Manfred Haferburg / 25.01.2023 / 12:00 / Foto: Superikonoskop / 65 / Seite ausdrucken

„Keine Zeit verlieren“: Frankreich baut 14 neue AKWs

Während bei uns Ideologen den Ton angeben, wird in Frankreich seriös über Energiepolitik diskutiert. Dort will die Regierung Macron 14 neue Kernkraftwerke bauen und kann über den fatalen deutschen Sonderweg nur den Kopf schütteln.

Wenn ich mir die Diskussion um die Energiepolitik der Zukunft in Deutschland ansehe, kommt mir als Fachmann das kalte Grausen. Die deutsche Energiepolitik wird bestimmt von Ideologie, Demagogie, Parteipolitik und Machtbestreben, und wird von den Politikern irgendwie in Wahlperioden gedacht, meist aber kürzer. Der beste Beweis dafür ist das Laufzeitverlängerungslein von dreieinhalb (!) Monaten für die letzten Kernkraftwerke, das der deutsche Bundeskanzler kraft seiner Wassersuppe durchgedrückt hat. 

Die deutsche Politik und ihre quasselnden Eliten ergehen sich im energetischen Machbarkeitswahn und in solch ökonomischen Unfugs-Fantasien wie eine Umstellung der ganzen Volkswirtschaft auf eine „grüne Wasserstoffwirtschaft“ mit 25 Prozent Wirkungsgrad in weniger als acht Jahren. Man sehe sich die Expertise der Kernenergie-Ethikkommission oder der Kohleausstiegskommission an. Alles Mögliche setzte sich da in Szene – Bischöfe, Anwälte, Politikwissenschaftler – aber kein einziger Fachmann.

Energiepolitik muss aber, wenn sie erfolgreich sein will, in Dekaden oder längeren Zeiträumen gedacht werden. Dazu braucht es Politiker, die rechnen können, auf kompetente Berater hören und selbstlos das Beste für ihr Land wollen, auch nach ihrer Zeit. Allein der Bau eines Gaskraftwerks dauert mindestens fünf Jahre. Ein Kernkraftwerk baut man in Europa in zehn Jahren, das gleiche in China in sechs. Neue Technologien brauchen 10, 15 Jahre bis zur Industriereife – nachdem sie erfunden wurden. Eine neue Speichertechnologie jedoch ist noch nicht mal erfunden. Der Aufbau der elektrischen Netze hat hundert Jahre gedauert. Jetzt will man ihre Funktionalität in wenigen Jahren vollständig ändern. 

Auf dem Weg zum Venezuela Europas

Das klägliche Scheitern aller Zeitpläne für die berühmten Stromautobahnen spricht Bände. Von 7.700 Kilometern sind in fünf Jahren ganze 1.300 km gebaut, im letzten Jahr hat man ganze 200 km geschafft. Wenn es in dem Tempo weitergeht, dann sind die Stromtrassen in 30 Jahren fertig. Genauso ist es um die völlig utopischen „Ausbauziele“ der „Erneuerbaren“ bestellt, um die größenwahnsinnigen Zahlenspielereien mit Elektroautos und Wärmepumpen – von der grünen Wasserstoff-Utopie gar nicht zu reden. Schon Brecht wusste:

Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.

Für Energiepolitik sind Wahlperioden schlichtweg zu kurz. Wenn heute eine Regierung einen Fehler in der Energiepolitik macht, wirkt sich das noch in zehn und viel mehr Jahren unter Umständen katastrophal auf das Land aus. Nämlich dann, wenn die Fehlentscheider längst in Pension oder unter der Erde sind. Wenn dereinst die Herren Scholz und Habeck in Frieden ruhen, werden die Ergebnisse ihrer verfehlten Energiewende Deutschland zum Venezuela Europas gemacht haben.

Wie wohltuend hingegen ist da die Diskussion über die richtige Energiepolitik im Nachbarland Frankreich. Hier diskutiert man in der Politik und in den Medien meist vernünftig und mit kühlem Kopf über den besten Weg zu einer bezahlbaren, sicheren und nachhaltigen Energiepolitik. Natürlich gibt es auch in Frankreich ein paar Energieideologen, aber sie haben weder die Lufthoheit in den Medien noch einen ernsthaften Rückhalt in der Bevölkerung. In Frankreich gibt es auch die Klima-Armageddon-Hysterie nicht. Das ist zwar auch ein Thema, aber es gibt vieles, was wichtiger ist.

Hier Lobbyistinnen, dort Experten

Wenn Sie das nicht glauben können, dann sehen Sie sich den Artikel in RMC an, und wenn Sie Französisch sprechen, verfolgen Sie das eingebettete Fernsehinterview mit dem Energiefachmann Professor Thierry Bros. Dieses Interview ist typisch für die Art und Weise, wie im Nachbarland Energiepolitik diskutiert wird.

