Stefan Klinkigt / 07.12.2024 / 12:00 / Foto: K.I / 33 / Seite ausdrucken

Klima gerettet, Windrad steht, Natur kaputt, Retter reich

Natur- und Artenschutz, Wasser-, Boden- und Waldschutz, Bewahrung gewachsener Kulturlandschaften – spielt alles keine Rolle mehr, wenn es um die „Rettung des Weltklimas“ – in Wahrheit aber um das Erzielen märchenhafter Gewinne geht.

Nachdem am 1. Februar 2023 das sogenannte Wind-an-Land-Gesetz in Kraft getreten ist, das die Bundesländer verpflichtet, zwei Prozent ihrer Landesfläche für eine Windenergienutzung auszuweisen, gibt es nun offenbar kein Halten mehr. Heerscharen von Akquisiteuren – die sich selbst oft „Berater“ nennen – im Auftrag sogenannter „Projektentwickler“ durchkämmen das Land auf der Suche nach neuen Windrad-Standorten. Und für die Grundstückseigentümer soll es ja schließlich ein außerordentlich lukratives Geschäft sein, ihre Flächen für neue weltklimarettende Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen. Man spricht bereits davon, dass „die Pachtpreise, die öffentliche Grundbesitzer fordern, explodieren.“ Man zahle bis zu 460.000 Euro für einen Windkraftstandort anstelle von bisher 50.000 bis 150.000 Euro.

Im Freistaat Sachsen ist diesbezüglich neben anderen zwielichtigen Firmen auch die enercity Erneuerbare GmbH unterwegs, die als „Ihr potenzieller zukünftiger Vertragspartner“ letzte Woche „interessierte Flächeneigentümerinnen und Flächeneigentümer“ zu einer Informationsveranstaltung in Dürrröhrsdorf-Dittersbach über einen „geplanten Windpark in Stolpen“ einlud. Die „breite Öffentlichkeit“ (in Person von etwa 80 Demonstranten) musste allerdings draußen bleiben, man wollte sich wohl den netten Abend nicht durch Zwischenrufe irgendwelcher Windkraftgegner, Klimaleugner und anderer Fortschrittsbremser verderben lassen.

Am Ende hätten diese Leute die eingeladenen „interessierten Flächeneigentümerinnen und Flächeneigentümer“ nur verstört, zum Beispiel mit albernen, lästigen Fragen wie: Welche Risiken gehen Grundstückseigentümer ein, wenn sie ihre Flächen an Windradbetreiber verpachten? Was passiert mit einer Anlage, wenn der Betreiber von Insolvenz betroffen ist? Was ist mit dem Rückbau?

Nach dem deutschen Baugesetz müssen Windräder vollständig rückgebaut werden (dies umfasst auch die komplette Entfernung der riesigen Fundamente – bei Anlagen der 6-MW-Klasse ca. 2.600 Kubikmeter Stahlbeton, das entspricht einem Gewicht von 6.500 Tonnen pro Fundament!), der Kabel, Trafostationen sowie alle Zuwegungen und Bodenversiegelungen. Wie sollen Rückbau und umweltschonendes Recycling vonstatten gehen? Wer trägt die Kosten, wenn der Betreiber nicht in der Lage ist, den Rückbau durchzuführen?

Was passiert mit den riesigen Rotorblättern, bestehend aus Glas- oder Carbonfasern im Verbund mit nicht recycelbaren Epoxid- und Vinylharzen, die bereits während des Betriebes durch Abrieb große Mengen hochproblematischer Feinstäube und Fasern in die Umgebung verteilen und die umliegenden Böden damit kontaminieren?

Wie der Nordkurier berichtet, fielen im vergangenen Jahr „in Deutschland laut Branchenverbänden etwa 10.000 Tonnen Windradmüll an. Angaben des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologien zufolge dürfte die Abfallmenge bis 2045 viermal so hoch sein. Das Umweltbundesamt schätzt, dass mittelfristig jährlich 50.000 Tonnen Glasfaserkunststoffe aus Windradabfall entstehen könnten.“

„Erneuerbare voraus! Wir treiben die Energiewende voran.“

Aber nein, man muss „Interessentinnen und Interessenten” nicht mit solchen Banalitäten belästigen. Auf der Website der enercity Erneuerbare GmbH wirbt man stattdessen mit dem kämpferischen Slogan „Erneuerbare voraus! Wir treiben die Energiewende voran.“ Die unterlegten Bilder monströser Windradwälder und Solarwüsten zeigen, wie man sich das Schöne Erneuerbare Bullerbü vorstellt: So soll es bald überall im Lande aussehen – schließlich geht es um nichts Geringeres als die Weltklimarettung!

