Karl Pfeifer / 24.04.2008 / 12:04 / 0 / Seite ausdrucken

Kindheit voller Traumata

Warum werden andere Maßstäbe bei Palästinensern angesetzt? Woher kommt diese ständige Rechtfertigung schrecklicher Taten mit angeblichen oder wirklichen Traumata der dritten, vierten und langsam der fünften Generation?

Diese Fragen kamen mir nachdem ich in der heutigen Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Susanne Klingensteins positive Rezension des Buches von Aliza Olmert „Ein Stück vom Meer“ las.

Die Rezensentin kommt zum Schluss: „In Israel ist Frau Olmert sowohl für ihren Einsatz zugunsten vernachlässigter Kinder als auch für ihre progressive politische Einstellung bekannt. Unschwer lässt sich der Bezug des Romans zur Wirklichkeit erkennen: Die brutale Herauslösung der Eltern aus allen sozialen Bezügen führt in der nächsten Generation zu einer Kindheit voller Traumata.

Hat diese Erkenntnis eine politische Dimension? Nicht in diesem Buch. Die Familie Meller ist ja in ein Haus eingezogen, deren arabische Vorbesitzer sich 1948 abgesetzt hatten. Von den Traumata dieser Kinder lesen wir nichts in Olmerts Buch – vielleicht weil sie jedem Israeli jeden Tag so feurig vor Augen stehen.“

Dieser Logik kann ich nicht folgen. Denn in keinem anderen Fall von den Dutzenden Millionen Flüchtlingen nach 1945 kommt es heute zu Traumata in der dritten, vierten oder fünften Generation. Hier könnte der Eindruck entstehen, Palästinenser hätten ein besonders grausames Schicksal erfahren.
Doch wenn ich an die Beraubung meiner Familie in Österreich 1938 denke, daran, dass ich als 10jähriger mit einem Köfferchen von hier flüchten müsste, dann weiß ich, dass deswegen kein Österreicher in der dritten oder vierten Generation irgendetwas „feurig vor den Augen“ stehen hat. Und das ist gut so.
Niemand hatte so viel Grund Rache zu üben, wie überlebende Juden die von der deutsch-österreichischen Volksgemeinschaft allein weil sie Juden waren zum Mord ausersehen wurden. Doch entgegen dem – aus dem christlichen Antisemitismus stammenden - eingewurzelten Sprachbild „Auge für Auge, Zahn für Zahn“ und der „alttestamentarischen Rache“, kam es nicht dazu.

Andererseits berufen sich diejenigen, die den Islamismus hier schönreden, immer wieder darauf, dass doch die Juden in diesem arabischen Land Palästina nur als Dhimmi – geduldet und nicht als Nation leben dürften. Die Islamisten möchten sogar ein judenreines Palästina haben.

Man muss schon auf die Verantwortung der palästinensischen und arabischen Politiker hinweisen, die vielleicht mit der rühmlichen Ausnahme von Jordanien alles in ihrer Macht stehende daran gesetzt haben, damit Traumata perpetuiert werden, damit jemand, der/die in vierter Generation außerhalb Israels lebt nicht integriert wird und erreicht haben, dass man jedes Verbrechen, dass Palästinenser gegen Israelis aber auch untereinander begehen, damit erklärt, dass Hunderttausende Araber aus dem Heiligen Land vor 60 Jahren geflohen sind. Dabei wird verschwiegen, dass auch Hunderttausende Juden damals aus arabischen Ländern nach Israel fliehen mussten und dort - mit allen Schwierigkeiten und Problemen – integriert wurden.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Karl Pfeifer / 25.11.2009 / 08:00 / 0

Etikettenschwindel in 3sat Kulturzeit

Ein Bericht von Horst Brandenburg in Kulturzeit von 3sat am 24. November 2009 über den israelischen Architekten Eyal Weizmann, der am Goldsmith College in London…/ mehr

Karl Pfeifer / 26.07.2009 / 01:37 / 0

Chuzpe auf jemenitische Art

Trotz der Gefahr, die auf Ausländer im Jemen lauert, setzen die dortigen Tourismusplaner auf rapide wachsenden Tourismus. Die Nachrichtenagentur AP berichtete Mitte Juni 2009, dass…/ mehr

Karl Pfeifer / 29.06.2009 / 22:29 / 0

Stille Post aus Lübeck und aus Köln

Zwei Rezensionen Stille Post aus Lübeck Der christlich-soziale Wiener Politiker und Radauantisemit Hermann Bielohlawek erklärte einmal: „Literatur is, wos a Jud’ von an anderen abschreibt.“…/ mehr

Karl Pfeifer / 01.10.2008 / 17:39 / 0

Der diskrete Charme der Konvertiten

Der ORF hat am 30. September 2008 eine Sendung über den „Charme Allahs“ [1] ausgestrahlt, die sich zu erklären bemühte, “Warum Menschen zum Islam wechseln”.…/ mehr

Karl Pfeifer / 03.04.2008 / 17:45 / 0

Was man den Juden nicht verzeiht

Der Bischof, das Prinzip Auge um Auge und die Nächstenliebe der Antisemiten http://www.juedische.at/TCgi/_v2/TCgi.cgi?target=home&Param_Kat=16&Param_RB=&Param_Red=9632 / mehr

Karl Pfeifer / 28.02.2008 / 21:58 / 0

Gedanken zu einer Einladung

Ich habe mich mein Lebtag geschämt, ein Österreicher zu sein, und nie mich dieser Scham geschämt, wissend, daß sie der bessere Patriotismus sei.[1] Karl Kraus…/ mehr

Karl Pfeifer / 12.01.2008 / 12:59 / 0

Sternstunden der Islamophobie

Die Website Islamophobie, die in der Regel von Selbstmitleid trieft und immer wieder unpassende Vergleiche zwischen Juden und Muslimen zieht, hat wieder einmal so einen…/ mehr

Karl Pfeifer / 09.01.2008 / 04:58 / 0

Judt & Company

Es ist schon bemerkenswert, mit welch simpler Strategie die selbst ernannten „Israelkritiker“ in aller Regel der Feststellung, dass ihre Positionen zum jüdischen Staat antisemitische Züge…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com