht auf. DB-Chefökonom Norbert Walter fabuliert schon seit einer Ewigkeit alle möglichen Trends zusammen, die nicht stattfinden. Für kürzere Fernsehauftritte reicht das allemal, und Jahre danach – das ist ja das Schöne an Aussagen über die Zukunft – guckt eh kein Schwein mehr hin. Noch nicht in die Tagesschau, aber immerhin schon auf Spiegel online und in andere Medien hat es ein junger Deutschbanker namens Philipp Ehmer geschafft, der anlässlich der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin „die Gewinner und Verlierer des Klimawandels im Jahr 2030 ermittelt“ hat…
Seine „Ermittlungen“ fußen auf der Annahme, die Erdtemperatur werde innerhalb von nur 22 Jahren derart gewaltig steigen, wie es die heftigsten Panikmacher im IPCC noch nicht mal für das Ende des Jahrhunderts hinausposaunt haben. Es müsste nämlich gleich ein paar Grad wärmer werden, wenn die Ostsee bis 2030 „zur neuen Badewanne Europas“ (Ehmer) avancierte, weil die Menschen ihrer alten Badewanne, dem Mittelmeer, massenhaft adé gesagt haben. Der Ermittler nennt auch die Gewinner des Szenarios: Dänemark, die Benelux-Länder, Deutschland und die baltischen Staaten.
Um Großbritannien, Irland, Schweden, Norwegen und Finnland schlägt der Klimaschock demnach geschickt einen Bogen, ebenso um Nord- und West-Frankreich sowie Nordspanien und Nordportugal – sämtlich Regionen, wo höhere Temperaturen den Tourismus aus dem In- und Ausland kräftig ankurbeln würden. Das Geschäft mit den Urlaubern würde sich lediglich verlagern. Und auch die seit der Römerzeit verkarsteten und daher in manchen Hochsommern extrem heißen Inseln und Küsten im östlichen Mittelmeerraum wären von einem Temperatursprung, wie ihn der DB-Mann imaginiert, keineswegs nur negativ betroffen. In Griechenland, Kroatien und Italien krankt das Tourismusgeschäft traditionell an der klimabedingt sehr kurzen Saison. Höhere Temperaturen würden dort sommers sicherlich Gäste vergraulen, diese dafür in den übrigen Jahreszeiten anlocken. Selbst Mallorca, der größte Touristenmagnet Europas, hat drei, vier maue Monate, in denen die Insel den meisten Urlaubern zu kalt ist.
Dass die Tourismusbranche „weltweit einem schleichenden Ungemach weit größeren Ausmaßes entgegen zittert“, als es 9/11 oder der Tsunami war, wie der „Analyst in der Zukunftsabteilung der DB“ prophezeit, glaubt man vielleicht bei Spiegel online, aber nicht in der Branche. Die prosperiert in diesem Jahr wie selten. Dass das Klimathema auf der diesjährigen ITB dennoch in keiner Verlautbarung fehlen darf, ist Imagekosmetik. Verunsicherten Urlaubern, die seit über einem Jahr mit Horrorszenarien traktiert werden, muss veranstalterseitig gehörig Betroffenheit und Goodwill eingeschenkt werden. Hier etwas CO2-Ablasshandel beim Fliegen, dort „Ökohotels“, in denen die Handtücher nur noch alle zwei Tage gewechselt werden, dazu schaumiges Nachhaltigkeitsgedöns, das alles gehört inzwischen zum Ferienfolklore besserer Kreise. Wenn es die Leute in ihren „schönsten Wochen des Jahres“ denn froher stimmt – na bitte doch gerne.
Auch ich wage mal eine Prognose: im 2030 wird auf Mallorca noch die Urlauberpost abgehen, wird auf den Kykladen der schreckliche Harzwein in Strömen fließen, werden die All inclusive-Ghettos in der Türkei florieren. Wenn nicht, kann´s mir wurscht sein. Bin dann nämlich mit ziemlicher Sicherheit im ewigen Urlaub.