Natürlich stellt man sich auf der Website auch den Quengeleien der Windkraftgegner und klärt über „7 Mythen über Windkraftanlagen“ auf. Alles Quatsch, was diese Leute da unter ihren Aluhütchen hervorzaubern. Die behaupten ja sogar, Windräder würden „das Landschaftsbild beeinträchtigen“. Diesem Unsinn muss natürlich sofort energisch widersprochen werden:

[enercity-erneuerbare:] „Das stimmt so nicht. Es lässt sich zwar nicht abstreiten, dass durch den Ausbau der erneuerbaren Energien immer mehr Windkraftanlagen für die Bürger:innen sichtbar werden. Allerdings ist eine häufig kritisierte „Verspargelung der Landschaft“ durch Windräder nicht zu befürchten. Der Grund: Damit Windenergie ihren erforderlichen Beitrag zur Stromerzeugung leisten kann, sind lediglich zwei Prozent der Landesfläche Deutschlands notwendig. Davon, dass Windenergieanlagen das Landschaftsbild flächendeckend verändern werden, kann also keineswegs die Rede sein.“

Na toll, immerhin räumt man ein, dass „immer mehr Windkraftanlagen für die Bürger:innen sichtbar werden“. Aber es sind ja nur zwei Prozent, also fast gar nix, da muss man doch nicht so einen Aufstand veranstalten! Sogar Bundesgesundheitsminister Lauterbach (u.a. auch Experte für Klima- und Energiefragen) hatte kürzlich klargestellt: „Ob man Windräder schön findet oder nicht: Über Jahrzehnte werden wir sie brauchen. Und 98 Prozent der Fläche sind nicht betroffen. Der zerstörte Wald ist erst recht nicht schön. Windkraft schützt den schönen Wald vor Klimaschäden“.

„Wie Windenergie einen Beitrag zum Waldschutz leistet“

Natürlich ist auch hier im Freistaat Sachsen dank der im Januar 2023 vom Sächsischen Landtag beschlossenenen „Flexibilisierungsklausel“ neben der Nutzung von Weide- und Ackerland auch die Nutzung von Waldflächen als Windradstandorte möglich. Auf der Website von „enercity-erneuerbare“ findet man auch einen Link zur Broschüre „Wind im Forst – Wie Windenergie einen Beitrag zum Waldschutz leistet“ (hier zum Download) des Bundesverbands Windenergie (BWE), in der den Menschen in unserem Lande die segensreichen Wirkungen der Windenergie nahegebracht werden sollen – und dass dies natürlich alles notwendig und alternativlos ist, da es ja um nichts Geringeres als die Rettung des Weltklimas geht!

[BWE:] „Das Wichtigste vorab: In besonders wertvollen Waldgebieten wurden und werden keine Windenergieanlagen in Deutschland gebaut. Laub- und Mischwälder sowie Schutzflächen mit besonders hoher ökologischer Wertigkeit für Mensch und Tier sind von der Windenergienutzung ausgeschlossen. Dazu gehören sensible Gebiete mit naturnaher Baumartenzusammensetzung, Wälder mit herausragender Waldfunktion für Erholung, Schutz und biologische Vielfalt.“

Weg mit „Grimms Märchenwald“!

Na fein, das wird besonders die Menschen in Nordhessen freuen, deren großartiger Reinhardswald, das größte geschlossene Waldgebiet Hessens, bekannt als „Grimms Märchenwald“, gerade abgeholzt und damit nachhaltig zerstört und verunstaltet wird – natürlich alles im Namen der Weltklimarettung. Nachdem bereits der Projektbetreiber, die Windenergie Reinhardswald Verwaltungsgesellschaft mbH, auf seiner Website behauptet, seine 20 geplanten VESTAS-Windräder würden mit einem Nutzungsgrad von 0,32 betrieben, wird es in der Broschüre des BWE (S. 27) noch abenteuerlicher. Dort behauptet man doch glatt, jedes dieser Windradungetüme würde jährlich 17,1 Mio. kWh „sauberen Strom“ erzeugen. Das wäre dann sogar ein Nutzungsgrad von 0,39 !!!

