Peter Grimm / 29.01.2020 / 06:00 / Foto: Thomas Bresson / 79 / Seite ausdrucken

Kein Platz für falsche Opfer?

Angriffe auf Politiker sind derzeit ein großes Thema, zuletzt vor allem, seit in den Fenstern und an der Fassade des Wahlkreisbüros des SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby Einschusslöcher unbekannter Herkunft entdeckt wurden. Immer wieder wird bei diesem Thema natürlich auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verwiesen. Wenn Politiker bedroht werden, muss man sich nicht wundern, dass Politiker aktiv werden. Am Donnerstag beraten die Generalsekretäre von CDU, CSU, SPD, Grünen, Linken und FDP über neue Maßnahmen gegen die zunehmenden Drohungen und Angriffe auf ihre Parteifreunde. Denn nur um die scheint es zu gehen, die AfD wurde explizit nicht eingeladen, obwohl sie nach offiziellen Statistiken mal die größte, mal die zweitgrößte Zahl an tätlich angegriffenen Parteimitgliedern stellt.

Dennoch heißt es von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zur Begründung dieser Nicht-Einladung: „Wenn ich ein Feuer löschen will, dann kann ich nicht die Brandstifter mit ins Boot holen“, denn: „Diese Partei steht für die Verrohung des politischen Diskurses, diese Partei grenzt aus. Es gibt Hinweise, dass sie Verbindungen in rechte Terrornetzwerke hat.“

Es müssen gleich „rechte Terrornetzwerke“ sein, da auch für den Genossen Klingbeil die verbale Keule gar nicht groß genug sein kann, wenn es gegen die AfD geht. Möglicherweise hätte es etwas glaubwürdiger geklungen, wenn er von Verbindungen mancher AfD-Mitstreiter ins gewaltbereite rechtsextreme Milieu und zu rechtsradikalen Kreisen gesprochen hätte. Das konnte er wohl nicht in Erwägung ziehen, sonst wäre vielleicht bei manchem aus dem Publikum die Frage aufgekommen, ob es bei der geladenen Linken nicht auch so manche Mitstreiter mit Verbindungen ins gewaltbereite linksextreme Milieu und zu linksradikalen Kreisen gibt?

Zudem ist es eine – wenn auch nicht so schön ins Täter-Opfer-Weltbild von Genossen Klingbeil passende – Tatsache, dass die AfD bei den Angegriffenen deutlich stärker vertreten ist, als es die Linken sind. Vor einem halben Jahr meldete der Informationsdienst des Deutschen Bundestages:

„Politische Gewalt gegen Parteien in Deutschland richtet sich zumeist gegen Mandatsträger und Einrichtungen der AfD. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung (19/10403) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/9862) hervor. Danach wurden im ersten Quartal 2019 217 Straftaten gemeldet, die sich gegen Repräsentanten oder Mandatsträger von Parteien richteten. Davon wurden 114 Straftaten gegen Mitglieder oder Mandatsträger der AfD verübt. 21 Straftaten betrafen Repräsentanten oder Mandatsträger der SPD, 19 der Grünen, 16 der Unionsparteien, und neun Straftaten betrafen Politiker der Linken. Vier Straftaten konnten Repräsentanten oder Mandatsträgern anderer Parteien zugeordnet werden.

Im ersten Quartal 2019 wurden zudem nach Angaben der Bundesregierung 103 Straftaten gemeldet, die dem Unterangriffsziel Parteigebäude zugeordnet wurden. Davon betrafen 41 Straftaten Einrichtungen der AfD. 14 Straftaten betrafen Einrichtungen der Unionsparteien, 13 Einrichtungen der SPD, zehn Büros von den Grünen, neun von den Linken und vier von sonstigen Parteien.“

Gut, es gibt auch etwas andere Zahlen, von denen die Zeit zum Jahresende berichtet. Demnach wären CDU-Politiker am häufigsten angegriffen worden:

„Hier verzeichnete das Bundesinnenministerium 161 Taten. Vertreter der AfD waren 143 Mal betroffen, SPD-Politiker 118 Mal, die Grünen 97, die Linke 45, die CSU 13 und die FDP 12 Mal.“

Doch auch hier belegt die AfD Platz zwei in der Opfer-Statistik. Aber das ist bei manchem Leser vielleicht untergegangen, denn dem war eine ganz andere Zahl vorangestellt:

 „Die Polizei hat im laufenden Jahr 1.241 politisch motivierte Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger verzeichnet. Dies geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Konstantin Kuhle hervor, die ZEIT ONLINE vorliegt. Zuerst hatte die Welt darüber berichtet. Die Zahl entspricht in etwa der des Vorjahres.

