Alexander Wendt / 27.03.2014 / 15:38 / 6 / Seite ausdrucken

Kein grüner Tatort

Wer gestern Abend als ARD-Zuschauer um 20. 15 Uhr tief in die Augen von Karola Kahane (Katja Riemann) blickte, der konnte keinen Moment daran zweifeln, wie der Film „Die Fahnderin“ ausgehen würde. Denn da stimmte einfach alles: aufrechte Steuerfahnderin mit alliterierendem Namen,  Retrobrille und schwarzer Glatthaarperücke, privat leicht überfordert (Alleinerziehende, Doppelbelastung) jagt einen gertfröbemäßig bösen Unternehmer und Steuerhinterzieher, der natürlich, wie die Fahnderin, auch nur stellvertretend für das System steht.

Steuerfahnder rangieren normalerweise nicht ganz oben auf der Liste der sympathieerzeugenden Berufe. Aber eben das verstand die ARD offenbar als Auftrag. „Es war Zeit, dieses brisante Thema aufzugreifen“, erklärt Programmdirektor Volker Herres im Begleitheft zu „Die Fahnderin.“ Zumwinkel, Hoeneß, soziale Gerechtigkeit, das lässt sich ohne weiteres zu einem pädagogisch wertvollen Themenabend verkneten. Wie Oliver Jungen in der FAZ zu dem Film schreibt, greift das öffentlich-rechtliche Fernsehen allerdings nie ungeschützt ins pralle Leben, wenn es um brisante Zeitkommentare gehen soll – sondern eher zum Transkript ihrer eigenen Polittalkshows oder zum Kommentar der Frankfurter Rundschau. Darauf, die eigenen Thesen und politischen Überzeugungen möglichst hölzern und dramaturgische Lichtjahre entfernt von „House of Cards“ ins Bild zu setzen, verstehen sich die Fernsehspielverantwortlichen der ARD perfekt, und niemand stört sie dabei.

Gäbe es womöglich noch andere öffentlich-rechtlich verfilmbare Topoi als die Jagd auf Steuersünder?  Könnte es nicht auch einen großen ARD-Abendfilm geben, in dem Katja Riemann als Wirtschaftsprüferin das Schwindelsystem einer Windkraftfirma aushebt oder als Kommissarin den Millionenbetrug eines Solarunternehmens enttarnt? Stoff, oder, um mit Herres zu sprechen, „brisante Themen“ gäbe es gerade im Jahr 2014 mehr denn je. Rund 75 000 Anleger von Prokon merken jetzt, dass es sich ihrer Investition eben doch kein „grünes Sparbuch“ handelte, „zu mehr als 100 Prozent abgesichert“. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anfang Mai werden sie sehen, wieviel von dem Anlagekapital – insgesamt 1,4 Milliarden Euro – sie noch zurückbekommen. Die Gläubiger der Windkraftfirmen Windreich und Windwärts fragen sich das auch.  Im Fall des brandenburgischen Solarunternehmens Odersun wissen die Steuerzahler dagegen schon, dass ihre 17 Millionen Euro mit politischer Hilfe in andere Taschen migriert sind – für eine Solarklitsche, die nie etwas Marktfähiges hergestellt hatte. Und gerade jetzt, ein paar Monate vor der Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, geraten Windkraftprojektierer und –Berater in größte Hektik. Schließlich geht es darum, noch schnell ein paar Windparkfondsanteile an gutmutige angegrünte Studienräte zu verscherbeln und die letzten Subventionen abzugreifen, denn ganz allmählich naht das Ende der Umverteilungsparty. Da kann es schon einmal passieren, dass ein Windradgegner im Dorf gemobbt und das Nest eines widerwilligen Schwarzstorchs nächstens vom Baum gesenst wird. Saftigen Stoff für mindestens ein halbes Dutzend Tatort-Grün-Filme und Fernsehspiele gäbe es also genug. Es wäre alles drin, vom Gummistiefelkrimi bis zum Polit- und Wirtschaftsthriller.

Leider fehlt es den öffentlich-rechtlichen Programmmachern an der Überzeugung, dass es sich dabei um die richtige, also verfilmungswürdige Realität handelt.

Es kommt nämlich ganz auf den Blickwinkel an. Auf „Zeit Online“ erschien vor kurzem ein bemerkenswerter Beitrag über das Windunternehmen Prokon mit dem Titel „Die falsche Pleite.“ Inhalt: Die Fima sei eigentlich kerngesund gewesen und nur durch Journalisten und Anlegerschützer in die Pleite geschrieben worden: „Ein Unternehmen, das die Energiewende mitgestaltet, wird als Betrügerfirma denunziert.“ Prokon betreibe sogar ganz vorbildlich einen Betriebskindergarten.