5.000 kW (Anlagen-Nennleistung) x 8.760 jährliche Volllaststunden = 43,8 Mio. kWh; 17,1 Mio. kWh / 43,8 Mio. kWh = 0,39. Allerdings bewegen sich Nutzungsgrade von Onshore-Windkraftanlagen in Deutschland (je nach Windeinzugsgebiet – einen Überblick bekommt man bei „Global Wind Atlas“) lediglich zwischen 0,16 und 0,25 – wobei der Reinhardswald eher im unteren bis mittleren Bereich liegen dürfte.

In der BWE-Broschüre wird übrigens ein Flächenbedarf von 1 ha/Anlage veranschlagt. Dabei dürfte es sich jedoch nur um die direkt benutzte Fläche im Betriebszustand handeln. Für die Aufstellung und Montage von Turm, Maschinenhaus und Rotor ist mit einem viel größeren Flächenbedarf zu rechnen, zuzüglich der mind. 4,5 Meter breiten (praktisch aber deutlich breiteren) Zufahrtswege für die Anlieferung der ca. 80 Meter langen Rotorblätter, der Turmsegmente und Maschinenteile, der Unmengen von Beton für die riesigen Stahlbetonfundamente und die Anfahrt und Stellflächen der Montagekrane – wobei diese Böden zusätzlich noch verdichtet und ggf. tonnenweise mit Schotter befestigt werden müssen, da sie für die enormen Lasten sonst nicht tragfähig sind. BILD hatte kürzlich darüber berichtet:

„Seit dieser Woche planieren Baumfraß-Bagger den Reinhardswald am Dornröschenschloß Sababurg in Nordhessen. Obwohl noch neun Klagen gegen den Bau anhängig sind, Gerichte also nicht entschieden haben, schickt der Windrad-Bauherr seine Bagger in den Wald und fängt zu bauen an. (…) Die Erde bebt im Reinhardswald. Schwarze Diesel-Fahnen steigen über dem Wald auf. Die Maschinen rackern sich so martialisch durch das größte noch zusammenhängende Mischwaldgebiet Deutschlands.“

Noch größer wird der Flächenbedarf, wenn die Anlagen spätestens nach dem Ende der Laufzeit von 20 Jahren zurückgebaut, respektive gesprengt werden müssen. Dann muss der komplette (inzwischen nachgewachsene) Wald für die benötigte Fallfläche erneut abgeholzt und beräumt werden. Was das für Flora und Fauna bedeutet, kann sich sicher jeder vorstellen. Fazit: Wer das Weltklima retten will, darf nicht zimperlich sein!

 

Weiterführende Links für „interessierte Flächeneigentümerinnen und Flächeneigentümer“:

Windanlangen im Wald: Erschreckend hohe Risiken für Waldeigentümer bei Pachtende

Rückbau & Recycling

Rechtsprobleme beim Rückbau und Repowering von Windkraftanlagen

Windenergieanlagen kosten: Wer bezahlt den Rückbau?

Achtung Verpächter – Pacht und Rückbaukosten bei Windenergieanlagen

Besonders ansehenswert ist die NDR-Reportage Windiges Geld von 2015.

 

Stefan Klinkigt, Baujahr 1956, geboren und aufgewachsen in Sachsen, studierte damals Bauingenieurwesen (mit Abschluss als Dipl.-Ing.). Lebt nach 26 Jahren Rheinland seit 2015 wieder in Sachsen und arbeitet als bildender Künstler, Kommunikationsdesigner und Fotograf. Für Achgut als Autor, Lektor und Karikaturist tätig. Streift mehrmals in der Woche mit der Kamera in der Sächsischen Schweiz herum.

Foto: K.I

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Matthias Ditsche / 07.12.2024

Manchmal frage ich mich bei diesem Thema, wer ist das denn nur, der diese Flächen zur Verfügung stellt? Der Reinhardswald ist Hessisches Landeseigentum, da können die freilich machen, was sie wollen. Ein Teil gehört sicherlich den umliegenden Gemeinden. Aber der Rest? Sind das Landwirte, die dem Ruf des Geldes folgen? Landwirte, mit denen wir Städter uns vor nicht allzulanger Zeit solidarisiert haben? Ansonsten würde doch dieses perverse System nicht funktionieren! Wer weiß da mehr? @Oliver Seipp, wenn sie gegen die Vernichtung des Reinhardswaldes sind, dann können Sie warten, bis Sie schwarz werden, daß da irgendwelche Berufsaktivisten demonstrieren. Vor 2 Wochen fand sich ein Protesthäufchen von 50 Männiken zum Protest ein. Der HR bezeichnete diese auch promt aus dem rechten Spectrum kommend, es blieb aber alles friedlich. So ein Glück. Zum Spaß schauen Sie sich mal die letzten, oder besser alle Wahlergebnisse der nordhessischen Kreise an. Da weiß man, was man hat. Die sind durch die Nähe zur DDR völlig errötet.

