Kinderleicht: Söders Corona-ABC

So geht das nicht weiter. Da gibt man sich als Politiker und Landesvater Mühe, und dann fallen einem die eigenen Bürger und größtenteils Wähler in den Rücken und können es nicht lassen, sich gegenseitig mit Corona anzustecken. Kein schöner Zug. Deswegen hat Markus Söder beschlossen, die sogenannten „Corona-Regeln“ weiter zu verschärfen: Durfte man bisher im Freistaat das Haus nur aus wichtigem Grund (Einkaufen, Sport, Arbeit, Arztbesuch) verlassen, so darf der/die Bayer_In  jetzt nur noch zum Einkaufen, Sport, Arbeit und Arztbesuch auf die Straße. Aber nur bis 21 Uhr. Danach sieht es zappenduster aus.

Außerdem gibt es neue Vorschriften zu Weihnachten: Wenn ich das richtig verstanden habe, dann dürfen sich zwischen dem 23. Dezember und dem 26. Dezember bis zu 10 Personen aus bis zu 10 unterschiedlichen Haushalten (ohne Kinder und Haustiere) oder 50 Personen aus 5 Haushalten oder 100 Personen aus einem Haushalt sehen, wenn sie eine Nikolausmaske tragen und es noch vor 21 Uhr ist, weil dann gesoffen wird und sich die Bayer_Innenden dann um den Hals fallen und abknutschen.

Es darf aber auch jeder für sich allein bescheren, was eine schöne Bescherung ist und sich über Skype oder andere technische Hilfsmittel mit Genähnlichen in Verbindung setzen, es sei denn, es ist Donnerstag. An Silvester werden die Regeln wieder verschärft und am Bahnhof darf jeweils nur eine Person aus einem anderen Haushalt und einem anderen Geschlecht am Bahnhof betatscht werden, wenn man einen Mundschutz trägt und einen Personalausweis oder ein Aufenthaltsvisum vorzeigen kann.

Ansonsten gilt vor allem draußen ein striktes Aufenthaltsverbot, selbst wenn man vorher mit der U-Bahn, dem Zug oder einem Bus angereist ist, der voller war als eine russische Tankerbesatzung bei einem Landgang nach 6 Monaten Fahrt. Wer doch draußen angetroffen wird – vor allem nach 21 Uhr und mit einem Glühwein –, muss mit einer öffentlichen Hinrichtung oder Schlimmerem rechnen, weil er eine unsolidarische Drecksau ist.

Erlaubt ist das Tunken der Maske ins Essen

Vorbildlich wird bei uns im Schtetl die sogenannte Maskenpflicht durchgesetzt: Es gilt in der gesamten Fußgängerzone Maskenpflicht, außer, wenn es keine Fußgängerzone (wie in der Passage zwischen Sand- und Riesengasse) ist, da kann man sie abnehmen. In privaten Einfahrten geht das ebenfalls, wenn einem die private Einfahrt selbst gehört, aber da hat ja auch kein Anderer was zu suchen, außer er ist von der Post oder Amazon. Ferner kann man die Maske abnehmen, wenn man raucht UND sich NICHT bewegt, zum Essen kann man die Maske auch abnehmen, MUSS sich aber dann bewegen, sonst droht ein Ordnungsgeld.

Erlaubt ist ferner, seine Maske in Suppe zu tunken und sie dann von innen abzulecken. Ungeklärt ist, ob man nun rauchen darf, wenn man gleichzeitig isst und sich bewegt oder ob man zum Essen im Stehen rauchen muss, damit es nicht strafbar ist. Ebenfalls ungeklärt ist, ob man sich zum Trinken bewegen muss oder stehen bleiben kann und ob „Sitzen“ erlaubt oder verboten ist, wenn sich eine Person aus dem gleichen oder einem weiteren Haushalt mit auf der Bank befindet und ob dieses etwas essen oder rauchen muss.

Und ob das Lesen eines Buches – wie im Frühjahr – erlaubt ist, wenn man allein ist und dabei isst oder raucht. Ebenfalls unklar ist, ob man bei diversen Läden jetzt ab 18 Uhr mit dem Auto in der Fußgängerzone vorfahren darf, um sich das Hendl abzuholen und ob man beim Brüllen aus dem Fenster nun Maske tragen muss oder nicht, weil man sich ja im Grunde im Auto – aber eben mit diesem in der Fußgängerzone – befindet. Und ob man unmaskiert Fahrradfahrende dann vom Rad treten darf, wenn diese nichts dabei essen oder rauchen. Insgesamt haben wir hier noch sehr viele Lücken. Und da haben wir noch gar nicht geklärt, ob nun Hunde oder ihre Leinenhalter_Innen einen Maulkorb tragen müssen oder beide oder keiner, wenn der Hundehaltende dabei raucht und stehenbleibt und die Distanz von Hund_Innen zu Passanten wenigstens 1,50 Meter beträgt oder sich eine Schlange vorm Discounter größer als 100 Meter gebildet hat.

