Fritz Vahrenholt, Gastautor / 28.05.2019 / 06:25 / Foto: Parpan05 / 127 / Seite ausdrucken

Klima verstaatlichen!

Zwar attestiert das Wallstreet Journal im Januar 2019 Deutschland die dümmste Energiepolitik der Welt. Trotzdem werden die Forderungen nach dem Ausstieg aus Kohle, Kraftstoff und Erdgas immer schriller: Es fing schon mit dem waghalsigen Vorschlag der Kohlekommission an, die vom Bundeskanzleramt zur Hälfte mit grünen Aktivisten besetzt wurde – Ausstieg aus der Kohle bis 2038. Dann folgte die Forderung Robert Habecks und seiner grünen Freunde nach dem Aus für den Verbrennungsmotor im Jahre 2030.

Und als es vier Wochen im April sehr trocken war (sehr schlimm, hat es noch nie gegeben), rief Annalena Baerbock die Klimakrise aus: Verdopplung des CO2 Preises und ein starkes Ordnungsrecht! Nun fordern die Freitagskinder von Lummerland eine CO2-Steuer von 180 Euro noch in diesem Jahr, bis 2035 „Treibhausemissionen auf Netto- Null“ und 100 Prozent Erneuerbare Energien. Bei rund 900 Mio t CO2-Emissionen in Deutschland macht die CO2-Steuer 162 Milliarden Euro im Jahr aus. 

Da lohnt es sich ja doch einmal, in die Studie des Akademieprojektes „Energiesysteme der Zukunft“ der „Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften“, die Ende letzten Jahres unter dem Titel „Sektorkopplung – Untersuchungen und Überlegungen zur Entwicklung eines integrierten Energiesystems veröffentlicht wurde, zu schauen.

Es soll an dieser Stelle nicht hinterfragt werden, wieso der gesammelte technische Sachverstand unserer deutschen Akademien die Zukunft unserer Energieversorgung im Wesentlichen auf allein zwei Technologien stützen will: Windenergie und Photovoltaik. Warum geben die Wissenschaftler der Kernfusion, der inhärent sicheren Kernenergie ohne langlebige Rückstände (Dual Fluid Reactor), der CO2-freien Kohlenutzung (Carbon capture and sequestration) nicht den Hauch einer Chance? Weil Wissenschaft in Deutschland nur noch in der Bandbreite des Mainstreams denken darf, etwa vom CDU-Parteitagsbeschluss bis zur Greenpeace-Resolution.

Alle 1,5 Kilometer ein 200 Meter hohes Windrad

Es lohnt sich trotzdem reinzuschauen, um zu erahnen, was uns bevorsteht. Es werden alle Sektoren, Strom, Verkehr und Wärme zusammen betrachtet. Und siehe da: 80 Prozent der Energie werden fossil erzeugt, 7,5 Prozent durch Kernenergie und 13 Prozent durch Erneuerbare Energien. Wenn man bei den Erneuerbaren Energien die Biomasse (einschließlich Biogas und Biosprit) abzieht, bleiben übrig: 1,5 Prozent der Primärenergie wird durch Windkraft erzeugt und 1 Prozent durch Photovoltaik. (Seite 10 der Studie). Das ist ein langer Weg zu 100 Prozent.

Die Studie kommt zum Schluss, wenn man den Weg einer Dekarbonisierung um 90 Prozent bis 2050 gehen will, dann „wird mit rund 1.150 Terawattstunden sogar fast doppelt so viel Strom benötigt wie heute“ (Seite 10), weil Verkehr und Wärme ebenfalls aus Strom erzeugt werden soll.

Da man sich nur auf Photovoltaik und Windkraft verkrampft hat, kommt die Studie zum Schluss: „Die installierte Leistung an Windkraft und Photovoltaik müsste in diesem Fall (bei gleichbleibendem Energieverbrauch) gegenüber heute versiebenfacht werden.“

Wir haben heute etwa 28.000 Windkraftanlagen mit einer Kapazität von 57.000 Megawatt und 46.000 Megawatt Photovoltaik. Eine Versiebenfachung der Photovoltaikfläche würde fast alle in Deutschland möglichen Dach-Fassaden- und andere Siedlungsflächen erfassen. Eine Versiebenfachung der Kapazität der Windenergieanlagen würde selbst bei Verdopplung der Kapazität der einzelnen Anlagen Deutschland verändern. Alle 1,5 Kilometer würde eine 200 m hohe 3-5-MW-Anlage stehen.

Licht oder warme Heizung?

