Cora Stephan / 01.07.2008 / 14:32 / 0 / Seite ausdrucken

Kein Herz für Leistungsträger

Wo ist diese Partei, wenn man sie mal braucht? Oder gibt es sie womöglich gar nicht mehr und wir haben nur noch nichts davon gemerkt? Daß sie ein Phantom sind, die Liberalen, eine flüchtige Materie, nie und nirgends zu fassen?
Alle haben sie etwas zu sagen derzeit zu den ureigenen Themen einer liberalen, freiheitlichen Partei – nur die hält sich fein zurück, während es ihrer Klientel an den Kragen geht. Denen, die die FDP in Verkennung der Tatsachen einmal „die Besserverdienenden“ genannt hat. In Wirklichkeit jene ständig schrumpfende Minderheit, die man Leistungsträger heißt – womit weniger gesagt ist, daß sie etwas leistet, sondern daß sie leisten, also zahlen soll. Dieser Mittelstand ist heute zur bedrohten Minderheit geworden, doch während sich für jedes wahre oder vermeintliche Opfer der Verhältnisse ein Betroffenenverband finden läßt, hat diese Minderheit keine Lobby. Mehr noch: alle Welt bemüht sich darum, sie noch weiter schrumpfen zu lassen. Das Biotop für die bedrohte Spezies der Leistungsträger wird eng.
Leistungsträger. Tja. Ein seltsam schillerndes Wort ist das. Denn während die einen sich einbilden mögen, es richte sich auf ihre ureigene Tugend, nämlich immer strebend sich zu bemühen, den eigenen Wohlstand und den der Nation zu mehren, kreativ und fleißig zugleich zu sein beim Erschließen neuer Quellen des guten Lebens – und daraus den Schluß ziehen: „Leistung muß sich lohnen“ – sehen die meisten das ganz anders. Für sie sind Leistungsträger keine stolzen Rösser, sondern Lastesel - Lastenträger, die gefälligst buckeln sollen für all die anderen, denen Berlins Wowereit - „Armut ist sexy“, wir erinnern uns – schon mal attestiert, ihre Schultern seien eben einfach zu schwach, um selbst etwas beitragen zu können.

Leistungsträger sind hierzulande die Zahlmeister der Nation, eine Minderheit, die nicht als schützenswert gilt, sondern die, geht es so fort, immer weiter schwinden wird, ohne Lobby, bei Nachrufen noch zu Lebzeiten. Logisch ist das nicht, daß man die Kuh schlachtet, deren Milch man trinken will. Doch das wäre im Sinne von Nachhaltigkeit gedacht. Politiker aber müssen kurzfristig denken: nämlich wie man für die nächst anstehende Wahl – und es steht ja immer eine an – Mehrheiten organisiert. Leistungsträger bieten keine Mehrheit – zum einen rein rechnerisch nicht. Längst sind die Empfänger von Transferleistungen, also jene, die Leistungen beziehen, in der Mehrheit, weshalb es sinnvoller scheint, sie mit Wahlgeschenken zu ködern als jenen das Leben zu erleichtern, die für die ganzen milden Gaben aufkommen sollen. Das kostspielige, aber für die Rentner im Einzelfall nachgerade lächerliche Geschenk einer Rentenerhöhung ist ein Beispiel für diese Art politischen Kalküls. Daß man den Reichen nehmen müsse, um den Armen zu geben, tönt derzeit wieder laut aus der SPD. Zu denen aber, nämlich zur höchsten Steuerklasse, gehört man heutzutage schon mit einem Bruttoeinkommen von gut 50.000 Euro.
Sich für diese angeblich so Reichen stark zu machen, für jene Leistungs- und Lastenträger, deren Frustration unübersehbar ist, stünde einer liberalen Partei gut an. Allein: die duckt sich weg. Die anderen rechnen einfach besser.
Das andere Kalkül unserer Volksparteien nämlich zielt auf moralische Mehrheiten. Und auch hier geht es nicht um eine vernünftige Kosten-Nutzen-Relation, sondern um althergebrachte moralische Besitzstände, die sich die Grünen frühzeitig angeeignet haben. Mülltrennung etwa ist teuer und sinnlos, aber wer würde daran rühren wollen? Die Atomenergie ist umweltneutral und kostengünstig, aber Windparks, Solarzellen und allerhand verheizbare Rohstoffe liegen der moralischen Mehrheit nunmal am Herzen, und wenn man ganze Regenwälder dafür opfern muß.
Und schließlich: was bedeutet schon die Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte, wenn es um die Herstellung einer besseren, gesünderen, umweltfreundlicheren, kurz: heilen Welt geht? Im deutschen Volksheim gehe es rauchfrei, gesund und sittlich zu. Dafür sorgt Mama Merkel mit benevolenter Hand. Das Trauma Agenda 2010 liegt hinter uns. Wir sind wieder unter die Fittiche des Staates gekrochen. Auf Kosten der Freiheit und der Steuerzahler.
Was das alles mit der FDP zu tun hat? Ja, eben. Nichts.
DeutschlandRadio, Signale, 13. Mai 2008

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com