Arnold Balzer / 07.12.2024

Herr Klinkigt, Sie haben bei der Aufzählung der Flächen an zerstörten Waldes für Zufahrtswege, Fundamentbau und Errichtung sowie Rückbau eines noch vergessen: Die Hunderttausend MWh, die der Vogelschredder im Jahr produziert, müssen ja zu den Hunderttausend Haushalten geleitet werden, die fliegen ja nicht durch die Luft. Das heißt, es müssen zusätzlich x-mal Hunderttausend km Gräben gebuddelt werden, worin armdicke Kabel versenkt werden. Selbst wenn ein Kabel oder Freileitung eines lokalen Versorgers in ebendiesem Wald verlegt sein sollte (wovon nicht auszugehen ist), so dürften die Leitungsquerschnitte nicht ausreichen, um zusätzlichen Propellerstrom abzuleiten, denn die Leitungsquerschnitte müssen auf den maximalen Strom ausgelegt sein, der in 10% des Jahres bei Volllast durchs Kabel gejagt wird. (Abgesehen davon, dass man rein schaltungstechnisch nicht eben mal so ein Kabel vom Propeller an eine naheliegende Mittel- oder Niederspannungsleitung ranpfriemeln kann.)

Arnold Balzer / 07.12.2024

Die Verharmlosung des 2%-Flächenanteils ist natürlich eine freche Propagandalüge: Jeder einzelne Quadratkilometer, der mit Vogelschreddern vollgestellt wird, ist aus weit mehr als 2% der Fläche sichtbar und stellt eine Verschandelung einer weit größeren Landschaftsfläche dar. (Vgl. Wolfgang Kesslers Kommentar zur Situation in Paderborn u. Lippe.) Der Umkreis der Sichtbarkeit wird umso größer, je höher die Dinger konstruiert werden. Hinzu kommt, dass On-shore-Anlagen nicht etwa in Senken errichtet werden, sondern der höheren “Ernte” wg. auf Bergkuppen, und damit sind die aus weiterer Entfernung sichtbar, als wenn sie in Tälern “verschwänden”.

U. Prengel / 07.12.2024

Meines Wissens reichen in Niedersachsen 1,5m Mutterboden über den Stahlbetonfundamenten, um “renaturiert” bezeichnet zu werden. Pro Windrad sind etwa 6 Hektar verdichteter Boden (Zuwegung für Aufbau, später Wartung), die niemals wieder in den Ursprungszustand zurück geführt werden. Man frage mal einen Waldbauern, zu welch akrobatische Übungen er verpflichtet wird, damit mit Arbeitsgeräten keine Bodenverdichtung erfolgt. Von den Halden, auf denen die abgebauten Rotorblätter gelagert werden (und niemals recycelt werden), ganz zu schweigen!

Dr. Konrad Voge / 07.12.2024

Ich habe eine Korrelation zwischen den Windmühlen und der Schwächung des Windes seit dem Jahr 2000 nachgewiesen-bei EIKE veröffentlicht. Nun ist das noch kein kausaler Zusammenhang, aber eben statistisch sicher. Das bedeutet einen Eingriff in die Verteilung der Luftfeuchtigkeit, was zur negativen Wetterbeinflussung führt. Das ist der ” Menschengemachte Klimawandel “. Solarfelder sind Wärmeinseln. Beeinflussen ebenfalls das Wetter.

W. Renner / 07.12.2024

Dem Robert sein Vetternwirtschafts-Skandalsekretär von Graichen und Reibach, ist jetzt übrigens für Ukrenergo, unter Leitung des Ukrainischen Finanzministers tätig. Die wollen das Ukrainische Stromnetz an das europäische Verbundnetz anschliessen. Andere Probleme hat man derzeit in der Ukraine ja bekanntlich nicht. Irgendwann bekommen wir dann, neben dem französischen, sicher auch grünen ukrainischen Atomstrom z.B. aus Saporischa in die deutschen Grünen Hütten. Was sagte doch der Märchen Robert zur Zukunft der ukrainischen AKWs : Die sind ja mal gebaut worden , kein Grund die abzureissen.

Christine Holzner / 07.12.2024

Grün ist das beste Geschäft seit Corona.

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