Georg Etscheit / 31.08.2020 / 12:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 63 / Seite ausdrucken

Klagt der Bauer einmal nicht, ist er vielleicht nicht ganz dicht

Von Georg Etscheit.

Mit Bauernregeln ist das so eine Sache, sie können stimmen oder auch nicht. In der Regel dürfte die Eintrittswahrscheinlichkeit bei fünfzig Prozent liegen. Es gibt nur eine einzige Bauernregel, die fast immer zutrifft. Dass es keine oder sehr wenige Bauern gibt, die nicht über die Ernte klagen. Vor allem gibt es keine Bauernvertreter, die sich auch einmal rundum zufrieden zeigen, wenn sie nicht gerade eine unleugbare Megaernte vermelden können. Meist finden sie irgendeinen Halm in der Brennsuppe, oft gleich mehrere.

Erst vor kurzem hieß es wieder, die deutschen Landwirte würden 2020 die „dritte schwache Getreideernte in Folge“ einfahren. Grund seien „Wetterextreme“. In manchen Regionen habe es ausreichend geregnet, dort hätten die Bauern sogar „leicht überdurchschnittliche Ernten“ erzielt, in manchen nicht. Wie das so ist mit dem Wetter, es macht, was es will, es begünstigt die einen und schadet den anderen. Das Problem des Klimawandels verfestige sich, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Die ökonomische Lage sei „angespannt“, Betriebe seien in ihrer Existenz gefährdet.

Insgesamt rechnet der Deutsche Bauernverband in diesem Jahr mit einer Getreideernte von 42,4 Millionen Tonnen. Damit bleibe das Ergebnis um rund drei Millionen Tonnen hinter dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 zurück. Was nach viel klingt, ist in Prozenten recht überschaubar. Fünf Prozent weniger als im besagten Fünfjahresdurchschnitt, das bewegt sich im normalen Schwankungsbereich. Und das in einem Jahr, das als drittes extremes Trockenjahr in Folge gilt und die Klimaapokalyptiker einmal mehr auf die Palme bringt, wobei Palmen immer noch und vermutlich auch in Zukunft in unseren Breiten nur im Botanischen Garten wachsen.

Des einen Leid ist eben des anderen Freud'

Hitze, Starkregen, Corona: Dritte unterdurchschnittliche Ernte in Folge“ titelt die Tagesschau auf ihrer Internetseite, wobei die Auswirkungen der Corona-Pandemie, etwa ein zeitweiser Mangel an Erntehelfern, auf die Gesamtbilanz minimal ausfallen dürften, wenn man vielleicht vom Spargel absieht, dessen Anbaufläche (und mit ihm der Arbeitskräftebedarf) in den vergangenen Jahrzehnten explodiert ist. Aber Hauptsache, beim geneigten Leser und Fernsehzuschauer bleibt die Botschaft hängen, dass es ums täglich Brot schlecht bestellt ist, dass die Entwicklung, so Rukwied, „besorgniserregend“ sei. Eine Hungersnot, so meint man aus seinen Worten heraushören zu können, droht zwar noch nicht, trotzdem täte man sicher gut daran, sich ein paar hundert Dosen Brot einzulagern, als krisenfeste Notration für kommende Dürrejahre.

Vor acht Jahren, im Jahre 2012, lag die im Sommer prognostizierte Getreideernte mit 43 Millionen Tonnen nur um 0,6 Millionen Tonnen unter dem diesjährigen Horrorergebnis. Damals schrieb die Deutsche Welle, die Bauern seien mit der Ernte „zufrieden“ und rechneten mit einem Gewinnzuwachs. Grund: „Die Getreidepreise sind in der letzten Zeit auf dem Weltmarkt stark angestiegen. Nicht zuletzt auch wegen der schlechten Ernten in den USA und Russland.“ Dieses Jahr stelle sich die globale Versorgung mit Getreide dagegen „komfortabel“ dar, schreibt ein Fachmagazin. Das große Angebot und die „starke Konkurrenz“ an den Exportmärkten setze die Erzeugerpreise unter Druck. Jetzt ahnt man, woher der Wind weht. Aber des einen Leid, ist eben des anderen Freud’.

Noch mehr Subventionen abschöpfen

Besonders drastisch ist nach Angaben des Bauernverbandes der Ernterückgang beim Winterweizen, der bedeutendsten Getreideart im deutschen Ackerbau. Doch hier ist der Grund nicht in erster Linie das Wetter, sondern eine markant geschrumpfte Anbaufläche. Der Durchschnittsertrag über alle Getreidearten entspricht übrigens mit sieben Tonnen pro Hektar dem Mittel der Jahre 2015 bis 2019.

Es ist also nicht ganz einfach, sich ein Bild von den wirklichen Ernteergebnissen zu machen und der aktuellen Ertragssituation der Bauern. Dafür ist es sehr einfach, sich ein Bild vom Deutschen Bauernverband zu machen, der angesichts der angeblich mageren Ernte reflexartig um Hilfe ruft. Die Bauern sollen sich, mit staatlicher Unterstützung, gegen alle denkbaren Wetterunbilden absichern können, Dürre, Frost, Starkregen und was der Himmel sonst noch seit Menschengedenken an Geißeln bereithält. „Mehrgefahrenversicherung“ nennt sich das. Und am besten soll auch aus Brüssel noch ein schöner zusätzlicher Geldsegen auf die Bauern herabregnen, denn Geld ist ja genug da, in Form der Corona-Billionen, die die Gelddruckmaschinen gerade heiß laufen lassen. Da wäre es natürlich kontraproduktiv, wenn man sagen würde, dass die Ernte dieses Jahr TROTZ mancher Wetterkapriolen sehr anständig ausgefallen ist.

