Klar, Darwin kennt jeder. Aber den Darwin Award? Nie gehört! Auch hier hilft Wikipedia: „Der Darwinpreis ist ein sarkastischer Negativpreis. Er wird seit 1994 dazu verwendet, um sich über Menschen lustig zu machen, die sich versehentlich selbst töten, tödlich verunfallen oder selbst unfruchtbar machen und dabei laut Organisatoren des Preises ein besonderes Maß an Dummheit zeigen. Der Name bezieht sich auf Charles Darwin, den Entdecker der natürlichen Auslese. Dahinter steht der Gedanke, dass ein lebensuntüchtiges Individuum seiner Art einen Gefallen tut, wenn es die Verbreitung des eigenen Erbguts verhindert. Menschen, die dem Tode knapp entronnen sind, werden mit einer ‚lobenden Erwähnung‘ ausgezeichnet.“
Die Fälle, die zu der „Auszeichnung“ geführt haben, werden auf einer Webseite geschildert. The last winner was (ich übersetze ins Deutsche um allfälligen Beschwerden zu entgehen):
9. April 2017, Frankreich: Um 14:30 versuchte ein 47 Jahre alter Mann in Rouen sein Zimmer zu verlassen, indem er am Ethernet-Kabel herunterkletterte. Er wählte diesen Weg, weil seine besorgte Mutter ihn in seinem Zimmer eingeschlossen hatte, um zu verhindern, dass er sich [außerhalb] betrinkt. Da er schwerer war als ein paar Gigabyte, war sein Gewicht zu viel für das Kabel, und er stürzte vom 9. Stock auf die Straße. Die Ärzte konnten ihn nicht wiederbeleben, aber er hätte sicher auch sonst Wege gefunden, um sich selbst aus dem Genpool zu entfernen.
Der Preis für ein Selfie
Der folgende Fall ging auch durch die deutsche Presse (siehe auch hier), wenngleich ohne den bissigen Bezug zum Darwin Award (eine Leserin kommentierte allerdings: „Und wieder zwei Anwärterinnen für den Darwin-Award...“).
25. März 2017, Mexico: Auf einem Lastwagen auf einer Flughafen-Rollbahn stehend wählten unsere Doppel-Gewinner des Darwinpreises eine nicht empfehlenswerte Örtlichkeit für ein Selfie. Frau Corral, 18, und Frau Miranda, 17, besuchten ein Pferderennen in unmittelbarer Nachbarschaft des Rollfeldes. Laut der Tageszeitung von Chihuahua lenkten der Lärm des Rennens und der Wunsch nach einem neuen Profilbild die jungen Frauen ab. Sie hörten die Motorengeräusche eines landenden Flugzeugs nicht, und ein Flügel der kleinen Maschine streifte sie und tötete sie auf der Stelle.
Aber die Preisträger stammen natürlich nicht nur aus dem Ausland. Guckst du hier: 21. März 2017, Deutschland: Ein 31-jähriger Mann sprengte einen Fahrscheinautomaten auf dem Bahnhof, aber anstatt in ein besseres Leben ging die Reise in die gegenteilige Richtung: Er verlor sein Leben bei der Explosion, die die Vorderseite des Automaten aufriss. Im Einzelnen: Zuvor bekräftigte er seinen Entschluss mit ein paar Gläsern in einer Kneipe, dann bekleckerte er sich, als er einige Dosen Gas in den Ticketautomaten sprühte, die leeren Dosen tat er in einen Jutebeutel. Anschließend entzündete er das Gas. Die darauf folgende Explosion konnte man noch in Dortmunds Nachbarschaft spüren. Ein Bekannter aus der Kneipe erkannte ihn wieder und rief den Notarzt. Aber übersät mit Splitterwunden und wegen einer schweren Kopfverletzung verstarb er bald trotz aller Wiederbelebungsbemühungen.
