Helmut Ortner, Gastautor / 05.09.2024 / 16:00 / Foto: Parpan / 16 / Seite ausdrucken

Artikeltyp:Meinung

Kirchen: Ende des Geld-Segens?

Für Jahrhunderte zurückliegende Enteignungen erhalten die Kirchen noch immer Entschädigungen vom Staat in Millionenhöhe. Die Ampelregierung will das beenden – gegen den Widerstand der Länder und der CDU.

Wenn man Menschen – ganz gleich, ob gläubig oder ungläubig – die sogenannten „Staatsleistungen“ an die Kirchen zu erklären versucht, trifft man auf Kopfschütteln. Kaum jemand weiß davon. Es geht dabei nicht um staatliche Zahlungen, etwa für den Betrieb von Kindergärten, Krankenhäusern, Pflege- und Seniorenheimen, die ohnehin fast vollständig von öffentlichen Haushalten (also von allen Steuerzahlen) an Caritas oder Diakonie geleistet werden. Nein, die Kirchen bekommen das Geld als – salopp formuliert ­– „Ausgleichzahlungen“ aufgrund der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts. Zur Zeit der napoleonischen Kriege wurden die geistlichen Territorien und Kirchengüter des „Heiligen Römischen Reichs“ säkularisiert, das heißt, sie wurden der Hoheit der größeren weltlichen Landesfürsten unterstellt. Der Staat verpflichtete sich im Gegenzug gegenüber den Kirchen dazu, sie für ihre Verluste zu entschädigen. Konkret zahlen alle Bundesländer – mit Ausnahme von Hamburg und Bremen – damit etwa teilweise Gehälter des Klerus, darunter von Bischöfen und Pfarrern. Große Anteile gehen in sogenannte „Bau-Dotationen“, also Gelder für den Erhalt von Kirchen.

Dabei wurde schon vor gut hundert Jahren in die Weimarer Reichsverfassung die Pflicht aufgenommen, diese Leistungen abzulösen. Das Grundgesetz übernahm diese Vorgabe in Artikel 140. Doch bis heute ist nichts passiert. Der Staat zahlt, die Kirche kassiert. Ein permanenter Verfassungsbruch. Und so erhalten die beiden großen Kirchen in Deutschland jedes Jahr hunderte Millionen Euro vom Staat. Rund 618 Millionen Euro waren es zuletzt. Auch diejenigen Steuerzahler zahlen für die Kirchen, die nichts damit zu tun haben – und das werden Jahr für Jahr mehr. Im vergangenen Jahr traten allein aus der katholischen Kirche rund 402.000 Menschen aus, die evangelische Kirche verlor 2023 mehr als 380.000 Mitglieder. Immer weniger Mitglieder, dennoch konstante Einnahmen. Verglichen mit den Einnahmen der Kirche aus der Kirchensteuer – rund 6,52 Milliarden Euro im Jahr 2023 – sind die „Staatsleistungen“ nur eine Nebeneinkunft der Kirche.

Doch damit soll es nun ein Ende haben. Eine interfraktionelle Fachgruppe von SPD, FDP und Grüne arbeitet einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge an einem Gesetzentwurf, um die Staatsleistungen an die Kirchen zu beenden. Im Herbst soll – wie 2021 im Koalitionsvertrag vereinbart – nun endlich ein Gesetzentwurf vorgelegt werden.  „Es geht darum, die finanziellen Verflechtungen zwischen dem Staat und den Kirchen zu kappen“, sagt der religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, der FAZ. Die Länder sollten selbst wählen, ob sie den Kirchen Geld zahlen wollen oder ihnen Grundstücke, Wald oder Wertpapiere übertrügen. Doch die Länder lehnen das Vorhaben rundum ab.