Der Experte führt aus, dass jede (!) Art der Energieumwandlung ihre Vor- und Nachteile hat. Deshalb muss man länderspezifisch seinen optimalen Energiemix finden und nicht dogmatisch einzelne Energieträger verteufeln. Er erklärt, dass Deutschland seine Kernkraftwerke abschaltet, was zu höheren Energiepreisen auch für die französischen Verbraucher führt. Er stellt nüchtern fest, dass Deutschland stattdessen Kohlekraftwerke anfährt und die Umwelt belastet. Er sagt sinngemäß: Vor zehn Jahren hat man uns erklärt, dass wir nur noch die Hälfte der Kernkraftwerke brauchen, weil sie durch Wind und Sonne ersetzt werden und der Verbrauch sowieso sinken wird – nichts davon stimmt. 

So ein sachliches Interview mit einem kundigen Experten wie im französischen Fernsehsender France 24 ist auf einem Kanal der großen deutschen Medien schlicht undenkbar. Es existieren zwar kundige Experten wie dieser Professor in Deutschland, sie werden aber jemanden wie ihn nie und nimmer in den ÖRR-Kanälen zu Gesicht bekommen. Sondern da treten Scharlataninnen mit Professortitel auf und dürfen unwidersprochen den größten Unfug von „Speichern noch und nöcher“ verbreiten. Die existierenden Noch-und-nöcher-Speicher in Deutschland reichen für eine gute halbe Stunde, dann gehen die Lichter aus. Das weiß die Lobby-Professorin auch, doch sie lügt frech die Leute an, von denen sie annimmt, dass sie es nicht besser wissen.

Selbst Frankreichs Grüne sind für Kernenergie

Der frühere französische Präsident François Hollande hatte 2015 durchgesetzt, dass Frankreich den Anteil des Atomstroms auf 50 Prozent verringern sollte. Dafür sollten 14 Kernkraftwerke vom Netz genommen werden. Tatsächlich wurden aber nur die beiden ältesten Kernreaktoren in Fessenheim abgeschaltet. Und die gehörten zum Teil Deutschland. (EnBW – Anm. des Verfassers)

Abgeschreckt durch das desaströse Beispiel der Deutschen Energiewende und im Angesicht des Ukrainekrieges gab es in der französischen Politik in den letzten Jahren ein komplettes Umdenken. So wurde kürzlich EdF verstaatlicht, 90 Prozent gehören jetzt dem französischen Staat. Folgerichtig hat der französische Senat am 24.1.2023 mit überwältigender Mehrheit von 239 zu 16 Stimmen einen beschleunigten Bau von bis zu 14 neuen Kernkraftwerken beschlossen. „Es geht darum, keine Zeit zu verlieren“, sagte Frankreichs Energieministerin Agnès Pannier-Runacher. Selbst die Grünen in Frankreich plädieren bis auf wenige Hardliner für Kernenergie.

Die neuen Reaktoren sollen jeweils paarweise am Standort bereits bestehender Kernkraftwerke gebaut werden. Die ersten beiden sollen in Penly entstehen, die folgenden beiden in Gravelines, jeweils an der Küste des Ärmelkanals. Und Frankreich wird gegen das desaströse Merit-Order-Verfahren der Strompreisfindung vorgehen, damit nicht französische Verbraucher weiterhin die verkorkste deutsche Energiewende mitfinanzieren müssen.

Foto: SuperikonoskopCC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Holger Sulz / 25.01.2023

Kauft Blödschland halt auf ewig beliebig teuren Franz-Strom beim Ödipussy ein. .. Nur zu. Wie bestellt, so geliefert. Empfehlung: Die süßen Kleinen sollten von Anfang an mit Fremdsprachen belästigt werden.