Der älteste Fall aus Braunau am Inn
Und so geht es gerade weiter. Ein Bekannter, Dr. Jürgen Christner aus Tübingen (siehe auch hier), hat gut 90 teils länger zurückliegende Fälle gesammelt und sie unter dem Titel „Dumm gelaufen“ zu herrlichen Gedichten „uf schwäbisch“ verarbeitet („Domm g’loffâ“, solange der Vorrat reicht zum Selbstkostenpreis beim Verfasser zu beziehen). Da nur die wenigstens Achse-Leser dieses Idioms mächtig sein dürften, zumal es sich um eine besondere Variante dieser liebenswerten Mundart handelt, gebe ich ein paar hier nur inhaltlich wieder und beschränke den Reim auf das schriftdeutsche Fazit.
Der älteste Fall ereignete sich 1567 in Braunau am Inn (ausgerechnet): Ein Mann hat sich einen Bart von zwei Meter Länge wachsen lassen. Wenn er ausgeht, rollt er ihn ein und steckt ihn in seine Brusttasche. Doch dazu bleibt natürlich keine Zeit als die Feuerglocke ihn aus dem Bett läutet. In aller Eile rast er die Treppe hinunter, da tritt er auf sein bestes Stück, er fällt und bricht sich das Genick.
Ebenso tragisch endete die Demonstration eines Strafverteidigers in Lebanon, Ohio, 1871: Um zu beweisen, dass sein Mandant nicht absichtlich geschossen habe, sondern der Schuss versehentlich losgegangen sei, steckt der Anwalt die Waffe in seine Hosentasche und springt zurück, als fürchte er einen Angriff. Tatsächlich geht in seiner Hos, ein Schuss aus dem Revolver los. Und aus der Tasche quillt der Rauch, die Kugel steckt in seinem Bauch. Fazit: Obwohl er den Prozess gewonnen, kann er sich im Erfolg nicht sonnen.
Tödlich beleidigt
Und schließlich eine letzte Kostprobe. In Kalifornien fühlte sich ein Mann anno 1992 durch seine Schlange beleidigt, weil diese ihm die Zunge rausstreckte. Er revanchierte sich, indem er ihr seinerseits die Zunge zeigte und sprach: Schlang jetzt hast den Dreck, die Schlange beißt zu vor Schreck. Seine Zunge hat sich verdickt, da ist er dran erstickt.
Nein, diese Geschichte ist so gut, die kann ich Ihnen unmöglich vorenthalten. Sie spielt an einem Sommertag 2014 in London. Ein Mann und eine Frau lieben sich auf dem Balkon im sechsten Stock. Die vermutlich nicht ganz lautlose Leidenschaft bot ein Programm für die Nachbarschaft. Und eben diese Leidenschaft führt die beiden schließlich aufs Geländer, von wo es bald darauf in die Tiefe geht. Ein letzter Trost für beide Tote. Als natürliche Methode hat sie verhindert dauerhaft, eine unerwünschte Schwangerschaft.
Die Schlussfolgerung unseres Tübinger Poeten ist zugleich ein Beitrag zur Diskussion um eine Quote der besonderen Art:
Der Darwin-Preis der ist zur Zeit
ein gutes Maß für Dämlichkeit.
Bringt man es auf den kleinsten Nenner:
Täter, Opfer – fast bloß Männer,
und das gilt für jedes Land
und ist durchweg signifikant.
Stimmt sie doch, die Theorie
von der maskulinen Idiotie?
Frauen kriegen kaum den Preis.
In diesem Buch find sich der Beweis.
Werden die etwa diskriminiert?
Und die Männer sind privilegiert
sogar bei der Dämlichkeit.
Ich glaube, es wird endlich Zeit,
dass wir schaffen – es ist gerade Mode –
bei der Dummheit auch eine Quote.
Wenn Ihnen, liebe Achse-Leserinnen und -Leser, ein Fall besonderer Dummheit mit Todesfolge bekannt sein sollte ... Ach nein, lieber nicht. Ich will es nicht auf die Spitze treiben und sage lieber: „Passen Sie gut auf sich auf!“ Ich gönn Ihnen alles – nur nicht den Darwin Award.