Thomas Rietzschel / 19.08.2019 / 12:00 / Foto: pixabay / 28 / Seite ausdrucken

Klassenlose Gesellschaft im Regionalexpress

Bernd Riexinger, der alte Klassenkämpfer, gibt nicht auf. Da der Ausbruch der Weltrevolution auf sich warten lässt, will er die klassenlose Gesellschaft erst einmal bei der Deutschen Bundesbahn einführen. Wie SPON am letzten Donnerstag, Mariä Himmelfahrt, schrieb, mag der LINKEN-Chef nicht länger dulden, dass sich „Besserverdienende auf Kosten der allgemeinen Nutzbarkeit absondern“.  Kurzum: „Die 1. Klasse im Nahverkehr gehört abgeschafft.“ Schließlich könnten wir nicht „über Verkehrswende und die Kosten für den notwendigen Ausbau des Nahverkehrs“ reden und zugleich „in überfüllten Regionalexpressen fast leere Waggons mit Wagen der 1. Klasse mitschleppen“. Gut gebrüllt Genosse!

Von „grobem Unfug“ spricht der Fahrgastverband PRO Bahn gleichwohl. Denn an welcher Bimmelbahn hängen heute noch Wagen der 1. Klasse. Bestenfalls finde sich drei, vier Abteile, die denen, die gern mehr bezahlen, auch mehr Freiraum bieten. Praktisch wäre mit ihrer Abschaffung nichts zu gewinnen, argumentiert die Bahn. Zwar könnten dann statt dreißig oder vierzig vielleicht sechzig Reisende Platz finden. Doch was würde das daran ändern, dass sich während der Stoßzeiten Hunderte auf den Gängen der Züge drängen. 

Alle steckten weiter im selben Nudeltopf. Niemand könnte Anspruch auf das erheben, was er sich leisten kann. Jeder bekäme den halben Quadratmeter, der ihm zusteht: Kommunismus auf der Schiene und ein Vorstoß, der auf mehr abzielt, als der Anlass glauben machen will: auf eine „sozialistische Gleichmacherei“, so Enak Ferlemann, der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung. Na und, mag da mancher sagen, der selbst gern in der Ersten säße, aber nicht einsieht, warum er dafür mehr bezahlen soll. 

Der Schoß ist fruchtbar noch

Über die Idee des geborenen Randschwaben Riexinger, das Problem der überfüllten Züge zu lösen, indem er die Wagen der 1.Klasse von der Schwäbschen Eisenbahn abkoppelt, über diesen Blödsinn darf man durchaus lachen. Was aber, wenn der Genosse demnächst in einem zweiten Schritt Pläne schmiedet, auch der Wohnungsnot Herr zu werden, und dabei wiederum auf den Gedanken verfällt, dass sich die „Besserverdienenden auf Kosten der allgemeinen Nutzbarkeit absondern“. Häuser, in denen statt einer Familie zwei oder drei zusammenrücken könnten, gibt es genug. Auch fehlt es den Kommunisten dazu nicht an der nötigen Erfahrung. 

Hunderttausende lebten während der ostdeutschen Diktatur in einer sogenannten „Teilhauptmiete“. Jede gleichberechtigte Partei wurde in ein, zwei, manchmal drei Zimmer einer größeren Altbauwohnung „eingewiesen“. Der einen fiel das Bad , der anderen die Küche zu. Niemand konnte sich „auf Kosten der allgemeinen Nutzbarkeit absondern“. 

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch, was uns Bernd Riexinger auf dem Weg seiner Partei zur Regierungsverantwortung in Aussicht stellt.  

Foto: Pixabay

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Bernhard Maxara / 19.08.2019

Dabei kann mir selbst das Transportformat, das heute unter “Erster Klasse” angeboten wird, samt allem Übrigen gestohlen bleiben. Die Mitreisenden unterscheiden sich kaum von den anderen, die Klimatisierung ist bei allen gleich unzuverlässig, und fortlaufend drückt sich ein Toilettengeher nach dem anderen an einem vorbei. Die Wagenreihung ändert sich wie in der “Zweiten”, und es wird beiderlei Fahrgästen empfohlen, eine Woche vor Fahrtantritt zu fragen, ob der Zug auch wirklich verkehrt. - Aber Sie haben natürlich Recht, und Riexingers Schnapsidee zielt außerdem einmal mehr auf die letzten verbliebenen Betonköpfe aus der Unterschicht der z.Zt. wählenden Bundesländer ab.

Andreas Rochow / 19.08.2019

Der Schwabe Riexinger träumt von einer kommunistischen Diktatur, weil er die der DDR nicht erleiden musste. Mit Sozialneiddebatten belebt er schamlos das Sommerloch. Die Bahn in der DDR, die all die Jahre “Reichsbahn” hieß, beförderte übrigens Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) kostenlos. Und der massenhafte Güterverkehr ging nach der Friedlichen Revolution von der Schiene auf die Autobahn, weil das marktkompatibel war. Der kleine Diktator vergreift sich gern an Themen, die die SED-Nachfolgepartei als das erscheinen lassen, was sie ist: aus der Zeit gefallen und lächerlich!

Anton Weigl / 19.08.2019

Wie war das Seinerzeit in der DDR. Fuhren damals die SED Größen in den selben Zügen wie das normale Volk, oder ? Ehrlich ich bin als Bayer überhaupt nicht informiert.