Wenn man dann noch bedenkt, dass ein erheblicher Teil der deutschen Ackerflächen zur Erzeugung nutzlosen „Ökostroms“ im Zuge einer gescheiterten „Energiewende“ missbraucht wird, verliert das ganze Gerede vom unzureichenden Erntesegen vollends seinen Sinn, außer dem, noch mehr Subventionen abzuschöpfen. Ein Fünftel der deutschen Anbaufläche dient heute der Kultivierung von Mais, der noch in den 1960er Jahren in manchen Bundesländern unbekannt war. Knapp 40 Prozent der Ernte landet in Biogasanlagen. Mais verbraucht Unmengen an Wasser und ist Gift für die Böden, die Monate lang brach liegen und der Erosion ausgesetzt sind. Vom chemischen Pflanzenschutz ganz abgesehen.

Immerhin einen Lichtblick gibt es im notorischen deutschen Agrar-Jammertal. Die Fruchtsaftindustrie freut sich über die Erträge der Streuobstwiesen. Man rechne mit einer Ernte von 850.000 Tonnen, viermal so viel wie 2019. Der Nachschub an naturtrübem Bioapfelsaft für die geneigte Öko-Bourgeoisie dürfte also gesichert sein. 

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Dr. Claus Brüning / 31.08.2020

Immer neue Auflagen und Verordnungen (siehe Düngeverordnung) bei unzureichenden Preisen machen das Leben der Bauern schwer, so dass es zu spontanen Traktorprotesten kam, vorbei am Bauernverband. Wann es es das je gegeben?  Die Stimmung, das kann ich ihnen versichern, ist hundsmiserable, und der Zorn auf diese Regierung nicht zu unterschätzen. Dieser Artikel von Herrn Etscheit ist einfach nur billige Polemik, und das schreibe ich ihnen als Nichtlandwirt.

Daniel Kirchner / 31.08.2020

Wenn es ans ernten geht, ist kaum etwas so wichtig wie die Marktpreise. Um diese zu stützen, müssen die schrecklichsten Szenarien an die Wand gemalt werden. Optimismus ist Dummheit. Umso informativer sind dann die Preise, wenn es um die tatsächliche Menge geht. Die diesjährige Weizenernte wurde durch eine geringere Anbaufläche gedrückt.  Die Hektarerträge bewegten sich auf hohem Niveau . In Frankreich litt die Weizenernte unter Feuchtigkeit im letzten Jahr.  Russland, Ukraine und Polen kompensieren das durch Rekordniveau. Bei Gerste lief es global fantastisch.

B. Ollo / 31.08.2020

Könnte das regelmäßig wahrgenommene Jammern vielleicht daran liegen, dass der Bauernverband die unterschiedlichsten Erzeuger von unterschiedlichsten Produkten vertritt, die auch sehr unterschiedlich spezialisiert sind? Gäbe es für jedes Produkt einen eigenen Verband (Verband der Weizenbauern, der Kartoffelbauern, der Salatbauern, der Zuckerrübenanbauer, ..., beliebig weit differenzierbar) gäbe es jedes Jahr sehr differenzierte Meldungen. Vermischt wird es ja nur beim Rezipienten. Nun Vertritt ein großer Verband alle spezialisierten Betriebe so, als würde ein Industrieverband alljährlich die Konjunktur aller Industrie-Branchen beurteilen - zumindest würde es so wahrgenommen werden. Der imaginäre Industrie-Verband beklagt beispielsweise in einem Jahr, dass der Absatz von Diesel-Fahrzeugen schrumpft. Herr Etscheit und andere machen daraus, dass die Pharmabranche oder der Maschinenbau schon wieder am Jammern wären. Nein. Es sind die am Jammern, die Diesel-Fahrzeuge produzieren und auch nicht die Papierindustrie.

Steffen Huebner / 31.08.2020

Fängt der Bauer an zu klagen, will er nur `nen größ‘ren Wagen.

Hubert Bauer / 31.08.2020

2018 haben die Landwirte geklagt weil es zu kalt war, 2019 haben sie geklagt weil es zu trocken war und 2020 klagen sie weil der neue E-Klasse-Mercedes so eine lange Lieferzeit hat. Ja, es gibt notleidende Landwirte, aber eigenartigerweise klagen diese selten, sondern eher die reichen Großbauern.  Und stirbt der Bauer im Oktober, braucht er im Winter keinen Pullover.

Wolfgang Kaufmann / 31.08.2020

Der alte Witz mit den Wahrsagerinnen funktioniert auch hier: „Treffen sich zwei Bauern. Dir geht’s schlecht, wie geht’s mir?“

Wolfgang Kaufmann / 31.08.2020

Gerüchten zufolge kaufen die Bauern ihren Kindern mit Absicht Stiefel, die zwei Nummern zu klein sind. Damit sie beizeiten das Jammern lernen. – Nein, liebe Bauern, wenn ihr statt Subventionen abzugreifen lieber marktgerecht produziert, dann klappt das auch. Und wenn sich Milch nicht mehr lohnt, dann züchtet lieber Fleischrinder, statt euch wegen der Subventionen noch eine zweite Herde Milchkühe in den Stall zu stellen. Viele Kunden verlangen inzwischen Qualität und kein agronomisches Junkfood wie euer turbogemästetes Jungbullenfleisch. – Wie heißt eigentlich die männliche Form von Milchmädchenrechnung? Laktosedyskalkulie oder Marktintoleranz?

arthur brems / 31.08.2020

Mein Schwiegervater selig hat immer gesagt: Wenn ein Bauer jammert, muss man ihm einen gesunden Zahn ziehen!

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