Die Studie lässt auch den Abgrund erahnen, auf den wir auf diesem Weg zugehen. „Die Dominanz der fluktuierenden Erneuerbaren Energien erfordert eine hohe Flexibilität auf der Stromerzeugungsseite und der Verbrauchsseite“ (!!) Das heißt mit anderen Worten, wenn die Natur nicht genügend Wind und Sonnenstrom liefert, muss man auch zeitweise ohne Strom auskommen.

Interessant ist das Ergebnis, dass es auch in der schönen neuen Welt der dezentralen Energieerzeugung nicht ohne zentrale Großkraftwerke gehen wird. Die Studie schätzt, dass etwa 60 bis zu 100.000 Megawatt leistende Großkraftwerke, die natürlich auf Biogasbasis oder synthetischem Methan oder Wasserstoff gefahren werden, kurzfristige Zusammenbrüche verhindern helfen. Zum Vergleich: heutige Großkraftwerkskapazität 90.000 MW.

Wohltuend ist die Aussage, dass Batterien nur eine Lösung als Kurzzeitspeicher haben können. Voraussetzung für Langzeitspeicher ist die erfolgreiche Entwicklung von power-to-gas, also Windstrom per Elektrolyse in Wasserstoff oder gar Methan zu verwandeln. Das ist zwar heute noch absurd teuer, aber das schaffen wir schon...

Allerdings warnen die Autoren, dass es in Tagen der kalten Dunkelflaute (keine Sonne und kein Wind im Winter) zu Konflikten zwischen power-to-heat (also der Wärme auf Windstrombasis) und dem Strombedarf bei knappem Angebot geben kann. Will sagen: Licht oder warme Heizung, das ist dann die Frage. Das Auto bleibt dann sowieso stehen.

Die Autoren korrigieren auch die weithin verbreitete Fehleinschätzung des Autos als Stromspeicher. „Die Pufferkapazität der Elektroflotte liegt im Bereich von einigen Stunden“. (Seite 57) Sie hängt zudem davon ab, ob die „Autobesitzer bereit sein werden, ihre Batterien dem System zur Verfügung zu stellen. Sind sie größtenteils nicht bereit, die Souveränität über Ladung und Entladung zeitweise abzugeben, ist der Betrag gering. Schlimmstenfalls könnte zeitgleiches Laden vieler Autos zu bestimmten Tageszeiten zu einer zusätzlichen Belastung für das Stromnetz werden."

Wie undankbar diese Autofahrer sind. Da hat man jede Straße in den Städten für sie aufgerissen, um dem „Ausbau der Verteilnetze“ Rechnung zu tragen, und nun wollen sie auch noch bestimmen, wann sie fahren wollen und wann nicht.

Der 4.600 Milliarden Flop

Aber die schöne neue Welt von Gretel, Annalena und Robert hat ihren Preis.
Die Autoren setzten 60 Prozent CO2-Minderung, die ja bis 2030 erreicht werden soll, voraus. Bis dahin kostet das 4.300 Milliarden in 11 Jahren. Das heutige Energieversorgungssystem kostet pro Jahr 250 Milliarden Euro. Das wird schon mal 1.500 Milliarden teurer. Bei 60 auf 75 Prozent CO2-Minderung rechnen die Autoren mit weiteren 800 Milliarden. Von 75 auf 85 Prozent mit weiteren 1.000 Milliarden. Von 85 auf 90 Prozent CO2 Minderung noch einmal weitere 1.300 Milliarden. Also bis 60 Prozent 1.500 Milliarden, bis 90 Prozent 3.100 Milliarden, machen zusammen 4.600 Milliarden. 4.600 Milliarden Euro haben die deutschen Haushalte auszugeben, um 800 Millionen Tionnen CO2 zu vermeiden. Dies ist eine Menge an CO2, die China jedes Jahr zusätzlich ausstößt.

Damit die Eltern von Fridays-for-future die 4.600 Milliarden richtig verstehen: Das sind im Jahr 153 Milliarden; bei 40 Millionen Haushalten in Deutschland bezahlt jeder Haushalt monatlich 320 Euro im Monat – netto. Und wenn es nach Gretel und ihren Followern geht, nämlich in 15 Jahren 100 Prozent Erneuerbare Energien zu erreichen, dann wären das 640 Euro im Monat – wenn es denn nicht vorher zu einem Zusammenbruch der deutschen Energieversorgung gekommen ist, was sehr wahrscheinlich ist.

640 Euro sind bei einem monatlichen Durchschnittsverdienst in Deutschland von netto 1.890 Euro 34 Prozent. Damit fallen diese Haushalte dann in die Nähe oder unter die Armutsgrenze (60 Prozent des Durchschnittsnettoeinkommens). Schöne neue Welt.

