Was bereits vor einigen Wochen etliche Medien meldeten, der Spiegel gar in Verbindung mit einem Interview, verkündet nun auch das Deutsche Ärzteblatt: „Erste Professur für Klimawandel und Gesundheit“ in Deutschland. Aufgabe der Berufenen – der Ärztin und Epidemiologin Professor Dr. Sabine Gabrysch – sei es, „die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit zu untersuchen und Lösungsansätze zu entwickeln“. Ganz ähnlich lautete auch die Stellenausschreibung für diese Professur. Dort wurde eine „Universitätsprofessur für Klimawandel und Gesundheit“ ausgelobt, welche „die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bevölkerungsgesundheit“ untersuchen solle.
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich das allerdings in zweierlei Hinsicht als Etikettenschwindel. Denn zum einen sollte man von der Kollegin Gabrysch nichts Substantielles zu Klimawandel und Gesundheit erwarten – und das nicht nur wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Klimahysterikern. Vielmehr hat sie sich in ihrer ansonsten durchaus nicht unproduktiven wissenschaftlichen Karriere mit diesem Thema bisher überhaupt noch nicht befasst, ist folglich auf diesem Gebiet ein wissenschaftlicher Voll-Laie.
Zum anderen hat sich im Verlaufe der Berufungsverhandlungen ganz offensichtlich auch ein anderer Arbeits- und Forschungsschwerpunkt ergeben, der nun weitgehend ihrem bisherigen an der Uni Heidelberg entspricht, wo sie als stellvertretende Leiterin des Instituts für Global Health gewirkt hat. Wie aus der Pressemitteilung der Charité hervorgeht, soll sie nun den Aufbau eines Zentrums für globale Gesundheitsforschung, Charité Global Health, voranbringen. Ein Bereich, der wissenschaftlich eigentlich nichts bis wenig mit Klimawandel zu tun hat.
Dessen ungeachtet, wird aber gegenüber der Öffentlichkeit der Eindruck gepflegt, dass man sich an der Charité jetzt endlich und schwerpunktmäßig auch mit den medizinischen Problemen des Klimawandels befasse. Die Chance will man sich natürlich nicht entgehen lassen, nämlich mit der Kombination von Klimawandel mit dem Sorgenmacher-Thema Gesundheit neben einer guten Presse auch die Akquise von Drittmitteln zu beflügeln.
Noch geringer qualifiziert oder nur das falsche Geschlecht?
Bei dieser hauptsächlich an der Charité angesiedelten Professur handelt es sich um ein etwas komplexes Konstrukt, denn sie wird zusätzlich gefördert von dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), wo die Berufene neben ihren Charité-Aufgaben den Forschungsbereich Klimaresilienz, also so etwas wie Klima-Widerstandsfähigkeit, leitet. Auch gut drei Monate nach Amtseinführung von Gabrysch findet sich in der Tätigkeitsbeschreibung der Abteilung allerdings kein Wort zu Klimawandel und Gesundheit, was ja auch eine Aussage ist.
Beschäftigt man sich näher mit dem wissenschaftlichen Werdegang und Veröffentlichungsverzeichnis von Gabrysch, muss man in der Tat feststellen, dass das Thema Klimawandel und Gesundheit schlicht nicht vorkommt. Ihr Interesse galt bisher – eben im Rahmen von Global Health – ganz vorrangig den gesundheitlichen Auswirkungen von Mangelernährung bei Schwangeren und deren Kindern sowie verschiedenen Aspekten von geburtshilflichen Einrichtungen samt Konsequenzen für Mutter und Kind – jeweils in Subsahara-Afrika oder Bangladesh.
Nun ist das Berufungsverfahren an deutschen Universitäten eine komplexe und oft langwierige Angelegenheit, in deren Verlauf die zuständige Kommission üblicherweise eine Dreierliste erstellt. Finden sich also nicht mindestens drei grundsätzlich für die Position in Frage kommende Wissenschaftler, wird das Verfahren in aller Regel ohne Erfolg abgebrochen. In dem hier interessierenden Fall dürfte es also mindestens noch zwei weitere – zumindest nach Ansicht der Kommission – potente Bewerber gegeben haben. Ob die nun noch geringer qualifiziert waren oder nur das falsche Geschlecht hatten, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
Resultat des Berufungsverfahrens ist, dass man in Deutschland ganz offensichtlich auf eine, zudem potenziell unbefristete und hoch dotierte (W3) Medizinprofessur berufen werden kann, ohne jede einschlägige Qualifikation. Vielleicht reflektiert das aber auch bloß einen speziellen Berliner Umgang mit der Frauenförderung. Auch wenn es in der Stellenausschreibung noch relativ harmlos daherzukommen scheint – „Bei gleichwertiger Qualifikation werden Frauen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vorrangig berücksichtigt“ –, lässt sich im Einzelfall darüber, was nun genau eine „gleichwertige Qualifikation“ ist, trefflich streiten.