Rolf Lindner / 19.08.2019

Ein Genosse sagte einmal zu mir: Wir haben die Slums abgeschafft. Meine Antwort: Deshalb haben wir überall ein bisschen Slum. Habe keine Antwort bekommen. Wir haben eine Zeitlang in einem sozialistischen Plattenbau mit Menschen zusammen wohnen müssen, die in ihrem Verhalten ziemlich neurotoxisch waren. Von dieser Zeit bin ich immer noch traumatisiert.

Petra Wilhelmi / 19.08.2019

Ganz unrecht hat Riexinger ja nicht. Ich bin jahrelang in einem Nahverkehr mit leeren 1. Klasse-Abteilen gefahren und ich bekam keinen Platz in der 2. Klasse. Es gab immer wieder nette Fahrkartenkontrolleure, die einen auf dem 1.-Klasse-Platz haben sitzen gelassen. Frauen als Kontrolleure ließen das nie durchgehen. Aber es geht doch den Riexinger um etwas ganz anderes, als um sein Pippifax-Problem. Seine Partei wirbt im Fernsehen - im MDR - mit der Parole, dass sie den demokratischen Sozialismus installieren wollen, in ganz großen weißen Buchstaben auf rotem Untergrund. Darum geht es doch Riexinger. Um das zu unterfüttern, erfindet er das Nichtproblem der 1. Klasse im Nahverkehr. Er will uns damit sagen, dass erst im demokratischen Sozialismus, den die Linke anstrebt, die Gleichheit im Zug garantiert ist. Wählt uns!  Sicherlich denkt er, dass diejenigen, die ein Sitzplatzproblem in der 2. Klasse schon einmal hatten, auf den Zug des demokratischen Sozialismus aufspringen werden und hofft, ein paar Prozentpunkt abstauben zu können. Gut gebrüllt Riexinger. Ich glaube nicht das das zieht. Viele Deutsche sind zwar infantil, aber ich hoffe doch, nicht so. Übrigens, Teilhauptmiete, das kenne ich nur aus meiner Kindheit. Verheiratete Kinder wohnten oft mit den Eltern noch zusammen. Das stimmt. Was wirklich war, dass die Häuser verfielen und Menschen in baufälligen Gebäuden haußten, musste man da schon sagen, wo man durch ein abstützendes Gerüst ging, um in das Haus zu kommen, damit man nicht von Herabfallenden “erschlagen” erschlagen wird, wo das Regenwasser über das kaputte Dach in die Wohnungen lief und wo die Toilette eine halbe Treppe tiefer war und das Wasser dort in kalten Wintern einfror. So sah es in unserer Stadt aus. Das war sozialistisches Wohnen. Nie wieder Sozialismus!

Marc Blenk / 19.08.2019

Lieber Herr Rietzschel, was wäre der schwäbische Bonsai - Stalin in der DDR geworden? Vielleicht Schaffner in der ersten Klasse des SED Parteizugs? Was der Mann zur Zeit absondert, gilt den alten SED Sympathisanten und Kadern in den Ländern, wo jetzt Wahlen anstehen. Er hofft, dass der eine oder andere ältere Parteigenosse glücklich gluckst, wenn er solche revolutionären Forderungen wieder einmal hört und dann sein Kreuzchen bei der SED Nachfolgepartei macht. Das waren ja auch noch schöne Zeiten, wo man die Leute, die sich “auf Kosten der allgemeinen Nutzbarkeit absondern“, noch in Gewahrsam nehmen konnte, am besten gleich ab nach Bautzen. In der DDR lebten auch keine “Besserverdienenden” auf Kosten des Volkskörpers. Selbst deren Kinder, also die von Akademikern oder sonstwie Privilegierten durften nicht mal studieren. Die Klasse war die Rasse der Kommunisten und war sogar erblich. Also sollte man auch die Kinder von 1. Klasse Bahnfahrern grundsätzlich vom Bahnfahren ausschließen…  Riexinger in die Produktion! 

Belo Zibé / 19.08.2019

Auf der sozialistischen »DDR« Diktaturs-Suppe sonderten sich die grössten Fettaugen auf Kosten der allgemeinen Nutzbarkeit z.B in die Waldsiedlung Bernau bei Berlin ab. Oberhalb Berchtesgaden war ja nichts mehr möglich.  

A.Kehrwald / 19.08.2019

Endlich kämpft die Linke wieder für den Arbeiter! Mit Wegfallen der 1. Klasse müssen als Kompensation logischerweise die Preise erhöht werden. Ein Teil der Bahnfahrer wird sich also wieder ein Auto zulegen, was Arbeitsplätze im bedeutendsten hiesigen Industriezweig erhält. Im nächsten Schritt wird der Klimaschwachsinn als ein solcher benannt und man setzt sich für die Arbeiter im Kohlebereich ein und fördert die Kernkraft. Zum Schutz der Prekären, ihren Jobs und Wohnungen, wird man gegen Wirtschaftsimmigration sowie Illegale vorgehen. Der Kampf gegen Homophobie, Antisemitismus und Unterdrückung von Frauen wird sicherlich auch verstärkt. Endlich kann ich wieder links wählen.

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