Anabel Schunke / 18.10.2018 / 16:30 / Foto: Anabel Schunke / 26 / Seite ausdrucken

Kein Platz für Helden 

Oft neigen wir Deutschen aufgrund unserer Vergangenheit dazu, zu glauben, dass wir, wenn es um vorauseilenden Gehorsam und Toleranz bis zur Selbstaufgabe geht, den unangefochtenen Spitzenplatz in der ewigen Rangliste der Bekloppten einnehmen. Dass dem nicht so ist und der Nationalsozialismus längst keine ausreichende Erklärung mehr für den sich vollziehenden Wahnsinn darstellt, wird deutlich, wenn man einmal einen Blick auf das europäische Ausland wirft. 

Gut ein halbes Jahr liegt der islamistische Anschlag von Carcassonne und Trèbes, bei dem der 26-jährige Täter Radouane Lakdim vier Menschen tötete und mindestens 12 weitere verletzte, nun zurück. Unter den Getöteten befand sich auch der Gendarmerie-Offizier Arnaud Beltrame, der sich freiwillig gegen die letzte Geisel austauschen ließ und kurz darauf vom Attentäter getötet wurde. Beltrame, der seine Ehefrau im Juni noch kirchlich heiraten wollte, verstarb am 24. März an den Folgen massiver Schnittverletzungen im Bereich der Kehle. 

Nun wurde ein Antrag auf Umbenennung eines Platzes zu Ehren von Beltrame im Stadtrat der südfranzösischen Metropole Marseille abgelehnt. Als Grund gab man an, dass sich die Bevölkerung Marseilles in den Jahren verändert hätte und ein solcher Platz die Einwohner „provozieren könnte“.

Welche Art von Einwohner sich an der Ehrung eines Nationalhelden, der von einem islamistischen Attentäter ermordet wurde, stören könnten, ließ man dabei offen. Vermutlich handelt es sich aber um dieselbe Klientel, die auch die Mehrheit der Einwohner im Stadtteil Molenbeek der belgischen Hauptstadt Brüssel stellt und über Wochen einen der Attentäter von Paris versteckte

Es trifft wohl doch zu, was der Schriftsteller und Journalist Jean-Claude Izzo einst über Marseille schrieb: 

„Marseille ist keine Stadt für Touristen. Es gibt dort nichts zu sehen. Seine Schönheit lässt sich nicht fotografieren. Sie teilt sich mit. Hier muss man Partei ergreifen. Sich engagieren. Dafür oder dagegen sein. Leidenschaftlich sein. Erst dann wird sichtbar, was es zu sehen gibt. Und dann ist man, wenn auch zu spät, mitten in einem Drama. Einem antiken Drama, in dem der Held der Tod ist. In Marseille muss man sogar kämpfen, um zu verlieren.”

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Martin Landner / 18.10.2018

Nach dem Anschlag von Toulouse wurden Demos für den Attentäter abgehalten - und den Franzosen mit Auslöschung gedroht. Gemäß einer Studie sympathisieren 17% der französischen Muslime mit dem IS. Sorry, aber da fragt man sich, wo die Antirassismusdemos von CDU, SPD & Co sind.

B.Klingemann / 18.10.2018

Ich halte es mit Houellebecq: Das ist UNTERWERFUNG - und zudem die kulturelle Degeneration des WESTENS.

Hans-Peter Dollhopf / 18.10.2018

Am Anfang war das Lied. Am Anfang des Zeitalters der Freiheit, für das Aufklärung gesät worden war, um die Republiken zu ernten, schrieb de Lisle das Lied, das sie die Marseillaise nannten, das Lied aus Marseille. Eine neue Macht aus Brüssel bringt diese goldwerte Epoche zu Ende. Die Kinder des Vaterlandes verwaisen, und wie irre fällt das Ende dem Anfang in die Arme. “Ils viennent jusque dans vos bras”. Das Ende widerspiegelt den Anfang. “Entendez-vous dans les campagnes Mugir ces féroces soldats?” Sie schnitten ihm die Kehle ab. “Égorger vos fils, vos compagnes.” Kind der Republik, Arnaud Beltrame. Er gab Zeugnis vom Geist des Vaterlandes! Im Leben. Im Tod. O Marseille, bleiche Mutter! Wie sitzest du besudelt Unter den Völkern. Unter den Befleckten Fällst du auf.

H.Milde / 18.10.2018

P.S. ich habe vorhin beim Einkauf bei dem Händler meines Vertauens mal wieder 2 Stolpersteine Am Dornbusch,Ffm , gesehen. Vorbei lief ein/e fast komplett Verschleierte/r, nur Sehschlitz. Mir graust´s.

Thorsten Wagner / 18.10.2018

Danke für diesen informativen Artikel. Das in Belgien habe ich nicht mitbekommen. Die Entscheidung des Stadtrats von Marseille ist feige und traurig.

Alexander Mazurek / 18.10.2018

Kein Platz für Helden? Kein Platz für Vernunft! Stattdessen Unterwerfung, soumission. Unter das Kalifat als Abdullah oder unter den Leviathan als Untertan, egal. Die Zeit davor war ja “dunkel”, sagen ja beide ...

Daniel Gildenhorn / 18.10.2018

Liebe Frau Schunke, Ihre Nachricht ist erschreckend. Gehen Sie aber bitte der Sache auf den Grund. Schauen Sie sich die Vor- und Nachnahmen der entsprechenden Entscheider an. Meine große Vermutung ist, weniger stört sich die Bevölkerung als die Munizipalität. Ein Grund, sich zu schämen - und zwar für ganz Frankreich - wäre es aber m.E. allemal. Der Tag, an dem der Antrag abgelehnt wurde, hätte man zu einem nationalen Trauertag erklären müssen!

H.Milde / 18.10.2018

Ist es hier denn anders? Ausländische Terror/Gewaltopfer bekommen hier Gedenkstätten; zu Recht; aber auch schon länger hier Lebende? Man erinnert sich manchmal nur schwer an die va seit 2015 allzuvielen Gewaltopferor in Freiburg, Kandel, Offenburg, etc., aber auch die “Ehrenmorde” innerhalb von Clan/Familien, und zuletzt Köln 15.10.18; durch intolerante Gewalttäter die zT im Namen einer anscheinend menschenopferfordernden “Religion/Kultur”. Auch das GenozidSchicksal ganzer Völker wird zT tabuisiert.  Gibt es da Mahnmale? Nein? Auch aus Rücksicht? #Unteilbar auch im Gedenken?

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