Dirk Maxeiner / 09.09.2018 / 06:25 / 32 / Seite ausdrucken

Kill me today. Tomorrow I’m sick.

Gleich zu Beginn von „Kill me today. Tomorrow I’m sick“ merkt der Zuschauer, das was nicht stimmt. Anna (Karin Hanczewski) eine junge und idealistische Deutsche, sitzt nach ihrer Ankunft am Flughafen im Auto auf dem Weg zu ihrem neuen Arbeitsplatz bei der OSZE im Kosovo. Sie unterhält sich mit Plaka (Carlo Lujubek), dem jungen Fahrer und sagt: „Ich will helfen, hier freie und demokratische Medien aufzubauen... nach Jahrzehnten der Unterdrückung“.

Plaka lacht laut und lange, man weiß erst mal nicht, ob er sie anlacht oder auslacht oder einfach nur freundlich sein will. Und doch ahnt der Zuschauer, dass in diesem Film alles anders kommt. Die pädagogisch korrekte Moral, die so viele deutsche Streifen überzieht wie die Paprikasoße das Zigeunerschnitzel, muss in dieser Tragikomödie zuhause bleiben. Und doch ist es ein Film über Moral – allerdings nicht die, die es bei den Gesinnungsethikern vom Dienst überall im Sonderangebot gibt.

Marc Neugröschl (Times of Israel) sagt zu dem Film: „Über die Selbstgerechtigkeit und Naivität von internationalen Organisationen und ihren Funktionären könnte man bestimmt noch 1.000 Filme machen. Gut, dass es jetzt schon mal einen – und dazu noch einen sehr gelungenen – gibt.“ Der Film zeichnet nicht nur die Umrisse des erbarmungslosen Kosovo-Konfliktes, sondern liefert auch ein Sittenbild der „neuen Welt-Klasse“ der rapide wachsenden supranationalen Organisationen. Niemand hat sie gewählt, und sie haben keine Basis, der sie sich ernsthaft verantworten müssten. Sie wechseln vom IRK zur WHO, vom WWF zum IWF, von der OSZE zur OECD und zurück. 

Die Szenen sind manchmal schreiend komisch, etwa als die Herrschaften händeringend versuchen, einen Bauern zu finden, der sich von ihnen einen Traktor schenken lässt. Und im nächsten Moment sind sie von schockierender Brutalität, die von der OSZE seelenruhig verwaltet wird, damit die Herrschaften zuhause ein gutes Gewissen haben.

„Und so wird der Einsatz für das Gute schnell zur Farce“

Joe Schröder und Tobias Streck, Produzenten und Regisseure von „Kill me today. Tomorrow I’m sick“ erhalten dafür Lob aus berufenem Mund: "Das Spiel zwischen Drama, Gewalt, Humor und Politik ist großartig umgesetzt", lobt Regisseur Dominik Graf die Arbeit seiner Kollegen, „lustig, verzweifelt, witzig, brutal, liebevoll.“ Die Süddeutsche Zeitung beschrieb die Film-Situation so: „Es herrscht Waffenstillstand, viele internationale Organisationen haben Tausende Mitarbeiter geschickt, um die Region zu befrieden. Idealisten treffen dort auf Glücksritter, Gauner, Desillusionierte, Zyniker, Opportunisten. Und so wird der Einsatz für das Gute schnell zur Farce“.

Der Film, der im nächsten Frühjahr in die deutschen Kinos kommt, feierte am vergangenen Wochenende bereits auf dem Filmfestival von Montreal Premiere und wurde dort mit dem „Silver Zenith“ preisgekrönt. Joe Schröder, ein Enfant terrible der deutschen Filmschaffenden, ist den Achse-Lesern bereits durch den Skandal um seinenen Antisemitismus-Film im vergangenen Jahr bekannt, dessen Ausstrahlung  von Arte und WDR zunächst abgelehnt wurde (Und der schlussendlich mit verfälschenden Untertiteln zähneknirschend ausgestrahlt wurde). 

Die Besetzung des Streifens ist erstklassig, Dominik Graf bezeichnet Hauptdarsteller Carlo Ljubek als "Weltniveau“. Auch darunter gibt es einige Überraschungen, denn zwei Achse-Autoren geben ein Gastspiel: Henryk M.Broder als versoffener und zynischer Journalist, Joachim Steinhöfel als eiskalte OSZE-Führungsfigur. Hamed Abdel-Samad, der mit Broder gemeinsam in der ebenfalls von Joe Schröder und seinem Team  produzierten „Deutschland-Safari“ auftrat, freut sich über Kill me today. Tomorrow I’m sick: „Eine schockierende schwarze Komödie über ein verlorenes Land mitten in Europa und einen total überforderten Westen. Ich habe viel gelacht.“ 

Stay tuned, demnächst gibt es auf achgut.com einen Text zum „Making-of“ von Henryk M. Broder.

Foto: Preview Productions

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Detlef Dechant / 09.09.2018

Ähnliches über die NGOs kann ich nur bestätigen. Ein enger Verwandter, über fünf Jahre für das Rote Kreuz im Tschad, Sudan, Indonesien nach dem Tsunamie unterwegs und anderswo unterwegs, erzählte mir von dieser NGO-Arbeit. So mietete sich ein Mitarbeiter im teuersten Hotel ein, lieh sich ein Motorrad, fuhr 4 Wochen umher, um zu “eruieren”, wo seine NGO helfen könne, um dann unverrichteter Dinge abzuziehen. Und das sei kein Einzelfall gewesen. Er hatte auch volles Verständnis dafür, dass ich nicht mehr bereit sei zu spenden ! Ich habe den Eindruck, dass diese Art der “Hilfe” zum Geschäftsmodell vieler NGOs gehört. Wer macht denn schon gerne seinen eigenen Arbeitsplatz überflüssig?

Mike Loewe / 09.09.2018

Typische deutsch-englische Sprachfalle:  das deutsche Futur, das umgangssprachlich oft ein Präsens ist, ist nicht 1:1 übertragbar. Es muss heißen “Tomorrow I’ll be sick” oder, wenn mehr aktiv gemeint, “Tomorrow I’m going to be sick”. Vielleicht ließe sich der Titel ja noch korrigieren, bevor der Film im Frühjahr in die Kinos kommt.

Peter Wachter / 09.09.2018

Vielen Dank Herr Maxeiner für den Filmhinweis, ich werde mir den Film anschauen, ich ertrage die Realität nur noch mit Humor und Sarkasmus. Ich sah im ÖR eine Doku über den Kosovo-Krieg, nur erschreckend, noch erschreckender ist, das ich inzwischen überzeugt bin, das das auch in Europa oder in Deutschland kommen wird! Schalom

Chris Groll / 09.09.2018

“Kill me today. Tomorrow I’m sick”....Endlich mal wieder ein deutscher Film, auf den wir uns freuen und den wir uns ansehen werden. (Ansonsten schauen wir nur noch alte oder ausländische Filme). Den Antisemitismus Film des Regisseurs Joe Schröder haben wir seiner Zeit bei Bild-Online (ohne Untertitel) und später noch im WDR (mit Untertiteln) gesehen. Auch an der „Deutschland Safari“ mit Herrn Broder und Herrn Hamed Abdel-Samad haben wir gerne teilgenommen. Wußten aber nicht, dass diese ebenfalls von Joe Schröder und seinem Team  produziert wurde. Wir freuen uns schon jetzt auf den Text zum „Making-of“ von Herrn Broder. Dem Regisseur wünschen wir noch viel Erfolg für die Zukunft.

Andreas Rühl / 09.09.2018

HB durfte sich selbst spielen?  Kollege Steinhoefel aber den Mephisto?  Es ist alles beim alten. Der journaille wirds zu leicht gemacht, den schwarzen Peter kriegen die Juristen. Wird geguckt. Dem Ngo wahn muss man in die e… Treten

Frank Box / 09.09.2018

„Und so wird der Einsatz für das Gute schnell zur Farce“ - Das ist doch fast überall so, wo irgendwelche “Organisationen” meinen “helfen” zu müssen. Selbst wenn nach Abzug der landesüblichen Bestechungsgelder “Hilfe” auch mal bei Bedürftigen vor Ort ankommt, ist sie oft sinnlos bis kontraproduktiv: In Hungergebieten, die die zuvielen Menschen schon nicht ernähren können, sorgen Lebensmittelhilfen für weitere Vermehrung. Was NOCH MEHR HUNGER bedeutet. Die Kräftigen und Starken wandern aus, (nach Europa?) der immer mehr werdende Rest versinkt zunehmend im Elend. Außerdem gewöhnt man sich an die “Hilfe”. Eigene Bemühungen werden eingestellt - ein Fass ohne Boden! FAZIT: “Helfen” tun sich hier in erster Linie die Beschäftigten in diesen Organisationen selber. Und zwar mit fetten Gehältern, die wir bezahlen!

B.Kröger / 09.09.2018

Lieber Herr Maxeiner, ich freue mich, wenn den Heuchlern die Maske vom Gesicht gezogen wird. Aber trotz allem, sie machen weiter, die UN, die WHO, die OECD, der IWF und ihre ganzen Hilfsorganisationen sprich NGOs.  Mir ist das Lachen leider vergangen. Ich kann das „Ich will helfen….“ einfach nicht mehr hören. Diese ganzen Leute helfen doch nur sich selbst und lassen sich von ihren Auftraggebern gut bezahlen.

beat schaller / 09.09.2018

Na na na, Herr Maxeiner, ist denn sowas politisch korrekt?  Lachen kann ich darüber nicht, weil es viel zu real ist. Bin gespannt auf die Reaktionen von deutschen Politikern.  Der schwarze Block wird wohl das Urheberrecht für sich einfordern.  So ist es später einfacher, zu sagen, dass das wie man es auf den Bildern sieht, die Rechten und Nazis waren, die diese Politik, zu denen diese Resultate passen gemacht hatten. b.schaller

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com