Thomas Rietzschel / 12.06.2017 / 13:54 / 6 / Seite ausdrucken

Keine Haltung. Dafür eine redaktionelle Linie

Von dem Wenigen, das mir Joachim Fest, der für das Feuilleton zuständige Herausgeber der FAZ, mit auf den Weg gab, als er mich im Spätsommer 1989 als Korrespondent nach Berlin schickte, ist mir eines in Erinnerung geblieben. Ich sollte, sagte er, aufgreifen, was mir wichtig erscheint, um darüber zu schreiben, wie ich es für richtig halte. „Eine „Linie“, auf die die Zeitung ihre Mitarbeiter verpflichte, gebe es nicht, nur „eine Haltung“: den Respekt vor der freien Meinung, die sich sachlich begründen lässt.

Zwar waren wir dann über die Jahre hin nicht immer ein Herz und eine Seele. Meinen Ansichten ist der Herausgeber bisweilen so skeptisch begegnet wie ich den seinen. Und dennoch wurde gedruckt, was immer ich schickte, selbst wenn es seinen Vorstellungen bisweilen zuwiderlaufen mochte.

Die „redaktionelle Linie“, das war der Makel der anderen Seite gewesen. Über ihre Einhaltung wachten die staatlich berufenen Chefredakteure, die Parteisekretäre und andere Funktionärearte und noc  im Osten. Von einer journalistischen Haltung konnte da keine Rede sein, nur von einer der Unterwürfigkeit. Dass der demokratisch sozialisierte Westen gegen ein derartiges Meinungsdiktat ein für allemal gefeit sei, dass in Deutschland kein Journalist je wieder fürchten müsste, auf eine redaktionelle „Linie“ verdonnert zu werden, war eine Illusion, die ich mir dann lange nicht nehmen lassen wollte.

Lügen über Israel aufgedeckt

Ob er noch alle Tassen im Schrank habe, hätte ich jeden gefragt, der mir noch vor zehn Jahr prophezeit hätte, dass 2017 wieder ein Programmdirektor die Ausstrahlung einer seriös recherchierten, bestellten und bezahlen Dokumentation verweigern könnte, weil sie sich nicht in die „editoriale Linie einfüge“. Mindestens hätte ich dem Unkenrufer entgegen gehalten, dass die Chefs kooperierender Anstalten dem Durchgeknallten in den Arm fallen würden. Doch nichts dergleichen ist geschehen, als Alain Le Diberder, Programmdirektor des deutsch-französischen TV-Senders arte, jetzt kurzerhand eine für das Programm vorgesehene Dokumentation über das neuerliche Erstarken des Antisemitismus verworfen hat. Auch der WDR, der den Film für arte produzierte, zog untertänigst den Schwanz ein.

Nun will ich hier nicht abermals den ganzen Fall aufrollen. Berufene Historiker wie Götz Aly und Michael Wolffsohn haben dazu längst das Nötige gesagt, ebenso wie Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München, und Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Auf der Hand liegt,  dass der Film von Sophie Hafner und Joachim Schroeder den Programmmachern der mit Zuschauergebühren finanzierten Sender nicht in den politischen Kram passt. Indem sich die Autoren nicht damit begnügten, den expandierenden Antisemitismus allein Rechtsradikalen, Neonazis, Pegida und der NPD anzulasten, sondern nach den Ursachen im Nahen Osten forschten, sind sie von der „Linie“ abgewichen.

Weil sie die propagandistisch befeuerten Lügen über Israel aufdecken, bis hin zu der palästinensisch aufgewärmten Mär von den Juden als Brunnenvergifter und Weltbrandstifter, soll ihre Dokumentation im Giftschrank verschwinden. Damit, dass sie nach dem agitatorischen Zusammenspiel der Hamas mit der linken Palästinenserlobby im Westen, in Frankreich und Deutschland, fragen, sind sie „vertragsbrüchig“ geworden. 

Steinmeier verneigt sich

Das fügt sich nicht in die „Linie“, für die sich die Sender politisch entschieden haben, erst recht  nicht in den Zeiten massenhafter Zuwanderung aus dem arabischen Raum, der wachsenden politischen Bedeutung des Islam hierzulande. Am Ende würde es so kurz vor der Bundestagswahl die Bürger noch in ihrem Glauben an die Flüchtlingskanzlerin verunsichern. Da zeigt man den Zuschauern doch lieber, wie sich der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Grab von Yassir Arafat verneigt. Immerhin kann man dem einstmals bombenden Palästinenser nicht vorwerfen, so „israelfreundlich“ gewesen zu sein, wie es den Autoren des bis auf weiteres gesperrten Films über den „Hass auf Juden in Europa“ jetzt nachgesagt wird.