Ein nachhaltiger Kurzschluss

Deutschland kommt nicht einmal klar mit dem Umbau der Stromversorgung (siehe hierzu die Warnung der Bundesnetzagentur zum Aufbau von Reservekraftwerkskapazität in 2022 in Höhe von 10.000 Megawatt (10 Kernkraftwerke). Da erweitert die Bundesregierung das Problem auf Wärme und Mobilität. Alle drei Sektoren, die bislang von unterschiedlichen Energieträgern (Kohle, Erdgas, Erdöl) geprägt waren, sollen von einem einzigen abhängig gemacht werden: Strom, gespeist aus Wind und Sonne. Wind und Sonne entscheiden, wann wir unser Auto bewegen können, wieviel Wärme wir im Winter nutzen dürfen und wann das Licht angeschaltet werden kann. Das nennt man einen nachhaltigen Kurzschluss.

Und warum das alles? Natürlich wegen der anfangs erwähnten Klimakrise. Ja, wir müssen am Ende dieses Jahrhunderts die fossile Ära hinter uns gelassen haben. Aber diese Zeit haben wir auch, denn die Klimasensitivität des CO2 ist deutlich kleiner, als uns die Panikmacher und Systemveränderer erzählen wollen. 

Wie etwa Kevin Kollektiv Kühnert, der bei Anne Will erzählt: "Klima kann nicht Marktmechanismen unterworfen sein.“ Das ist doch die Lösung: Klima verstaatlichen. Auch das schaffen wir in Deutschland.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Weltwoche.

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Leserpost

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B.Kröger / 28.05.2019

“Klima verstaatlichen”, dieser absurde Satz bringt es wirklich auf den Punk!. Klasse Formulierung Herr Vahrenholt!

Gabriele Kremmel / 28.05.2019

Mich macht das Ganze fassungslos und ich frage mich, ob nicht besser die klimatischen Verhältnisse in Politikerhirnen besser untersucht werden sollten. Fassungslos nicht nur wegen der (irren) Kosten sondern v.a. wegen der vollkommen irrationalen Ideen, das Klima retten zu können (und müssen) und andererseits bei immer höher Abhängigkeit von Elektrizität in allen Lebensbereichen die Stromversorgung auf o.g. Weise zu einzugrenzen. Man will das Homeoffice zur Regel machen, den Zahlungsverkehr weitgehend digitalisieren und Mobilität auf Elektroantrieb umstellen. Bürger sollen ihre Akkus als Stromspeicher zur Verfügung stellen, damit sie noch schneller ermüden und teuer ersetzt werden müssen. Wer ist schon so blöd, außer den Grünen? Aber wer ist so blöd, die unheilvollen Zielvorstellungen der Grünen nicht als irrational zu erkennen? Das ist die Frage, die mich neuerdings umtreibt.

Svenja Gerwing / 28.05.2019

Was lernen wir in Zeiten eines ROTEN Genossen Kevins? Sozialisten wählen aus Protest einen GRÜNEN Genossen Robert!

Christian Rapp / 28.05.2019

Die Grünen und ihre Follower leben heute auf Kosten der zukünftigen Generationen. Das Erwachen wird dunkel und kalt…und teuer. Jetzt müssen die Grünen liefern und die Realität überwinden.

Leopold Hrdlitschka / 28.05.2019

Gerade wird #LANGSTRECKENLUISA untertänigst von einer dieser sehr sehr guten Moderatorinnen des Grün-devoten Deutschlandfunks “interviewt”. Das muss man sich nicht unbedingt antun. Da wird einem nur noch schlecht. Würg.

Wilhelm Lohmar / 28.05.2019

Der Herr Kühnert hat recht. Das Klima kann nicht den Marktmechanismen unterworfen sein und ist es auch nicht. Es ist aber auch nicht irgendwelchen Parlamentsbeschlüssen und Parteitagsresolutionen unterworfen. Allerdings könnte durch geeignete Maßnahmen von Regierungen, Parlamenten, Parteien, Umweltverbänden und Schulkindern endlich die Grundlagenforschung zur Realisierung des Perpetuum mobile auf den Weg gebracht werden.

Steffen Schwarz / 28.05.2019

Da jeder,  der die Grünphantasten unterstützt oder wählt das nicht begriffen und auch nicht begreifen wird, müssen ihn eben harte technische Fakten treffen, und macht mal schnell, das diese Fakten auch bald kommen. Die Klimahüpfer werden nicht von ihren Eltern bedroht, sondern ihre Zukunft wird ihnen von den Grünlingen genommen. Na ja, ihr müßt dann halt noch 50 oder 60 Jahre damit auskommen. wir anderen vielleicht noch 20 oder 30, und wir hatten wenigstens mal was anderes.

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