Cora Stephan / 16.01.2018 / 18:00 / 11 / Seite ausdrucken

Kindergarten statt Lustgarten?

In Deutschland greifen medienaffine Mädels zum medienwirksamen Aufschrei, wenn alte, weiße Männer harmlose Anzüglichkeiten von sich geben oder altmodisch gut gemeinte Komplimente machen. Neuerdings bejubeln sie auch ein „drittes Geschlecht“, was frau praktischerweise der Unbequemlichkeit enthebt, sich über ein gedeihliches Verhältnis zwischen Mann und Frau Gedanken zu machen. Sicher doch: Wenn alle weder Mann noch Frau sind, ist die Welt ein Paradies.

Bis dahin ist der fluide Mann mit Wollmütze auf dem Kopf und Baby vor dem Bauch gerade noch akzeptabel.

Manch neuerdings zu uns migrierter edler Wilde sieht das anders. Doch wenn so einer mit weniger avanciertem Männerbild die Ebene der Belästigung verlässt und gegenüber Frauen (auch tödlich) handgreiflich wird, schreien sie nicht auf, die Schwestern. Ganz im Gegenteil: Sie schweigen.

In den USA erinnern sich gutbetuchte und spärlich bekleidete Damen Jahrzehnte später, dass sie ihren Aufstieg hässlichen weißen Männern verdanken. Jetzt rächen sie sich dafür: mit nicht zwangsläufig wahrheitsgetreuen, jedenfalls schlecht überprüfbaren Berichten von der Besetzungscouch, auch schon mal mit Denunziation. Die Damen zeigen Gratismut – hochgeschlitzt, aber in Schwarz –, statt hilfreich den jüngeren Frauen zuzurufen: Begeht nicht unsere Fehler! Ihr müsst nicht auf die Besetzungscouch, wenn ihr nicht wollt! Verlasst euch auf eure Qualität. Und eine Hand auf dem Bein kann man ganz einfach beherzt woanders hinlegen.

James Bond wird demnächst von einer Frau gespielt.

Lieber sind sie willenlose Opfer. Virtue signalling – die eigene Tugend wird ausgestellt. Wenn dadurch, dank Generalverdacht gegenüber weißen Männern, die eine oder andere männliche Karriere zu Unrecht beendet wird – so what. Es trifft doch irgendwie die richtigen, oder? James Bond wird demnächst von einer Frau gespielt. Sieg auf allen Linien.
 Wie altmodisch dagegen die Französinnen, voran die Grande Dame Catherine Deneuve!
 Und wie beruhigend: hier ist sie noch aufgehoben, die Erinnerung daran, dass das Geschlechterverhältnis auch ganz anders aussehen kann: nicht so vergiftet, nicht so – undifferenziert. Wer wäre nicht gegen Gewalt gegen Frauen? Aber ist jede dumme Anmache schon gleich ein Übergriff?

Vor allem: Wollen wir Kindergarten, wenn es um Sexualität geht? Schneeflöckchensex? Ja, Flirt und Verführung bedingen Grenzüberschreitung. Und die Spannung wächst, je länger das Spiel dauert, in dem man sich vortastet bis zu – oder eben nicht bis zu Sex. Das Spiel, das nicht nur eins „davor“, sondern womöglich das eigentlich spannende zwischen Mann und Frau ist: der Flirt mit der Grenzüberschreitung. Seit der albernerweise als sexuelle Befreiung annoncierten Umstandslosigkeit der 1960er Jahre ist Sex auf Geschlechtsverkehr reduziert und die eigentlich spannende Sache zum bloßen Vorspiel degradiert worden, dessen man sich tölpelig bis missmutig entledigt.

Ja, es gibt Gewalt gegen Frauen, und ich wäre dankbar, wenn sich der Aufschrei der Damen auf ALLE Formen von Gewalt richtete, nicht nur auf die Grenzüberschreitungen alter weißer Männer. Aber vielleicht hätten beide, achwas: alle Geschlechter wieder etwas zu lernen? Nämlich, wie man das Spiel der Annäherung spielt, nicht plump, nicht klinisch sauber, sondern voll lustvoller Spannung – was oft heißt: hart an der Grenze. Über die bestimmt selbstverständlich jeder und jede selbst. Wer sind wir denn?