Verflechtungen zwischen Staat und Kirchen kappen

 „Es wäre dem deutschen Staatsaufbau angemessener, ein zustimmungspflichtiges Gesetz vorzulegen“, lässt der Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt, Rainer Robra, ebenfalls in der FAZ verlautbaren und warnt vor einem Alleingang auf Bundesebene. „Angesichts der knappen Kassen wäre es klüger, die Ablösung der Staatsleistungen weiter zurückzustellen“, rät der CDU-Politiker, denn dieses eher vage Bundesgesetz käme zur „Unzeit”. Aus seiner Partei kommt noch ein anderer Vorschlag. Günter Krings, der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, möchte demnach nicht die Staatsleistungen, sondern stattdessen die entsprechende Vorgabe aus dem Grundgesetz streichen. Er ist der Meinung, dass sich „das Staat-Kirche-Verhältnis seit 1919 auch ohne Ablösung der Staatsleistungen gut eingespielt" habe. Daher stelle sich die Frage, ob der Verfassungsauftrag noch zeitgemäß sei und durch eine Änderung des Grundgesetzes nicht abgeschafft werden könne.

Gut eingespielt? Hier spricht ein Kirchen-Lobbyist. Krings ist evangelisch und engagiert sich zum Beispiel im Evangelischen Arbeitskreis der CDU, auch ist er Mitglied der Kreissynode Gladbach-Neuss. Sein Credo: Alles so lassen, wie es ist.

Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ergeben sich kumuliert Zahlungen an die Kirchen von etwa über 21 Milliarden Euro. Hinzu kommen vollständige staatliche Zahlungen für kirchliche Trägerschaften von Krankenhäusern, Kindergärten und Pflegeeinrichtungen. Auch für Restaurierungen kirchlicher Immobilien sowie für den Denkmalschutz kommt Geld aus der Staatskasse. Darüber hinaus genießen die Kirchen umfangreiche Steuer- und Abgabenprivilegien. Mit einem soliden Finanzpolster, das die gesetzliche Kirchensteuer den Kirchen garantiert, dürfen die Glaubensverwalter auch in Zukunft rechnen – trotz rasantem Mitgliederschwund.

Die Ampel-Regierung will dem staatlichen Geld-Segen nun ein Ende setzen und den permanenten Verfassungsbruch mit einer Einmalzahlung beenden. Gestritten wird über die Höhe der Ablöse-Leistungen. Nach einer Analyse des Instituts für Weltanschauungsrecht, das sich einer säkularen Rechtspolitik verpflichtet fühlt, könnte es sich unter Berücksichtigung bisheriger Voraus- und Überzahlungen auf eine Ablösesumme von rund 135 Millionen belaufen. Das aber ist den Kirchen zu wenig – und den Ländern zu teuer. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Der „Zentralrat der Konfessionsfreien“ fordert deshalb die Bundesregierung auf, den Widerstand der Bundesländer gegen die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen durch eine drastische Reduzierung der Einmalzahlung aufzulösen. So könne der Verfassungsauftrag und der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien eingelöst werden. Dafür ist es höchste Zeit. Doch das Schlusswort haben die Länder.

 

Helmut Ortner hat bislang mehr als zwanzig Bücher, überwiegend politische Sachbücher und Biografien veröffentlicht. Zuletzt erschienen: „Widerstreit: Über Macht, Wahn und Widerstand“ und „Volk im Wahn – Hitlers Deutsche oder Die Gegenwart der Vergangenheit“. Seine Bücher wurden bislang in 14 Sprachen übersetzt.

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Leserpost

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L. Bauer / 06.09.2024

Herr Ortner, ihr Artikel enthält einen entscheidenden Fehler! Deswegen macht er auch keinen Sinn. Denn die Summe der einmaligen Abschlagszahlung, die schon vor einem halben Jahr geschätzte, ist nicht 135 Millionen, sondern 135 Milliarden! Und da sieht das Ganze nämlich schon ganz anders aus. Die das vorschlagen, wollen doch am Ende nicht sofort gesteinigt werden, die haben doch mehr Schixx als Vaterlandsliebe. Die Summe bedeutet nämlich nochmal ausgesorgt für zwanzig Jahre wenn man es runterrechnet. Damit sind die natürlich auch nicht einverstanden die Heiligen, weil sie den Hals nie voll genug kriegen können. Und die meisten Besitztümer hat die Kirche doch im Laufe der Zeit sowieso geraubt, oder unrecht erworben. Wofür entschädigen?