Arthur Erhardt / 25.01.2023

@Christian Steinberger: Ich verstehe Ihren Beitrag nicht. Wollen Sie uns sagen, daß man mit dem Plutonium Isotopengemisch aus den wassermoderierten (nicht nur französischen) KKWen Kernwaffen bauen kann, oder daß Herr Haferburg diesen Aspekt nicht beachtet hat? Die erste Aussage ist falsch, deshalb ist der Aspekt auch im Artikel nicht genannt. Ich versuchs in Kurzfassung: Wenn man Kernbrennstoff (überwiegend U-238, einige Prozent U-235, als Urandioxid, aber der Sauerstoff spielt für die Kernphysik keine Rolle) mit Neutronen (aus der Kernspaltung) bestrahlt entsteht Plutonium 239, und sobald davon welche existiert, parallel dazu auch Plutonium 240. Letzteres hat die waffentechnisch fatale Eigenschaft, mit einer niedrigen aber vorhandenen Wahrscheinlichkeit durch spontane Spaltung zu zerfallen. Dabei entstehen, wie bei der neutroneninduzierten Spaltung von Uran 235 2 asymmetrische Bruchstücke, 2 bis 3 Neutronen und die Massendifferenz zum Ursprungskern als Bewegungsenergie der Trümmer. Das führt bei einer Kernwaffe dazu, daß die mit schnell steigender Wahrscheinlichkeit nicht mehr planmäßig durch Sprengstoff von Hohlkugel zu dichtem Ball komprimiert wird, sondern daß währenddessen eine zufällige Zündung durch die Neutronen einer solchen spontanen Spaltung zu einer ineffizienten Kettenreaktion am falschen Ort wird, die den ganzen Vorgang (und die Kugel) so deformiert daß es zu einer Fehlzündung mit sehr geringer Energieausbeute kommt. Um dies zu vermeiden müssen Brennstäbe für die Erbrütung von waffenfähigem Pu-239 nach Tagen bis wenigen Wochen aus dem Reaktor entfernt und chemisch aufbereitet werden. Dafür sind wassermoderierte KKWe ungeeignet, da man diese zum Tausch auch nur eines Brennstabs herunterfahren muss.

M. Corvinus / 25.01.2023

Ironie der Geschichte: Um von der “Energiewende” halbwegs unabhängig zu werden, installiere ich jetzt eine PV-Anlage mit Batteriespeicher. Für Brown- und Blackout-Lagen ein Backup mittels Dieselgenerator. Genug Treibstoff findet sich zur Not in den Tanks noch nicht verbotenen Ölheizung.  +++  Wer hätte vor 30 Jahren jemals gedacht, dass er in diesem Land mit Stromausfällen wie in der Dritten Welt rechnen muss oder dass ihm an jedem beliebigen Ort droht, abgestochen zu werden ...

Fred Burig / 25.01.2023

@Ludwig Luhmann:”...  außerdem wurden wir zu unbewaffneten Dehostilisierten geformt ... wir sind also die perfekten Opfer!” So Recht sie auch haben und so nachvollziehbar das auch ist, trotzdem denke ich, dass ich nicht der Einzige bin, der sich dem nicht so einfach fügen will. Logischerweise hat ja bekanntlich derjenige schon verloren , der aufgibt. Und das werde ich ums Verrecken nicht!  Das war mir schon in jungen Jahren, zu Kommunisten- Zeiten in der DDR wichtig - und jetzt im Alter erst recht! Nur die Mittel und Möglichkeiten haben sich geändert. MfG

Gert Köppe / 25.01.2023

Die Windkraft-Lobby ist in Deutschland nicht an sauberer und stabiler Kernkraft interessiert. Wie sollen sie sich denn sonst die Taschen füllen und ihre, meist grüne Klientel, mit lukrativen Posten versorgen? Das muss man doch verstehen. Der Bürger muss arm gemacht werden und der Öko-Filz ist nun mal sehr groß. Da hat man Ansprüche.  Die EEG-Umlage und die CO2-Steuer ist sozusagen die GEZ-Zwangsabgabe für die Energie-Konzerne.

Olaf Jakob / 25.01.2023

Wie hat Henryk M. Broder so schön gesagt : „Wenn der Ethikrat kräht auf dem Mist, ändert sich die Politik oder sie bleibt wie sie ist“. Eine sachliche Diskussion ist schon lange nicht mehr möglich. Es bleiben nur noch Spott, Ironie und abgrundtiefe Verachtung für die Politik.

Théodore Joyeux / 25.01.2023

Herr Haferburg, lassen Sie sie doch. Einfach die Doofen ignorieren. Oder frei nach Karl Valentin, einfach nicht hinschauen, Tür hinter sich zumachen und abwarten, bis die Deppen da draußen sich gegenseitig fertig gemacht haben. (erinnern Sie sich noch an das Asterix Heft “Asterix bei den Goten - vorletzte Seite) Aus französischer Sicht ist alles gut, die übrigen europäischen Nachbarn ticken ja auch noch normal, nur eben nicht dieses bekloppte Land der Irren mitten drin. Es läuft und selbst diese Davos-WEF-Marionette ist letztes Jahr durch die Parlamentswahl auf Eis gelegt worden. Seine Eitelkeit wird ihn daran hindert etwas so ultimativ doofes zu machen wie Merkel, Scholz, Lindner & die Irren von drüben (outre -Rhin). Viva la France - “Bisou, bisou voilà”.

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