Katharina Szabo / 20.08.2013 / 22:58 / 5 / Seite ausdrucken

Kein Spass am Töten

Seit sich Ende der 60er Jahre eine Gruppe junger Idealisten aufmachte, die Menschheit von Zwängen zu befreien, wissen wir, dass der seelischen Gesundheit nichts abträglicher ist, als das unfreiwillige Unterdrücken der natürlichen Triebe. Darf der Trieb, insbesonders der Sexualtrieb, nicht frei ausgelebt werden, mündet dies in Neurosen und sogar repressiven Gesellschaftssystemen.

Große Fortschritte in Bereich der Sexualforschung waren schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemacht worden. In den 30er Jahren war der menschliche Sexualakt aus der Verdruckstheit eines elterlichen Schlafzimmers befreit und im hellen Licht der Öffentlichkeit zur politischen Angelegenheit erklärt worden. So gründete zum Beispiel der Psychoanalytiker und Sexualforscher Wilhelm Reich im Jahr 1931 den Deutschen Reichsverband für proletarische Sexualpolitik, eine Unterorganisation der KPD. 1933 erschien dann sein Werk ‘Massenpsychologie des Faschismus’, in welchem er einen Zusammenhang zwischen Triebunterdrückung und faschistischer Ideologie darlegte. Vom Hang zur Vielweiberei deutscher Nazigrößen wusste man damals noch nichts. Psychische Gesundheit des Einzelnen und eine friedliche und harmonische Gesellschaft konnten für Reich nur mittels häufigen und korrekt durchgeführten Kopulierens erreicht werden.

Nach Reichs Tod im Jahr 1957 geriet sein Werk kurz in Vergessenheit. Die Studentenbewegung der 70er Jahre sollte ihn allerdings bald darauf neu entdecken und als Wegbereiter der sexuellen Revolution feiern. Auch der Künstler Otto Muehl, Mitbegründer des Wiener Aktionismus, war von Reichs Schriften inspiriert und machte sich an die gesellschaftliche Umsetzung dieser. Als Initiator psychodramatischer Aktionen mit sexueller Thematik hatte er in der internationalen Kunstszene bereits beachtliche Aufmerksamkeit erregt. So schlachtete Muehl gemeinsam mit den Aktionskünstlern Günter Brus, Hermann Nitsch und Oswald Wiener beispielsweise ein Schwein auf der Bühne, überschüttete dabei eine nackte Frau mit Blut und Exkrementen und spielte dazu Weihnachtslieder. Nun wollte er einen Schritt weiter gehen und psychodramatische Aktionen mit sexueller Dynamik gerne auch in der Freizeit praktizieren. Natürlich nicht alleine.

1971 gründete er im Burgenland die Muehl-Kommune, welche bald bis zu 240 Kommunarden beherbergen sollte. Dazu wurden im Laufe der Jahre in einigen europäischen Großstädten zusätzliche Stadtkommunen errichtet, die jeweils um die 40 Mitglieder aufnahmen.

Nach dem Einzug in die Kommune musste man sich den Schädel kahl rasieren und gestreifte Häftlingskleidung überziehen. Die Hauptaufgabe der Bewohner der Kommune bestand neben der Teilnahme an permanenten psyodramatischen Aktionen vor allem darin, sexuell tätig zu sein. Im Namen einer von bürgerlichen Tabus gesäuberten Gesellschaft wurde gedemütigt, geschlagen und vergewaltigt. Aus erzieherischen Gründen nahmen sich Muehl und Kommunarden dabei auch täglich die Kinder vor.

Die Intimität einer Paarbeziehung sowie Konstellationen aus Vater, Mutter, Kind waren selbstverständlich verboten, da die bürgerliche Familie als die ‘Brutstätte aller Geisteskrankheiten’ galt. Ob Wilhelm Reich, der diesen Ausspruch ursprünglich geprägt hatte, als Gegenmodell zur Kleinfamilie und Hort psychischer Gesundheit so etwas wie die Muehl-Kommune vorgeschwebt war, ist nicht überliefert. 1988 wurde Otto Muehl wegen sexuellen Mißbrauchs angeklagt und zu sieben Jahren Haft verurteilt. Als großer Künstler wird der 2013 verstorbene Muehl aber nach wie vor gefeiert.

Die Euphorie, mittels einer befreiten Sexualität den neuen und besseren Menschen zu formen, ist inzwischen abgeebbt. Die Kommunen sind Swinger Clubs gewichen, wo sich aber heute noch jeder, der volljährig ist, gegen Eintrittsgeld an der Schönheit und Natürlichkeit eines puren menschlichen Sexualaktes erfreuen kann.

Ein anderer, dem Menschen innewohnender starker Trieb, ist der Aggressionstrieb. So dachte man zumindest bislang. Ging Sigmund Freud noch von einer natürlichen Neigung des Menschen zum Bösen aus, wissen wir heute, dass Aggression immer eines Auslösers bedarf und somit eine Antwort auf erlittenes Unrecht ist. Schmerz oder Bedrohung sind solche Auslöser. Oder, wie könnte es anders sein, soziale Ausgrenzung.

Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer stellt in seinem Bestseller ‘Schmerzgrenze’ klar, dass aggressives Verhalten lediglich Folge der Erfahrung ist, unfair behandelt worden zu sein. Das Böse gibt es nicht, moralischen Wertungen sollten unterbleiben.

Neurobiologische Versuche würden zudem belegen, dass das menschliche Gehirn keinerlei Glücksbotenstoffe ausschüttet, wenn man einem anderen grundlos Leid zufügt. Niemandem macht das also wirklich Spaß. Wie diese Versuche im Einzelnen abgelaufen sind, kann ich nicht sagen. Sicher ist aber, dass noch kein Forscher den Serotoninspiegel eines jugendlichen Schlägers vor, während und nach einer tödlichen Attacke gemessen hat. Glaubt man den Theorien Bauers, protestierten Onur U. und seine Kumpanen also lediglich gegen soziale Ausgrenzung, als sie Johnny K. solange traten und prügelten, bis er starb.

Freude hat es ihnen nicht gemacht.

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Leserpost

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Alma Ruth / 21.08.2013

Schade, dass wir keine Bonobos sind. Diese lösen ihre Probleme mit sexuellen Aktionen:-))) Dem Menschen ist das Böse angeboren. Er ist das einzige Lebewesen, daß grausam sein kann. Mag sein, daß erfahrene Aggression die Neigung dazu verstärkt oder als Auslöser funktioniert, aber ich bin ziemlich sicher, daß das nicht der alleinige Grund ist. Es liegt am Menschen, wozu er sich - bewußt oder unbewußt- entscheidet. Das kann man sehr gut in den schlimmsten Diktaturen sehen. (Nazi-D., SU). lg Alma Ruth

Hildegard Behrendt / 21.08.2013

Ja. und Vegetarier sind alle friedlich - siehe Hitler. Was für Schwachsinn so produziert wird, um Leute zu schützen, die es nicht verdient haben, geschützt zu werden. Das ist die Suppe, aus der frühzeitige Haftentlassungen oder gar nicht erst einsperren von Straftätern gekocht wird. Wäre der aggressive Mensch nur ein Reflex auf Böses - woher kommt dann das Böse und Brutale?? Diese Antworten sind jedenfalls zu doof.

Clemens Maier / 21.08.2013

Was die Aggressivität männlicher Jugendlicher betrifft, so wäre hinsichtlich der Ursachensuche der erste Adressat das familiäre Umfeld, in der er aufgewachsen ist. Dies ist immer noch die massgebliche Sozialisationsinstanz. Sie trägt auch dazu bei,  mögliche Ausgrenzungserfahrungen verkraften zu können ohne Aggressionen an beliebigen anderen auslassen zu müssen. Auch die Werte des Millieus, in dem jemand aufwaechst, koennen eine nicht unmaßgebliche Rolle spielen.

Klaus Griesbach / 21.08.2013

Frau Szabo, Otto Muehl war jemand der, wie Wilhelm Reich gesagt haben würde, an “emotionaler Pest” erkrankt war. Es geht absolut nicht an, das was dieser kriminelle Macho sich geleistet hat in Verbindung mit Reichs Forschungserkenntnissen zur Sexualität zu bringen, wie sie es getan haben!

Wolfgang Schlage / 21.08.2013

Hoher Status erhöht den Serotoninspiegel, niedriger Status senkt ihn Aus dem Artikel: “Neurobiologische Versuche würden zudem belegen, dass das menschliche Gehirn keinerlei Glücksbotenstoffe ausschüttet, wenn man einem anderen grundlos Leid zufügt.” Der zitierte Satz ist vielleicht richtig (ich kann das nicht überprüfen), die Schlussfolgerung, dass ausübende Gewalt nicht mit Wohlbefinden zu tun hat, aber nicht. Aus meinem Studium sind mir Untersuchungen im Gedächtnis geblieben, die besagen, dass der Serotoninspiegel von Affen mit ihrem Status in der Gruppe korreliert: je höher der Status, desto höher der Serotoninspiegel. Jemanden demütigen, mit oder ohne physische Gewalt, und sich dadurch eine höhere soziale Stellung verschaffen, fühlt sich also sehr gut an. Es erhöht übrigens auch die Gelegenheiten zum Geschlechtsverkehr, zumindest für den männlichen Teil der Spezies, erheblich. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass dies nicht auf Menschen zutrifft. Entgegen der Aussage dieses Artikels bin ich der festen Meinung, dass sich erfolgreich ausgeübte Gewalt, zumindest wenn sie die Rangordnung zu Gunsten des Gewaltausübenden verschiebt (und wie sollte sie das nicht tun), auf Dauer gut anfühlt: Schläger fühlen sich einfach besser. Das gilt besonders dann, wenn ihnen nicht die Fähigkeit der Empathie, die sie das Leiden des Opfers fühlen lassen würde, in die Quere kommt.

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