S. Martinus / 05.09.2024

Staatsleistungen aufgrund von mehreren Dutzend Staatskirchenverträgen von rund 600 Mio. Euro sind rund 0,1 % der Staatsausgaben 2023 von rund 473 Mrd. Euro. Es geht keineswegs vorwiegend um Alimentierung von Bischöfen, sondern auch um den Unterhalt von Denkmälern und Kulturgütern. Siehe Wikipedia-Artikel “Staatsleistungen” und “Staatskirchenvertrag”, oder mal nach “kirchen ablösung staatsleistungen” googeln und auch die andere Seite hören: Die Kirchen sind seit Jahren gesprächsbereit, aber ein Ampel-Haushaltsloch von mehreren Milliarden Euro und die Knebelung der deutschen Wirtschaft widerspricht Milliardenausgaben für abgezinste Ablösezahlungen. Abgesehen davon sind Annuitäten auch für den Staat vorteilhafter (Inflation). Die Staatsleistungen an die EKD sind mit 2,2 % des Budgets prozentual wesentlich weniger, als so manche NGO und Kultureinrichtung an (politisch interessegeleiteter) Förderung bekommt, Stichwort “Demokratie Leben” mit 182 Mio. Euro Geldregen in 2023. Nebenbei bekommen auch die Humanisten (ca. 1,1 Mio. Euro) und jüdische Gemeinden/ZdJ (ca. 81 Mio. Euro) Staatsleistungen – möchte Herr Ortner die auch abgeschafft sehen? Warum hat Herr Ortner als Mitglied des Beirats der Giordano-Bruno-Stiftung nicht schon längst erwirkt, dass die Humanisten mit gutem Beispiel voran gehen und auf Staatsleistungen verzichten – ganz im Sinne der Trennung von Staat und Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften?

Matthias Ditsche / 05.09.2024

Seit den französischen revolutionären Invasionstruppen ab 1797 das Rheinland in die Hände fiel und besetzten, fanden die Enteignungen der Kirchen nach französichen Recht statt. Im August 1806 legte Kaiser Franz die Krone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nieder, das damit nicht mehr existierte, vorausgegangen waren die zum „Rheinbund“ zugehörigen 16 Territorien mit ihrem Austritt aus dem Reichsverband. Natürlich unter Napoleons Zwang. Die vorherigen Kurbischöflichen Gebiete von Köln, Main und Trier wurden aufgelöst. Infolgedessen kam es ab 1804 zum Reichsdeputationshaupschluß, die Enteignung der Kirchen und Klöster und deren Zuschlagung an weltlicher Territorialherren. Daraus resultieren die bis heute als Kirchensteuer zu zahlenden Abgaben der Gläubigen und die aus Steuermitteln erbrachten Zahlungen an die Kirchen. Es wäre an der Zeit, den Kirchen ihre Sonderrechte zu entziehen und wie ein Unternehmen zu behandeln, denn sie sind ausschließlich am Gewinn orientiert. Seelenheil ist unter ferner liefen.

Stefan Riedel / 05.09.2024

Also Insolvenz anmelden? Als Glaubensgemeinschaft sowieso? Und als Staatsschmarotzer, Bundesland ist abgebrannt, “Pädokäfer” flieg?

S.Buch / 05.09.2024

Da es sich ohnehin nicht mehr um Kirchen, sondern um linientreue, woke Klimasekten handelt, ist die Zwangsfinanzierung schon aus diesem Grund zu beenden. Mindestens bis 2015, also dem Jahr von Merkels illegaler Grenzöffnung unter dem lauten Beifall der immer noch Kirchen genannten Sekten, sind die „Ausgleichszahlungen“ zudem zurückzufordern. Ich empfinde es zudem als Diskriminierung, dass ich als Nicht-Kirchenmitglied Steuern, mithin Zwangsabgaben, für dieses zutiefst verkommene System zahlen muss.

Bertram Scharpf / 05.09.2024

Die Kirchen sind immer noch eine viel zu wichtige Säule im grünistischen Machtgefüge. Solange sie fleißig mit gegen die Opposition hetzen, wird ihnen die Unterstützung nicht entzogen. Erst wenn Islamisierung weit genug fortgeschritten ist, kann man die Alimentierung einstellen.

Burkhard Mundt / 05.09.2024

Beim Geld hört die Trennung von Staat und Kirche auf.

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