Keine Maske, wenn man tot ist

Sex mit einer weiteren Person aus dem eigenen Haushalt bleibt auch nach 21 Uhr erlaubt, sofern es sich nicht um direkte Vor- oder Nach- oder Seitenfahren der eigenen Blutlinie handelt, was in einigen bayerischen Orten nicht ganz einfach durchzusetzen sein wird. Aber das Licht darf dabei gelöscht werden, die Mitarbeiter des Ordnungsamtes bekommen Nachtsichtgeräte und Restlichtverstärker, Single-Haushalte unter zwei Bewohnern ebenfalls. Man gönnt sich ja sonst nichts. Außer einer Gebührenerhöhung.

Wer nun einen Angehörigen im Pflegeheim oder einer vergleichbaren Einrichtung hat, der darf ihn besuchen, aber nur, wenn es unbedingt sein muss, er sich 24 Stunden vorher anmeldet, eine FFP2-Maske oder eine ABC-Schutzausrüstung der Bundeswehr trägt und ein nicht älter als 24 Stunden altes Attest besitzt, dass er coronafrei ist (und nicht coronafrei hat) und sich nackend durch die Entseuchungsstation am Eingang schleusen lässt, in der ihn das qualifizierte Personal keimfrei reinigt oder auf der Stelle tötet, falls sich das Killervirus fände.

Die bayerischen Gaststätten dürfen öffnen, wenn sie im Gastraum die Mindestabstände einhalten, die Tische mit Plexiglasscheiben getrennt und teurere Luftfilter als die NASA im Space-Shuttle eingebaut hat, denn dann ist ein Außer-Haus-Verkauf bis 21 Uhr abends, außer an hohen kirchlichen Feiertagen, möglich. Betreten werden dürfen Gasträume selbstverständlich nicht, wie haben hier ja keine Anarchie. Künstler dürfen in Bayern nach wie vor öffentlich auftreten, sofern sie das von zu Hause und über YouTube tun. Allerdings sollten sie sich dabei nicht erwischen lassen, wenn sie ihre Novemberhilfe nicht erst im Januar ausgezahlt bekommen möchten.

Positiv: Keine Maske muss getragen werden, wenn man allein zu Hause oder allein im Auto oder beides gleichzeitig ist. Und wenn man tot ist, es sei denn, man ist in der Öffentlichkeit umgekippt. Dann wieder schon. Wer ganz sicher gehen möchte, nichts falsch zu machen, schließt sich einfach zu Hause ein und verhungert. Oder frisst sein Toilettenpapier.

(Weitere Vor- und Ab- und Nachschriften des Autors auch unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.   

Foto: Imago/CC BY 2.0 via Wikimedia Commons Collage-Achgut.com

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Leserpost

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Ralf Wetschera / 08.12.2020

Vielen Dank für das södersche Corona-Nachschlagewerk. Jetzt weiß ich Bescheid, wenn ich meiner alten Heimat wieder einen Besuch abstatte. Aber eine Frage habe ich: Zwischen Riesengasse (Gully) und Sandgasse ist doch das Feuergäßchen (früher war da ein Musikhaus, jetzt ein Friseur)...oder täusche ich mich da.

Andreas Rochow / 08.12.2020

Danke, verehrter Thilo Schneider. Gut dass Sie die Maßnahmen hier nochmal so übersichtlich und anschaulich dargestellt haben. Alles Andere ist ja vom gütig-besorgten weiß-blauen Landesherrn weiterhin erlaubt! Schuld an der Wirkungslosigkeit der Maßnahmen können nur der undiszipliniert fressende, saufende, liebende, atmende, sich an der frischen Luft bewegende Bayer und die Bayerin sein. Eines Beweises dafür bedarf es in Lockdown-Zeiten nicht, den vertagen wir auf später.

