David Harnasch / 05.12.2007 / 17:27 / / Seite ausdrucken

Keine Eierdiebe

Gastbeitrag von Claudio Casula

Groß und traurig sind die Kinderaugen, die einem aus Erhard Arendts Palästinaportal entgegenblicken, zahlreich die Bilder der bärtigen Häftlinge, die auf Demos hergezeigt werden, markerschütternd das Jammern der Klageweiber auf BBC – da muss doch jeder feinbesaitete Mensch Mitleid und Empathie empfinden, denn, nicht wahr, Kinder vermissen ihre Väter, Mütter ihre Söhne, Ehefrauen ihre Gatten.

Glaubt man leichtsinnigerweise den Verlautbarungen der Generaldelegation Palästinas in der Bundesrepublik Deutschland, handelt es sich durchgehend um willkürlich verschleppte und selbstredend unschuldige Menschen, die in israelischen Gefängnissen darben, wenn ihnen nicht sogar nach dem Genuss salzigen Trinkwassers die Haare ausfallen.

Zu den „Forderungen“, die palästinensische Politiker immer wieder zu erheben pflegen, ohne auch nur eine symbolische Gegenleistung zu erbringen, gehört daher traditionell jene nach der „Freilassung der Gefangenen“. Setzt die israelische Regierung als Geste des guten Willens einige Hundert Häftlinge auf freien Fuß, wird freilich geschmollt, es handle sich „nur“ um 429 und nicht um alle 10.800, die nach palästinensischen Angaben in Israel einsitzen. Zudem wird bemäkelt, dass es sich immer nur um Eierdiebe handle, nie um große Fische wie die Killer des Tourismusministers Ze’evi, die Lynchmörder von Ramallah oder Marwan Barghouti, den arafatesken Helden der Palästinenser, welcher u.a. wegen Mordes an fünf Israelis zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Auf Häftlinge dieses Schlages ist man in Palästina stolz. Wer kein jüdisches Blut an den Händen hat, wird dort kaum als Führer ernstgenommen, wenn er nicht gar unter Verdacht gerät, mit den Zionisten unter einer Decke zu stecken, also Verrat an der palästinensischen Sache zu begehen.

Aber muss uns das Schicksal der palästinensischen Häftlinge wirklich dauern? Mitnichten, denn es handelt sich ja weder um den kleinen Mustafa, der ein Fahrrad stahl, noch um die Omi von nebenan, die Mundraub beging, sondern, nun ja: um Terroristen, um solche, die Anschläge ausführten und planten oder auf frischer Tat ertappt wurden. Die offizielle Vertretung der Palästinenser, wie üblich nicht bemerkend, dass sie ihr eigenes Gerede von „willkürlichen Verhaftungen“ ad absurdum führt, bestätigt dies, wenn sie schreibt:

„In israelischen Gefängnissen befinden sich mehrheitlich Mitglieder der Fatah (4.800), 2.546 sind Mitglieder der Hamas, 1.370 dem Islamischen Dschihad zugehörig, 460 der Popular Front, 120 der Demokratischen Front und 554 Sonstige.“

Mit anderen Worten: Rund 95 Prozent der Inhaftierten gehören einer offiziellen Terrororganisation an, sind mithin keineswegs willkürlich verschleppte Zivilpersonen, und auch der Rest sitzt nicht zufällig. Es würde ja auch keinem halbwegs intelligenten Menschen einleuchten, warum IDF-Kommandos allnächtlich risikoreiche Einsätze in feindlichem Gebiet unternehmen sollten, nur um irgendwelche Leute festzunehmen, die dann in israelischen Gefängnissen durchgefüttert werden müssen.

Schön ist es nie, wenn man während einer Razzia Verdächtige vor den Augen der Familie festnehmen muss, allerdings ist es ausschließlich solchen Zugriffen und der vorausgegangenen Geheimdienstarbeit zu verdanken, dass die Terrorintifada nicht noch weit mehr Opfer forderte.

Die Frage, ob man verurteilte Terroristen wieder auf die Menschheit loslassen sollte, muss also erlaubt sein. Zumal die Erfahrung dagegen spricht, auf die Beteuerungen der Amnestierten zu bauen, dem Terror künftig zu entsagen: Nadav Shragai berichtete kürzlich in Ha’aretz, dass palästinensische Terroristen (in Ha’aretz-Sprech: „militants“), die zwischen 1993 und 1999 auf freien Fuß gesetzt wurden, zu 80 Prozent rückfällig wurden und in der Folge für mindestens 30 Terroranschläge verantwortlich waren. Die Geste des guten Willens in den Post-Oslo-Jahren bezahlten 177 Israelis mit ihrem Leben. Jene, die auf dieser Collage abgebildet sind.

Es ist höchst zweifelhaft, dass Leute, die vollmundig die „Freilassung der palästinensischen Häftlinge“ fordern, in der Lage wären, den Angehörigen der Opfer dabei in die Augen zu blicken.

Übrigens: Vor wenigen Tagen wurden Daper Barham, Abdullah Barahm und Fadi Jama, die Mörder des 29-jährigen Familienvaters Ido Zoldan, in Kfar Kadum festgenommen. Sie gehören der palästinensischen Polizei an. Das sind die offiziellen Streitkräfte von Präsident Mahmud Abbas, denen man zutraut, gegen die Terror-Kollegen der Hamas vorzugehen.

Man sollte das im Gedächtnis behalten, wenn uns das nächste Mal traurige Kinderaugen und herzzerreißend gestikulierende Klageweiber präsentiert werden.

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