Insofern können wir eigentlich froh sein, dass die ARD ihre Finger von dem Thema lässt. Denn wenn Leute wie Volker Herres auch hier etwas aufgriffen, dann würde das Ergebnis zur besten Sendezeit wahrscheinlich so aussehen: Klaudia Klabauter (Katja Riemann in blonder Glatthaarperücke und mit Halbbrille) versucht sowohl ihre ADHS-Tochter Pippa als auch ihr Windparkprojekt in der Lüneburger Heide durchzubringen. Die Vollwert-Betriebskantine steht schon. Journalist Norbert Natter (Heiner Lauterbach) will ihr kleines nachhaltiges Unternehmen kaputt recherchieren. In einer Nieselregenszene kann Klabauter den perfiden Natter mit Pippas Handy auf einem Parkplatz fotografieren, als er gerade einen prallen Geldumschlag aus der Hand eines Energieriesen (Jürgen Prochnow) im Empfang nimmt.

Allerdings wäre das immer noch besser als der mit hoher Sicherheit nächste brisante ARD-Abendfilm: „Die GEZ-Fahnderin“.


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Leserpost

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Rainer Müller / 30.03.2014

Im Vergleich zum “Tatort” war das Pendant “110” der DDR geradezu harmlos.  

Regina Horn / 29.03.2014

Das ÖR Fernsehen ist kaum noch zu ertragen. Ich bin ein erwachsener Mensch und habe meine “Erziehungsphase” hinter mir. Es geht mir ausgesprochen gegen den Strich, wenn ich in den eigenproduzierten Filmen oder Serien quasi mit der Faust im Nacken auf den höheren Zweck hingewiesen werden, oder der Holzhammer eingesetzt wird, um mich zu belehren, was ich fürderhin wovon auch immer zu halten habe. Der Ausdruck des “betreuten Denkens” ist nicht von mir - ich “plagiiere” hier aber gern, weil mir nichts Treffenderes einfällt. Liebe ZDF (und ARD nicht minder) lasst doch einfach mal die Propaganda weg und macht Fernsehen. Zur Unterhaltung. Und hin und wieder darf es auch lehrreich und informativ sein. Wir sortieren das dann schon richtig ein.

Axel Wahlder / 29.03.2014

Die 42-jähhrige Fahrgästin, die vor kurzem in Berlin-Schöneberg von den je 12- u. 15-Jährigen Mädchen übelst zugerichtet wurde, Anlass - Rauchen in der S-bahn seitens Mädchen - wird sich im Krankenhaus herzlich amüsieren. Über das brisante Thema, versteht sich.

Klaus Metzger / 28.03.2014

Die linken Mainstream-Medien, insbesondere der öffentlich rechtliche Rundfunk, feiern das neue Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das mehr Politikferne desselben fordert. Nikolaus Brender (links) freut sich, dass Roland Koch (rechts) im nachhinein eine Klatsche bekommen hat. Alle Medien unterschlagen einen wesentlichen Teil des BVG-Urteils: “Nicht nur gut organisierte Verbände (Gewerkschaften, Frauenverbände, Sozialverbände, Umweltverbände, Migrationsverbände, Gender-Mainstreaming-Verbände, Gleichgeschlechtliche-Lebensentwürfe-Verbände, Kirchen etc.) sollen beteiligt werden, sondern auch Gruppierungen “kleinerer” Art mit keiner oder geringer Verbandsmacht.” Wer vertritt eigentlich den mehrheitlichen Durchschnittsmichel? Die 51% CDU, CSU, FDP, AfD-Wähler, die Atheisten, die Naturwissenschaftler etc.? Aber in Sendeanstalten, in denen Nasen wie Luc Jochimsen (bitte googeln) über Jahrzehnte ganze Nachrichtenabteilungen prägen dürfen, wird sich nichts am ökosozialistischen “Bildungsauftrag” ändern. Beim täglichen Depressiva-TV hilft nur die OFF-Taste und Achse des Guten lesen, Eike, Science Skeptical, Der Grüne Wahn, Suedwatch etc.

Heinz Tischmann / 28.03.2014

Ich frage mich, was die Produzenten mit dem dediziert jüdischen Namen “Kahane” für die Fahnderin ausdrücken wollen. Oder ist das nur ein kleiner Seitenhieb auf die bekannte Stasi-Spitzelin Anetta K.?

Karl Schurz / 27.03.2014

Systemtreues Schulfernsehen zur Bürgerbildung am Abend. Jetzt fehlt nur noch die richtige Grußformel, damit man den guten Bürger erkennen kann. Mal sehen was sich durchsetzt. Geballte Faust oder die Finger nach oben reckend. ;-)

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