Wenn sich da mal nicht ein Bestseller am Markt anbahnt: „Anna, Felix, das Haus und die Energie“, heißt das Buch. Es soll uns zeigen, „wie Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zusammenhängen“. Nein, nicht uns, sondern Kindern im Grundschulalter, wie es in der Werbeschrift des „Detail“-Verlages heißt. Da werden die Kids wohl darauf gewartet haben. Es kommt gerade rechtzeitig. Jetzt, da Harry Potter Literaturgeschichte ist, wartet der Kinderbuchmarkt auf einen neuen Renner.
Gut, dass der Verlag „lustige Zeichnungen“ in Aussicht stellt, denn Respekt für das Ganze Thema soll ein „Ungeheuer“ einflößen, und das heißt in dem Buch „Klimakatastrophe“. Gut auch deshalb, weil der Untertitel vielleicht doch nicht jeden Steppke jubeln lassen wird, wenn das Büchlein unter dem Weihnachtsbaum liegt: „Eine kurze Geschichte über Energie, CO2 und Architektur“, lautet der. Das habe ich mir schon immer gewünscht, Danke Mami und Papi.
Und dann geht es auch schon los. In tödlichen Fluten untergegangene Häuser, Gerippe von vertrockneten Tierkadavern in der Wüste, ein süßer Hund, der nichts mehr zu trinken findet und dem vor Durst die Zunge aus dem Hals hängt, der
unvermeidliche verzweifelte Eisbär auf einsamer, schmelzender Scholle, an solchen „lustigen Zeichnungen“ – in der Anmutung banaler Witzzeichnungen aus den 50er-Jahre-Illustrierten – sollen sich die Kleinen aufrichten. „Ungeheuer Klimakatastrophe“, Weltuntergang pur, da kommt Begeisterung auf. Aber da kommt der edle Ritter und Architekt, und zeigt den Kleinen, wie man all dies verhindern kann, wenn er alles richtig gemacht hat. Klimaschutz, Nullenergie-Haus, Kinder, macht euch keine Sorgen! Textprobe: „Die tief stehende Sonne heizt das Haus durch die großen Glasscheiben auf. Auch Anna heizt das Haus mit ihrer Körpertemperatur. Mit der Dämmung ist es wie mit dem dicken Pullover von Felix, der keine Wärme nach draußen lässt. Ein Lüftungsgerät auf dem Dach tauscht alte gegen frische Luft aus, ohne dass Wärme aus dem Haus entweicht.“ Spannung pur.
Keine Frage, da hat der Fachmann gesprochen, der weiß, wie man die Fünfjährigen gleich mal vorbereitet auf den richtigen Kurs in der Klimaschutzdebatte. Dämmen bis es mieft? Oder kann man das vermeiden? Natürlich, Papi, da ist doch die Lüftung auf dem Dach, und es entweicht auch keine Wärme. „Mami, Mami, es hat gar nicht geschimmelt“, jubeln wir doch da alle gleich mit. Na also, geht doch. So besiegt man Ungeheuer.
Es ist – mal wieder – der klassische Fall. Wir kennen so etwas aus den verschiedenen Epochen der letzten Zeit. Der Kampf gegen das Böse für eine heile Welt, der die ganze Ideologie verpacken muss, mit der die Erwachsenen, die Buchautoren oder gar die Kultusbehörden zwar die Kinder beschenken, sich aber vor allem selbst zufrieden stellen und ihr Gewissen beruhigen wollen. Die Ideologie in dem Fall: die Klimakatastrophe, bei der die Kinder zum rechten Glauben herangezogen werden sollen, und zwar frühzeitig. Was man hat, hat man, ist die Devise.
Ganz abgesehen davon, dass der Fachverlag für Architektur damit gehörige Lobbyarbeit für sein eigenes Geschäft leistet.
Es wird nicht aufgehen. Kinder können vor allem eines nicht leiden: Bücher, mit denen ihnen etwas untergejubelt werden soll. Schulbücher zählen nicht unbedingt zu ihrer Lieblingslektüre. Schriften mit verstecktem oder auch nur oberflächlich kaschiertem pädagogische Impetus prallen an ihnen schlicht ab. Viele Gutmeinende und Gutmenschen haben sich schon die Finger wund geschrieben für gute Sachen und sind bei den Kleinen einfach abgeblitzt.
Eines macht Hoffnung: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass solche triefenden Schriften langfristig eher den kritischen Geist bei ihnen fördern.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT