Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat entschieden, dass sämtliche Lebensmittel, die aus den sogenannten „israelisch besetzten Gebieten“ stammen, explizit als solche gekennzeichnet werden müssen. Als „israelisch besetzte Gebiete“ bezeichnen der Internationale Gerichtshof (IGH), die UNO sowie viele andere internationale Organisationen und Staaten diejenigen Gebiete unter israelischer Kontrolle, die außerhalb der 1949 mit seinen Nachbarn geschlossenen Waffenstillstandslinien des Staates Israel liegen. Die israelische Regierung betrachtet diese Gebiete im Fall von Ostjerusalem und der Golanhöhen als Israel zugehörig und spricht ansonsten von „umstrittenen Gebieten“ mit offenen Anspruch. Ähnlich hatte der EuGH bereit im Jahr 2010 zu Nichtlebensmitteln entschieden.
Das Gericht schließt sich mit diesem Urteil der Einschätzung des EuGH-Generalanwalts Gerard Hogan an. Hogan hatte im August 2019 in einem Gutachten empfohlen, Lebensmittel aus den „besetzten Gebieten“ als Produkte aus „israelischen Siedlungen“ oder „israelischen Kolonien“ ausgewiesen. Wie schon zur Zeit der Apartheid in Südafrika müsse man den Bedürfnissen derjenigen Verbraucher Rechnung tragen, die von „ethischen Überlegungen“ geleitet seien (Achgut.com berichtete). Die Gutachten der Generalanwälte sind für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig folgt das Gericht seinen Experten aber.
Den Rechtsstreit ausgelöst hatte eine französische Regelung aus dem Jahr 2016, die die Kennzeichnung von Produkten aus den „israelischen Siedlungen“ vorschrieb. Der französische Staat setzte mit dieser Vorschrift eine unverbindliche EU-Verordnung aus dem Jahr 2015 um. Das israelische Weingut Psagot und die französische Organisation Juive Européenne (Organisation Europäischer Juden) klagten wegen unrechtmäßiger Diskriminierung gegen die Maßnahme, die 2018 wieder ausgesetzt wurde. Der Fall wurde schließlich an den EuGH verwiesen.
Palästinenserorganisationen wie die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ (PLO) oder der Lebensmittelverband „Al'Ard Palestinian Agri-Products“ haben das Urteil begrüßt. Israel hält die Kennzeichnung von Siedlerprodukten hingegen für diskriminierend und befürchtet, dass sie der einflussreichen antiisraelischen Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) Auftrieb geben könnte, die letztlich die komplette Vernichtung des jüdischen Staates anstrebt. Eine EU-weite Kennzeichnungspflicht könnte zudem amerikanische Anti-Boykott-Gesetze auslösen und eine Flut von Gerichtsverfahren nach sich ziehen, wie die amerikanische News-Webseite „Washington Free Beacon“ bereits im August warnte.