Im laufenden Jahr [2019] wurden demnach die meisten Straftaten, insgesamt 440, von Rechtsextremen verübt. 246 Taten seien von Linksextremen verübt worden, 11 seien durch "ausländische Ideologie" motiviert gewesen. In diese Kategorie fällt etwa der Konflikt zwischen Kurden und Türken. 6 Taten seien durch religiöse Ideologie motiviert gewesen. In 538 Fällen konnten die Angriffe keiner der Kategorien zugeordnet werden.“

Dass „die meisten Straftaten, insgesamt 440, von Rechtsextremen verübt“ worden seien, ist bei einer Gesamtzahl von 1241 und 538 ungeklärten Angriffen eine allenfalls politisch aber nicht mathematisch korrekte Aussage. Zumal die Opfer-Statistik damit nicht weggerechnet werden kann.

Um zu Klingbeils Metapher zurückzukehren: Entweder man lädt zu solch einem überparteilichen Gespräch über Gewalt gegen Politiker auch Parteien, bei denen das Verhältnis zu den Brandstiftern nicht ganz klar ist, oder aber man hält sie alle fern von diesem Tisch.

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Leserpost

netiquette:

Andi Nöhren / 29.01.2020

„Generalsekretäre aller Parteien wollen sich treffen.“.              5 Generalsekretäre für eine Partei? Die große links-grüne Partei CDUSPDGRÜNEFDPLINKE braucht doch eigentlich nur noch einen Generalsekretär.

Karl Schmidt / 29.01.2020

Die Gewalt gegen die AfD soll nicht bekämpft werden. Sie wird sogar billigend in Kauf genommen, denn der politische Gegner spaltet die - ansonsten ja einteilige - politische Landschaft. Das kennzeichnet indes jede Demokratie. Wer das als Problem sieht, steht nicht auf dem Boden westlicher Zivilisationen. Wer Gewalt nur gegen ausgesuchte Gruppen verurteilt und bekämpft ebenfalls nicht. Er gehört weder ins Parlament, die Regierung oder in die Rundfunkanstalten. Wir sehen diesem radikalen Schick dabei zu, wie er sich weiter radikalisiert: Es nimmt immer absurde Züge an und ist rational nicht mehr zu erklären. Doch das Land wird von solchen Politikern geführt, obwohl sie dazu offenkundig nicht (mehr) befähigt sind. Unter anderen Umständen hätten die Klingbeils nur Platz in einer Politikkomödie. Doch diese Leute tragen gefährliche Ansichten mit sich herum und sind bereit, anderen zu schaden. Am Rande wird die SED, die - anders als die AfD - tatsächlich schon gemordet und Terror organisiert hat, als “normale” Partei aufgewertet. Sie hat dort ohnehin nichts verloren. Es zeigt zugleich wie verlogen und heuchlerisch die Auswahl der Teilnehmer ist: Es fehlt nicht nur das wichtigste Opfer; es fehlt auch jede Distanz zu Tätern.

Karl-Heinz Vonderstein / 29.01.2020

Die AfD ist also der Brandstifter, betreffend der Angriffe auf Politiker von CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke.Wer ist dann der Brandstifter, betreffend der Angriffe auf AfD Politiker?

Gertraude Wenz / 29.01.2020

Die Worte dieses unsäglichen Lars Klingbeils desavouieren ihn selbst: als Hetzer, Spalter, Diffamierer und Brandstifter, der genau das tut, was er ohne Belege pauschal der AfD vorwirft!

Karla Kuhn / 29.01.2020

Giffey soll Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden, Müller will ein Amt in der Bundespolitik übernehmen. Heute Tagesspiegel. Tja, wenn mir da der Kamm schwillt,  bin ich eben gerne eine “RÄÄCHTE” , denn die “Einheitspartei” beherbergt ja nur die GUTEN, siehe Klingbeil, wahrscheinlich der “OBERGUTSTE !”  Denn, “Die Partei, die Partei, die hat IMMER RECHT” kenne ich noch aus der DDR ! Die hatten auch immer RECHT, bis zum UNTERGANG !

Axel Gojowy / 29.01.2020

für bedrohte Frauen gibt es ja die Frauenhäuser. Wann werden für bedrohte Politiker Politikerhäuser eingerichtet?

Matthias Braun / 29.01.2020

Jeder Angriff auf Politiker oder politische Institutionen, ist ein Angriff auf die DEMOKRATIE. Somit gehören ALLE demokratisch gewählten Parteien mit an den runden Tisch,zur Bekämpfung politisch motivierter Gewalt .Obes Ihnen passt oder nicht Herr Klingbeil.

Stefan Zorn / 29.01.2020

Der Begriff “Kartellparteien” kommt nicht von ungefähr. ..

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