Für alle, die gerne puzzlen, folgen hier ein paar Puzzle-Teile zum Thema „Affenpocken“. Zusammenfügen möge sie jeder selbst. Viel Spaß beim Puzzlen!
Puzzleteil 1: Im März 2021 findet im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz ein Planspiel zum Thema „Affenpocken“ statt. Teilnehmer ist u.a. Jeremy Farrar, damaliger Direktor der Stiftung Wellcome Trust, seit dem zweiten Quartal 2023 Chefwissenschaftler bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gefördert wird die Übung u.a. von der Bill & Melinda Gates Foundation. Im Szenario des Planspiels wird der Ausbruch der Affenpocken auf den 15. Mai 2022 gelegt.
Puzzleteil 2: Ab dem 18. Mai 2022 werden tatsächlich immer mehr Fälle von Affenpocken gemeldet. Vor allem in Europa. Am 23. Juli 2022 erklärt die WHO den Ausbruch zu einer Gesundheitsnotlage internationaler Tragweite. Am 11. Mai 2023 wird die internationale Gesundheitsnotlage wieder aufgehoben.
Puzzleteil 3: Am 28. November 2022 gibt die WHO bekannt, dass die „Affenpocken“ fortan „Mpox“ (als Synonym für „monkeypox“) heißen sollen. Klar, klingt ernster.
Puzzleteil 4: Am 18. September 2023 veröffentlicht BioNTech eine Pressemitteilung zu seiner „strategischen Partnerschaft“ mit der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (kurz: CEPI). Hinter dieser „Koalition für Innovationen in der Epidemievorbeugung“ verbirgt sich eine Allianz von WHO, EU-Kommission, einzelnen Regierungen, Forschungseinrichtungen, Pharmaunternehmen, Stiftungen sowie privaten Geldgebern, die im Januar 2016 in Davos initiiert wurde. Maßgeblich beteiligt ist wiederum die Bill & Melinda Gates Foundation. CEPI hat sich das Ziel gesetzt, Impfstoffe innerhalb von 100 Tagen zu entwickeln. CEPIs Mission wird von der G7, der G20 und führenden Industrievertretern unterstützt. Die Partnerschaft zwischen BioNTech und CEPI soll erklärtermaßen dazu beitragen, u.a. einen mRNA-basierten Mpox-Impfstoff zu entwickeln.
Puzzleteil 5: Am 23. Oktober 2023 schließt die EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Health Emergency Response Authority, kurz: HERA) einen Vertrag mit dem Pharmaunternehmen Meridian Medical Technologies über die Bereitstellung von Medikamenten gegen Affenpocken, Pocken und Kuhpocken ab.
Puzzleteil 6: Am 29. Mai 2024 teilen BioNTech und CEPI mit, dass sie ihre Partnerschaft zur Stärkung „des afrikanischen Ökosystems für mRNA-Impfstoffe“ erweitern – beispielsweise mit Impfstoffen gegen Mpox.
Puzzleteil 7: Am 5. August 2024 veröffentlicht BioNTech seine Ergebnisse für das zweite Quartal 2024. Für die sechs Monate bis zum 30. Juni 2024 ergaben sich demnach Umsatzerlöse von 316,3 Millionen Euro, verglichen mit 1.444,7 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Der Nettoverlust belief sich bis zum 30. Juni 2024 auf 1.122,9 Millionen Euro, verglichen mit einem Verlust in Höhe von 311,8 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Obwohl das Unternehmen im ersten Halbjahre 2024 also herbe Verluste hinnehmen musste, erwartet BioNTech für das Geschäftsjahr 2024 insgesamt Umsatzerlöse in Höhe von 2,5 bis 3,1 Milliarden Euro.
