Ulrich Sahm, Gastautor / 06.04.2007 / 18:34 / 0 / Seite ausdrucken

“Keiner weiß, wie die Geschichte ausgegangen wäre” , nicht einmal die EKD

Wenige Tage vor der Abreise des Rates der EKD ins Heilige Land, also der evangelischen Bischöfe Deutschlands, veröffentlicht die Evangelische Kirche Deutschlands auf ihrer Internetseite einen Leitartikel unter dem Titel „Keiner kann die Hände in Unschuld waschen“. Passend zur Karwoche geht der namentlich nicht genannte Autor dem Problem nach, wer letztlich Schuld an der Kreuzigung Jesu sei, der römische Prokurator Pontius Pilatus oder aber „die“ Juden.

Vor einem Monat besuchten die deutschen katholischen Bischöfe Israel und die Palästinensergebiete. Dabei machten sie negative Schlagzeilen, indem der Bischof von Eichstätt aus „persönlicher Betroffenheit“, vor dem israelischen Anti-Terror-Sperrwall stehend (so die offizielle israelische Bezeichnung), die wohlhabende Stadt Ramallah mit einem „Ghetto“ verglich. Während er so das Vorgehen Israels mit der Politik der Nazis gleichgestellte, setzte er die Palästinenser mit den Juden im Warschauer Ghetto gleich (vor ihrem Abtransport in die Gaskammern).

Es wurde erwartet, dass die evangelischen Bischöfe politisch umsichtiger vorgehen würden, um nicht ebenfalls Negativ-Schlagzeilen zu machen. Auch sie werden die Holocaust-Gedenkstätte und die Palästinensergebiete besuchen. Laut Programm ist vorgesehen: „Zwischenstopp am Checkpoint “Rahels Grab”, zu Fuß durch den Kontrollpunkt, den täglich diejenigen Palästinenser passieren müssen, die nach Jerusalem wollen.“ Nicht angemerkt ist da, dass es Juden aus Furcht vor Ermordung im palästinensischen Gebiet generell verboten ist, diesen Checkpoint in die andere Richtung zu passieren. 

Der Leitartikel auf der Hauptseite der EKD im Internet lässt nichts Gutes ahnen. Pontius Pilatus, der seinen Amtssitz in Caesarea hätte und gleichzeitig oberster Befehlshaber der römischen Truppen in „Judäa“ (wie damals das Land noch hieß) und oberste gerichtliche Instanz im Namen des römischen Kaisers und Weltherrschers war, wird in dem Text der EKD verniedlicht. „Pilatus war ein Soldat, ein Legionär, ein Offizier, der mit den Besatzungstruppen ins Land gekommen ist.“ Er wird da auch nur als „Statthalter Jerusalems“ bezeichnet, obgleich er das ganze Land unter sich hatte.

Weiter analysiert die EKD die „Schuldigen“. Neben den Einzelpersonen Judas und Pilatus werden da auch „die Juden“ aufgezählt und später das „aufgehetzte Volk“ oder der „aufgestachelte Zorn des Volkes“. Längst haben Wissenschaftler eruiert, dass im Hof des Pontius Pilatus nicht das ganze Volk der Juden versammelt war und geschrieen hat „kreuzigt ihn“. Es waren bestenfalls ein paar dutzend jüdische Kollaborateure mit der römischen Besatzungsmacht, also Vertreter jener Hohepriester. Sie gehörten wohl nicht zu jenen „unbeugsamen“ Juden, die in der christlich-antijüdischen Literatur auch als „halsstarrig“ verunglimpft werden, die „religiös begründeten Widerstand“ leisteten. Das klingt wie jene, die sich mit einem „Allah u-akbar“ auf den Lippen in der Menge sprengen.

Bemerkenswert in dieser politisch-theologischen Betrachtung ist die Verwendung des aus dem Hebräischen kommenden, sehr jüdischen Wortes im mittelalterlichen Jiddisch: „Schlamassel“. Das befürchtete angeblich der römische Prokurator, wenn er nicht dem Wille des „Volkes“ und den „Glaubenshütern“ (Hohepriester) nachgegeben hätte.

Die EKD kommt zwar zum Schluss, dass die Kreuzigung Teil von Gottes unerforschten Wegen sei und dass da der „hilflose“ Pilatus nur benutzt wurde. Pilatus hätte „den Unschuldigen vor dem aufgestachelten Zorn des Volkes“ bewahren können, sinniert die EKD und macht erneut klar, dass da ein gewisses „zorniges“ Volk die Schuld trage. So stellt die EKD mal wieder fest, dass „die Juden“ pauschal die Gottesmörder sind, eine Sicht, die die katholische Kirche 1962 mit „Nostra Aetate“ unter dem Eindruck des Holocaust abgelegt hat.

Und hier der Text der EKD:
http://www.ekd.de/aktuell/53344.html

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