Hans-Peter Dollhopf / 08.12.2020

Als ich gestern Nacht vom Balkon auf die ausgangsgesperrte Straße hinunterlausche, war es so still. Aus dem bunten Babel ist ein friedliches mitternächtliches Dorf geworden. Vor dem Coronakrieg war es laut zugegangen unten auf der Straße in der Nacht. Das Laute hatte sich fremder Zungen bedient und waren einige deutsch-artige Laute dazwischen, dann hatten sie psychotisch angemutet. Die Musik aus der Wettkneipe, drei Hausnummern weiter, war mit fortschreitender Stunde immer orientalischer geworden. Die zwanzigköpfige Belegschaft des kleinen Afrikashops hatte bis spät ihre Tageseinnahmen vor der Tür gefeiert. Die Poserautos waren laut angeprescht, hatten in die Feuerwehrzufahrten eingeparkt und ihre Muskelautomusik aufgedreht. Ein duzend Armfuchtler hatten gleichzeitig mit den entlegensten Orten Afrikas und Mittelasiens telefoniert und weil die so weit weg sind, hatten sie dabei brüllen müssen. Türksiche Kleinkinder hatten ihren Dominananspruch gekrischen. Dazwischen hatte immer wieder einmal der Abholservice des Roten Kreuzes seine Sirene aufheulen lassen, während einer der sturzbetrukenen Straßenpolen vom Gehweg gekratzt worden war. Das alles ist gerade nicht mehr so, um Mitternacht. Es ist, wie es vorher hätte sein sollen. Und ich hoffe, dass meine Ersparnisse mir den Aufenthalt in solchen Nächte noch ein klein wenig länger möglich machen werden.

Adrian Lauber / 08.12.2020

@ M.-A. Schneider: Ich fürchte, die Leidensfähigkeit der Deutschen hält noch viel mehr aus. Ich hoffe innig, dass ich mich gründlich irre, aber wenn ich dort, wo ich wohne, die vielen (auch jungen!) Leute sehe, die alleine an der frischen Luft voll vermummt herumlaufen oder so im abgeschlossenen Auto sitzen, fürchte ich, dass erhebliche Teile der Gesellschaft bereits in eine Art kollektive Angsstörung hineingetrieben wurden durch die allgegenwärtige Hysterie. Ich fürchte, eine Rückkehr zur Normalität, zum Leben vor der Pandemie, wird es zumindest auf absehbare Zeit tatsächlich nicht geben, weil die hysterisierte Gesellschaft dazu psychologisch gar nicht mehr in der Lage ist.

B.Kröger / 08.12.2020

Klasse Herr Schneider, einfach Klasse! ” Und ob das Lesen eines Buches – wie im Frühjahr – erlaubt ist, wenn man allein ist und dabei isst oder raucht.” und sich nicht bewegt….. Bitte lieber Herr Schneider,  mehr von diesen existenziellen Fragestellungen!

Jörg Themlitz / 08.12.2020

Als Minderkonsument vom DDR Fernsehen 2.0 kann ich es natürlich nicht umfänglich beurteilen. Aber mir (wie dem Autor) ist aufgefallen, Corona Filmberichte stammen aus Einkaufzentren, Fußgängerpassagen usw. Nie aus der morgendlichen, überfüllten U-, S- und Straßenbahn. Zu gefährlich für die “Journalisten”? Dann die Frage warum gefährlich, Virus oder auf die Fresse bekommen? “...und ob man beim Brüllen aus dem Fenster nun Maske tragen muss oder nicht.”, Brüllen aus dem Fenster umschrieb bei der Armee und in meiner studentischen Zeit den Vorgang, der auf dem Schild in Tübingen zu lesen ist. “Hier kotzte Goethe”, Mit oder ohne Maske?

T. Schneegaß / 08.12.2020

@Michael Schröder: Ich kann Ihnen die Spannung nehmen: für immer! Und ich kann Ihnen auch garantieren, dass das nicht mal die Terroristen für möglich gehalten hätten, deshalb sind sie vorsichtig Schritt für Schritt vorgegangen. Und was haben sie dabei festgestellt? Dass es gar nicht nötig gewesen wäre, die Schafe nach dem ersten Lockdown aus der Koppel zu lassen.

Anton Weigl / 08.12.2020

Des waren noch Zeiten, als Helmut Schmidt Bundeskanzler war und in Bayern Franz Josef Strauß zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Niemand konnte damals einen nicht genehmen Ministerpräsidenten verhindern. Auch die öffentlich rechtlichen Sender nicht. Die konnten plärren was sie wollten.

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