Ein guter Tag für Pharmakonzerne
Puzzleteil 8: Am 8. August 2024 teilt das Johns Hopkins Center for Health Security, das sich übrigens auch gerne an Planspielen beteiligt, in seinem Newsletter mit, dass die WHO ein Expertengremium einberuft, um festzustellen, ob die sich ausbreitenden Mpox-Ausbrüche in Afrika einen globalen Gesundheitsnotstand darstellen. Am selben Tag schlägt die für Afrika zuständige Seuchenkontrollbehörde Africa CDC Alarm: In Zentralafrika verbreite sich rasant eine neue Variante des Mpox-Virus. „In den ersten sieben Monaten dieses Jahres gab es in Zentralafrika 14.250 bestätigte Fälle, das sind 160 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres“, verkündete Jean Kaseya, der Generaldirektor der Africa CDC, in einer Pressekonferenz.
Puzzleteil 9: Überraschung! Am 14. August 2024 erklärt die WHO den Mpox-Ausbruch zu einer „Gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite“ („public health emergency of international concern“, kurz: PHEIC, sprich: „Fake“). Auf der WHO-Website heißt es wörtlich: „WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus hat festgestellt, dass das Auftreten von Mpox in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) und einer wachsenden Zahl von Ländern in Afrika eine gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite im Sinne der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) darstellt.“ Tedros' Erklärung sei auf Anraten „eines IHR-Notfallkomitees unabhängiger Experten“ erfolgt. Der Generaldirektor wird nun auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Ausschusses vorläufige Empfehlungen an die Länder aussprechen. Der Ausschussvorsitzende Professor Dimie Ogoina erklärt dazu: „Der derzeitige Anstieg der Mpox-Erkrankungen in Teilen Afrikas und die Verbreitung eines neuen sexuell übertragbaren Stammes des Affenpockenvirus sind ein Notfall, nicht nur für Afrika, sondern für die ganze Welt.“ Bereits in der vergangenen Woche habe Tedros das Verfahren für die Notfallzulassung von mpox-Impfstoffen eingeleitet, wodurch der Zugang zu Impfstoffen beschleunigt werde. Die Notfallzulassung ermögliche es auch Partnern wie Gavi und UNICEF, Impfstoffe zu beschaffen und zu verteilen. Die WHO rechnet mit einem unmittelbaren Finanzierungsbedarf von zunächst 15 Millionen US-Dollar zur Unterstützung der Maßnahmen. Um eine sofortige Aufstockung der Mittel zu ermöglichen, hat die WHO 1,45 Millionen US-Dollar aus dem WHO-Notfallfonds freigegeben und appelliert an die Geldgeber, den gesamten Bedarf für die Mpox-Bekämpfung zu finanzieren.
Puzzleteil 10: Ebenfalls am 14. August teilt die EU-Kommission mit, dass die EU-Behörde für Notfallvorsorge und -bewältigung (HERA) als unmittelbare Reaktion auf den Affenpocken-Ausbruch (Mpox) in Afrika 175.420 Dosen des MVA-BN®-Impfstoffs der in Dänemark gegründeten Firma Bavarian Nordic beschaffen und spenden wird. Zusätzlich werde das Pharmaunternehmen selbst 40.000 Dosen an HERA spenden. MVA-BN oder Modified Vaccinia Ankara-Bavarian Nordic ist der einzige von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA und der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA zugelassene (und als Imvanex® vermarktete) Mpox-Impfstoff. HERA arbeitet seit dem Mpox-Ausbruch im Jahr 2022 mit Bavarian Nordic zusammen. Derzeit haben nur zwei afrikanische Länder eine Notfallzulassung für den MVA-BN-Impfstoff erteilt. Aber die WHO hat Bavarian Nordic in der vergangenen Woche aufgefordert, eine Interessenbekundung für die Notverwendungsliste (EUL) des Impfstoffs vorzulegen. Dies könnte den Zugang für afrikanische Länder beschleunigen, in denen noch keine nationalen behördlichen Zulassungen vorliegen. Darüber hinaus arbeitet HERA mit dem Africa CDC zusammen, um die Mpox-Diagnostik und -Sequenzierung in der Region zu verbessern. Für den Frühherbst ist ein Zuschuss von 3,5 Millionen Euro vorgesehen. Africa CDC hat die internationale Gemeinschaft aufgerufen, sie bei der Mobilisierung von 2 Millionen Impfstoffen zu unterstützen. Es ist also ein guter Tag. Für Pharmakonzerne wie Bavarian Nordic und BioNTech.
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.