„In den Händen der Erbinnen der 68er ist der Feminismus zu dem geworden, was er nie sein sollte: Ein mit astrologischem Schwurbel bedrucktes Filzzelt (….) Dem Metoo-Feminismus die Frage nach Sex, Mann und Frau zu überlassen, ist, als gäbe man das Rind dem Metzger und erwarte, dass er es heilen würde.“ Sarah Pines.

Me too, Sarah.

Dieser Beitrag erschien auch auf Alexander Wendts Publico.

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Leserpost

netiquette:

B.Klingemann / 16.01.2018

Sharon Stone hat neulich laut gelacht, als sie gefragt wurde, ob sie schonmal sexuell belästigt wurde. Sie stehen ihr in nichts nach, Frau Stephan…

Karin Eschert / 16.01.2018

Ich kann Ihnen nur zustimmen!

Wirsam, Dietmar / 16.01.2018

Dem kann auch als “alter weißer Mann” nur zustimmen und sicher wird die Autorin deswegen nicht bis ins Mark beleidigt sein. Das überlasse man entsprechend falsch tickenden Geschlechtsgenossinnen.

Helge-Rainer Decke / 16.01.2018

Sehr geehrte Frau Cora Stephan, bitte erklären Sie, was „harmlose Anzüglichkeiten“ sind und was Sie unter einem Dritten Geschlecht subsumieren.  Sollten Sie Transvestiten, oder Menschen meinen, die aufgrund ihrer Sexualität nicht eindeutig als Mann oder Frau zu „identifizieren“ sind, so erklären Sie bitte auch, weshalb Sie diese Menschen hier in Ihre „Philippika“ einbeziehen, besser, Ihre, meiner Meinung, nach offensichtliche Abneigung kryptisch äußern. Sie behaupten, die „Schwestern“ unterlassen es, zu verurteilen, wenn es sich um sexuelle Übergriffe von Teilen der Migranten handle. Diese Unterstellung ist schlicht und ergreifend unwahr. Lesen Sie alles, aber auch alles, was diesbezüglich aus diesen Horizont geäußert wurde. Und noch etwas, entschuldigen Sie entwa sexuelle Anzüglichkeiten mit dem Hinweis, Teile der Immigranten seien die besonders aufffällig, wenn es um sexuelle Übergriffe ginge? Erkundigen Sie sich einmal, weshalb seit Jahrzehnten Frauenhäuser bestehen, Zufluchtsorte vor häuslicher Gewalt. Fazit, sexuelle Übergriffe und Gewalt gegen Frauen und Kindern sollten weder verharmlost noch relativiert werden.☝️

Birgit Rilling / 16.01.2018

Ein Hoch auf diese Meinung!

Karla Kuhn / 16.01.2018

Ich habe aufgehört mich mit (für mich) KInderkram zu befassen. Komischerweise sind es in Deutschland vorwiegend Schauspielerinnen im vorgerücktem Alter, die anscheinend in ihrer Jugend alle betatscht wurden. WARUM haben sie denn nicht sofort den Tatscher in die Schranken gewiesen ?  Mich hat mal einer in einer überfüllten Straßenbahn in den Hintern gezwickt, ich war ca. 18 Jahre alt. Ich konnte mich gerade so umdrehen aber so schnell, wie der von mir eine geklatscht gekriegt hat, konnte der gar nicht schauen. An der nächsten Haltestelle ist er mit hochrotem Kopf ausgestiegen, zur Belustigung der anderen Fahrgäste.  Da frage ich mich, warum die Frauen es nicht auch so gemacht haben, war ihnen ihre Karriere wichtiger ? Wenn ja, dann sollten sie doch bitte heute ihren Mund halten. Frau Kirchbergers Äußerungen über den Regisseur Dieter Wedel finde ich richtig und mutig. Jetzt über den Mann herzufallen ist unsäglich.  Kann es sein, daß einige Damen ihren Aufstieg auch ihm mit zu verdanken haben ? (Dabei meine ich nicht die “Besetzungscouch”) Das ganze Thema sollte so schnell wie möglich ad acta gelegt werden. Die Frauen, die wirklich vergewaltigt wurden, werden nämlich von dieser Aktion nicht profitieren. Wahrscheinlich ist das gegenteil der Fall.

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