Manfred Haferburg / 23.01.2019 / 11:00 / Foto: Palickap / 19 / Seite ausdrucken

Kindergeld ins Ausland? Der Türkei-Anteil wird verschwiegen

Zeitunglesen will gelernt sein. Die Ossis hatten ein 40-jähriges Vollzeitseminar im Trennen von der manipulativen Halbwahrheiten-Spreu und dem Wahrheits-Weizen. Zeitunglesen hatte in der DDR viel mit Masochismus zu tun. Da wurde berichtet, dass die Rentner der „BRD“ sich von Katzenfutter ernähren (das hatten sie vom Spiegel), dass die DDR zu den führenden Industrienationen gehört (das hatten sie auch vom Spiegel), dass die Bürger der DDR die Politik der Partei- und Staatsführung mit überwältigender Mehrheit begeistert unterstützten und dass die Mauer zur Abwehr der faschistischen Imperialisten und ihrer Pläne zur Zerstörung des Aufbaus des entwickelten Systems des Sozialismus gebaut wurde. Wer wissen will, wie sich das in der DDR anfühlte, kann den Roman „Wohn-Haft“ lesen.

Den gelernten Ex-DDRlern kommt diese sozialistische Fähigkeit des zwischen-den-Zeilen-Lesens heute wieder voll zugute. Das ärgert natürlich die Relotiusse unter den Journalisten, deshalb qualifizieren sie auch gern die Ossis als bräunlich angehauchte Abgehängte ab. Ein besonders giftiges Exemplar der Relotiusgilde stellte sogar fest, dass Ossis aussehen wie Pimmel mit Sonnenbrillen. Aber da kann der Journalist noch so geifern, der gelernte Ossi liest seinen Text und – pling-pling – gehen die Warnlampen an, während der gelernte Wessi vielleicht schon beim nächsten Artikel ist. Diese unzulässige Verallgemeinerung gilt natürlich NICHT für gelernte Achse-Leser. 

Für die Ossis hat heute wieder Zeitunglesen viel mit Masochismus zu tun, pressemäßig kommen sie nämlich aus der Zukunft. Sie sind sehr wachsam und merken, wenn Politik und Medien versuchen, sie zu verarschen. Wie sagt der Rabbiner? Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge. Dann ist bei Halbwahrheiten das Vertrauen futsch, und es ist nicht mehr weit bis zum gefürchteten Wort „Lügenpresse“. So ist es auch bei dem folgenden Fall. Es wird von Politik und Medien lieber nur ein Drittel der Wahrheit berichtet. 

Jährlich steigt die Summe an Kindergeld, das der Deutsche Steuerzahler in ferne Länder löhnt. An dieser Praxis halten unsere linken Weltretter eisern fest, auch wenn das deutsche Kindergeld für zwei Kinder im Ausland die Höhe des dortigen Durchschnittslohnes erreicht hat. So ist das eben beim Weltretten – zahlen müssen immer Andere. Deutsche Behörden haben 2018 Kindergeld in Höhe von rund 402 Millionen Euro ins Ausland überwiesen. Das geht aus der aktuellen Statistik der Familienkasse hervor. Die jährliche Steigerungsrate ist beängstigend, denn die Summe betrug im Jahre 2012 noch 75 Millionen. 

Da kommen natürlich dem forschesten Politiker dunkle Ahnungen, dass der Steuerzahler womöglich murren könnte ob der Steigerung dieser Beträge. Da lässt sich doch bestimmt statistisch etwas machen? In einem Artikel von Focus Money findet der wachsame Leser – gut versteckt – die in den offiziellen Zahlen andere fehlende Hälfte der Wahrheit: Das meiste Kindergeld geht in die Türkei, spielt aber in der Statistik keine Rolle. 

Mehr als 99 Prozent auf deutsche Konten

Mehr als 500.000 Personen mit türkischem Pass bekommen Kindergeld für Bezugsberechtigte im Ausland. Sie lassen sich das Geld aber zum größten Teil (mehr als 99 Prozent) auf deutsche Konten überweisen, und es wird daher in der Statistik nicht gezählt. 

Nun rechnen wir mal: 500.000 mal 190 Euro mal 12 Monate macht rund 1,1 Milliarden Euro, die nicht in der Statistik auftauchen, weil sie auf deutsche Konten für in der Türkei lebende Kinder gezahlt werden. Hier ist die halbe Wahrheit eine dreifache Lüge. Und diese Rechnung fußt darauf, dass nur ein Kind pro Person Kindergeld bezieht, ist doch die durchschnittliche Fertilität in der Türkei größer als zwei. 

Eine solche Statistik ist zutiefst unredlich – dem Steuerbürger und dem Medienkonsumenten gegenüber. Solche Tricks zeugen nämlich von mangelndem Vertrauen der Politiker und Journalisten in die Bürger. Wie soll der Bürger jemandem vertrauen, der ihm nicht selbst über den Weg traut. Die Eliten haben Angst vor dem mündigen Bürger und ziehen es vor, ihn insbesondere über heiße Eisen nicht zu informieren. Und „nicht informieren“ ist noch mit dem Mäntelchen der Nächstenliebe gesagt. Liebe Politiker der nichtmehr Volksparteien, so wird es nichts mit dem Wiedergewinnen von Vertrauen. So dumm, wie Ihr denkt, sind die Bürger nämlich nicht.