Was haben sie sich bloß gedacht? Welcher Teufel hat sie geritten, so viel journalistische Beharlichkeit an den Tag zu legen? Hätten sie nur mit diplomatischer Zurückhaltung das Bestellte geliefert, einen saftigen Beitrag über den rechtsradikalen Sumpf, müssten sie sich jetzt keine „handwerklichen Fehler“ vorhalten lassen. Ihr Film wäre längst gelaufen, politisch so uniformiert, wie es sich für das öffentlich-rechtliche Fernsehen gehört, ohne Haltung zwar, aber eingefügt in die „editoriale Linie“. 

Die Methoden totalitärer Vorzeiten feiern traurige Urständ. Wer um alles in der Welt hätte so etwas vor bald 30 Jahren für möglich gehalten? Ich nicht.

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Heike Törmer / 12.06.2017

Ich wundere mich nicht,schon mit der heimlichen Sympathie mit der RAF,dick verbandelt mit Palästinensern und Kommunisten im Osten,ging der antisemitische,israelfeindliche linke Ruck in Deutschland medial und politisch los,samt dem Auftauchen der Grünen,später auch noch mit der Auferstehung der stalinistischen Linken nach dem Mauerfall.Anbiederung an Terroristen wie Arafat,heute Umschmeichelung eines Holocaustleugners wie Abbas,haben bei mir schon früh alle Alarmsysteme glühen lasse.Und angesichts der jahrzehntelangen Ansiedlung vornehmlich aus muslimischen Ländern findet das Ganze die endgültige Krönung in der Grenzöffnung für Masseneinwanderung vornehmlich,muslimischer junger Männer,unterstützt von genau dieser linken medialen Kaste.

Christoph Behrends / 12.06.2017

Kann der inkriminierte Film denn wenigstens andernorts angesehen oder gekauft werden? Ich würde ihn gerne erwerben und ggf. im Schulunterricht einsetzen! Als Religionslehrer hört bei mir der Spaß bei jeder Form von Antisemitismus auf. Mit Dietrich Bonhoeffer sage ich auch heute: "Wer nicht für die Juden schreit, darf auch nicht gregorianisch singen!"

Klaus Fellechner / 12.06.2017

Wer immer noch glaubt, wir haben eine freie Presse,der sollte wirklich prüfen ob sein Weltbild noch stimmt.

Manfred Löffert / 12.06.2017

Mich wundert das nicht. Das es eine "Linie" bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt, kann jeder politisch einigermaßen informierte und aufmerksamer Zuschauer fast täglich bei ZDF- heute und Tagesthemen Berichterstattung erkennen.Es sind oft nur kleine Randbemerkungen auch der Damen Slomka und Miosga , die dies zeigen. Ein Beispiel von vorgestern im heute Journal. Es wird über ein Mexiko-Besuch unserer Kanzlerin berichtet und Frau Slomka leitet in etwa so ein "...bekanntlich will Donald Trump dort eine Mauer errichten ". Das bleibt beim unbedarften Nachrichtengucker dann irgendwie hängen und ist auch wohl so gewollt.Das die Mauer zwischen den USA und Mexiko bereits Mitte der 90 ger Jahre von Bill Clinton angeordnet wurde und ca. 1200 km lang und bestens bewacht ist, bleibt außen vor. Ich könnte hier noch unzählige weitere Beispiele auch im Zusammenhang mit den Themen Einwanderung, Migranten usw. bringen. Mich macht das zunehmend wütend.

Wilfried Cremer / 12.06.2017

Man sollte die Zeit nutzen und den Film nachwürzen, mit auftauchenden und auflaufenden scharfen Fakten natürlich und erst mal z.B. in Ungarn mit deutschen Untertiteln ausstrahlen.

Frank Müller / 12.06.2017

Und jetzt denken wir das Ganze mal weiter: früher oder später wird diese Doku gesendet werden, da der öffentliche Druck mittlerweile zu groß ist. Wahrscheinlich irgendwann um 23 Uhr in einem dritten Programm. Interessanter ist mittlerweile fast, wie es Sophie Hafner und Joachim Schroeder ergehen wird. Werden sie noch Aufträge bekommen?

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