Wobei die Richtung dieser Diskussion nicht unabhängig sein dürfte von dem Frauenanteil in der Berufungskommission und schon gar nicht von den offenen und verdeckten Vorgaben der zuständigen Senatskanzlei. Die lobt Berlin gerade als „Vorreiterin“ mit der Meldung: „48 Prozent der Rufe auf Professuren gehen an Wissenschaftlerinnen.“ 2016 waren es im Übrigen lediglich 29 Prozent. Da hat das Qualifikationsniveau von weiblichen Wissenschaftlern aber in ganz kurzer Zeit ganz stark zugenommen.
Sprunghafte Zunahme der wissenschaftlichen Qualifikation von Frauen in Berlin
Um auch jemanden auf eine Professur mit der Überschrift Klimawandel und Gesundheit hieven zu können, der oder die aber genau zu diesem Gegenstand wissenschaftlich überhaupt nichts vorzuweisen hat, bedarf es im Vorfeld einiger Vorbereitungen – etwa in der Stellenausschreibung, wo es gilt, eine scheinbar klare Aufgaben-Definition der Professur etwas aufzuweichen. Im vorliegenden Fall geschah das durch das Zugeständnis, dass eine „Schwerpunktsetzung entsprechend der wissenschaftlichen Expertise“ des zu Berufenden möglich sei.
Aber auch von den ins Auge gefassten Bewerbern, so ihre Leistung nicht für sich spricht, wird erwartet, dass sie sich bemühen, allzu augenfällige Qualifikationsdefizite im Vorfeld des Berufungsverfahrens zumindest etwas zu kaschieren. Da hat die später Berufene gut mitgespielt und sich gerade noch rechtzeitig in Form eines Beitrages für das Deutsche Ärzteblatt zum Thema Klimawandel positioniert. Nicht im engeren Sinne wissenschaftlich, sondern eher haltungsmäßig, aber insgesamt durchaus zielstrebig.
Sie, die bisher nicht eine einzige wissenschaftliche Arbeit zu mit dem Klimawandel tatsächlich oder auch nur vermeintlich assoziierten medizinischen Problemen oder Segnungen verfasst hat, entdeckt nun plötzlich, dass „jetzt“ das „Klima neue Konzepte“ erfordere. Die Begründung dafür dient dann gleichzeitig dem Anschleimen an das PIK: Zwar habe sich die Gesundheit der Menschheit trotz dramatischer Entwicklungen des “Patienten Erde“ kontinuierlich verbessert. Aber das läge daran, „dass die Konsequenzen der durch menschliche Aktivitäten bedingten Änderungen im Erdsystem erst mit einer gewissen Verspätung wirksam werden (beispielsweise im Klimasystem), weil zunächst Puffermechanismen greifen, bevor dann plötzlich ein Kipp-Punkt erreicht wird.“
Ein bisschen Anschleimen kann nicht schaden
Verwiesen wird in diesem Zusammenhang, na klar, auf die entsprechende Publikation des langjährigen PIK-Vorturners Professor Schellnhuber. Das wird man im Berufungsausschuss sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen haben. Ebenso wie ihr Engagement bei der Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit, deren Motto lautet: „Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall“.
Nach erfolgter Berufung hat Gabrysch jetzt gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt schon konkrete Vorstellungen geäußert, wie sie den Klimawandel in ihr künftiges Schaffen integrieren möchte: „Bisher standen die Folgen von Hitzewellen und die Ausbreitung tropischer Infektionskrankheiten im Fokus der Forschung. Aber auch die Ernährungssicherheit ist bedroht, wenn Regen ausbleibt, zu stark, zu spät oder zu früh einsetzt.“
Tja, der Regen und die Landwirtschaft, ein die Menschheit ja schon seit Längerem plagendes Problem. Und nun kommt auch noch der Klimawandel hinzu! Damit ist die zu erwartende Forschungsstrategie vorgezeichnet: Irgendwo in Subsahara-Afrika oder Bangladesh bleibt der Regen aus, setzt zu stark, zu spät oder zu früh ein. Das PIK attestiert diesen Wetterphänomenen eine Verursachung durch den Klimawandel und Frau Professor Gabrysch beklagt medienwirksam die ungünstigen Auswirkungen auf Ernten, Ernährung und Gesundheit von, genau, Mutter und Kind. Denn die Männer scheinen ja in ihrem Forschungskosmos keine Rolle zu spielen, was irgendwie auch etwas Beruhigendes hat.