Und zum Abschluss noch ein kleines Beispiel, wie die Realität täglich statistisch auf den Kopf gestellt wird. „Das Vertrauen in die Institutionen ist in Deutschland am schlechtesten“, sagt eine der vielen Idiotenstudien. Besonders Frauen seien der Politik und den Medien gegenüber skeptisch, „weil sie sich „weniger mit Nachrichten auseinandersetzen“. „Je stärker sich Frauen aber informieren, desto mehr Vertrauen haben sie demnach auch in die Institutionen“. Soso, kritische Frauen sind also zu oberflächlich zum Zeitungslesen? Soviel Chuzpe, dem ist nichts hinzuzufügen.

Richtigstellung

zum Artikel „Kindergeld ins Ausland – Türkei-Anteil wird verschwiegen“

In dem Artikel habe ich unzureichend recherchiert und einen erheblichen Fehler gemacht. 

Asche auf mein Haupt: die Türkei gehört noch NICHT zur EU, daher ist das dorthin gezahlte Kindergeld viel niedriger. 

Für Kinder, die innerhalb der EU wohnen, gilt der Satz von 194 Euro pro Monat.

Für Kinder in der Türkei gelten folgende Sätze:

  • Für das erste Kind:                               5,11 €/Monat
  • Für das zweite Kind                             12,78€/Monat
  • Für das dritte und vierte Kind jeweils   30,68€/Monat
  • Für jedes weitere Kind jeweils              36,79€ Monat

Damit beträgt die Summe für die Fünfhunderttausend Leistungsbezieher, die nicht in der Statistik erscheint, nur etwa 30 Millionen. Verglichen zu der von mir angegebenen Milliarde tut das mir richtig weh.

Sorry, ich entschuldige mich für diesen Fehler bei meinen Lesern und bei den Statistikern von der Familienkasse. Soll nicht wieder vorkommen. Und einen Dank an die aufmerksamen Leser, die mir den Fehler mitgeteilt haben.

Foto: Palickap CC BY-SA 3.0, via Wikimedia

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Volker Meier / 23.01.2019

Randnotiz: Laut “Merkblatt über Kindergeld für türkische Staatsangehörige” der Bundesfamilienkasse betragen die Kindergeldsätze türkischer Staatsbürger für in der Türkei lebender Kinder bzw. für Kinder, die sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten • für das erste Kind 5,11 Euro monatlich, • für das zweite Kind 12,78 Euro monatlich, • für das dritte und vierte Kind jeweils 30,68 Euro monatlich, • für jedes weitere Kind jeweils 35,79 Euro monatlich. Gehen wir davon aus, daß niemand betrügt und sein Kind für in D lebend meldet, ergibt sich eine weit geringere Summe als die oben genannte 1 Milliarde Euro jährlich. Ich finde es schade, daß Sie nicht so weitreichend recherchieren, denn ich lese Ihre Seite wirklich gern und zitiere oft Ihre Artikel in Diskussionen. Hätte ich aber hier wieder zitiert und wäre an jemand informierten geraten, hätte ich mich ziemlich lächerlich gemacht. Schade!

Peter Müller / 23.01.2019

Das sind alles Dinge, die den “Bürger verunsichern” könnten. Sie sind zudem “Wasser auf die Mühlen” von, na, Sie wissen schon. Der bundesdeutsche Wohlstand wird ja von verschiedenen Seiten in die Zange genommen: EZB, ausufernde Kosten für einen Sozialstaat, der zunehmend von weniger Menschen finanziert, aber von immer mehr “Teilnehmern” beansprucht wird, kopflose Industrie- und Zuwanderungspolitik etc. Anzunehmen ist, dass diese Art der “Informationsaufbereitung” mit zunehmendem Druck durch die bisweilen doch recht unliebsame Realität zunehmen wird. Auch in der DDR konnte die Wirklichkeit ja nicht wirklich der medialen Deutung angepaßt werden. Aber der einstmals reale Sozialismus leuchtet bereits wieder. Berlin möchte etwa Wohnungen zurückkaufen, die man einst an “private Investoren” verscherbelt hat. Das dürfte teuer werden. Das “bedingungslose Grundeinkommen” - für Zuwanderer ohne Identitätsnachweis bereits gängige Praxis - lockt ebenfalls. Naja, das bunte Schlaraffenland ist bekanntlich ja nur “drei Meilen hinter Weihnachten”.  

S. Salochin / 23.01.2019

Warum kommt eigentlich nicht schon jeder zur Tür rein und holt sich bei uns raus, was ihm gefällt? Weg zu weit, Österreich und Ungarn ist zu. Na, da haben wir ja noch mal gehabt, Glück, Danke Märkel, Bundeskanzler gutt in Tschärmanie. Widerspruch: Die Leute sind offenbar dumm und bequem. Warum sonst 85% Blockparteien? Ich rede ja gar nicht davon, dass sie alle AfD wählen sollen (obwohl dass arithmetisch vernünftig wäre), aber der größte Teil, des ach so aufmerksamen Volkes wählt eben gerade diese Heinis, die ihn dann belügen, betrügen und verfolgen. Siehe Stuttgart (allen Ernstes: Kaminkontrolle wegen “Reichenfeinstaub”). In D braucht es keinen Diktator, sondern nur einen “guten Glauben”, dann stehen alle im Glied. (An “Eiern” mangelt es aber trotzdem.)

U. Langer / 23.01.2019

Was? Irgend so ein Pimmel hat behauptet, dass Ossis aussehen wie Journalisten mit Sonnenbrillen? Ist ja eine Frechheit!

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