Peter Grimm / 02.01.2024 / 06:15 / Foto: Xaver X. Dreißig / 65 / Seite ausdrucken

Kein Fünftel fürs Weiterregieren

Die FDP-Regierungspolitiker freuen sich über eine Mitgliedermehrheit für den Ampelbestand, die aber gar keine ist. Aber wer um jeden Preis bis zum eigenen Untergang weiterregieren möchte, ist bei der Legitimation nicht wählerisch. 

Die FDP-Basis, also alle Mitglieder, hätte bis zum Neujahrstag ihr Votum zu der Frage abgeben können, ob die einst als liberal geltende Partei weiterhin dienstbarer Mehrheits-Lieferant für die rot-grüne Politik der Ampel-Regierung bleiben oder die inzwischen bei den Wählern mehrheitlich unbeliebte Koalition verlassen sollte. 

Die Befragung musste bekanntlich durchgeführt werden, weil eine Initiative von Mitgliedern, die eine Beendigung der Koalition anstrebten, die nötigen Unterstützer-Stimmen dafür von der Basis bekam. Den meisten Parteifunktionären, Bundestagsabgeordneten und Regierungsmitgliedern war das gar nicht recht. Verständlicherweise, denn eine Erfüllung der Forderung hätte bedeutet, dass FDP-Minister ihre Ämter verlieren würden, deren Protegés ihre Förderer, und falls ein Regierungs-Ende zu Neuwahlen führen sollte, wären auch die Mandate der Abgeordneten in Gefahr. Zwar ist solch ein Mitgliedervotum nicht bindend, aber dennoch ein Signal, das sich nicht völlig ignorieren lässt. 

Deshalb war die Erleichterung in den FDP-Führungsetagen groß, als die Medien nach dem Ende der Befragung am Neujahrstag meldeten: „Knappe Mehrheit bei FDP-Mitgliederbefragung für Verbleib in der Ampel“. Angesichts der Tatsache, dass 52,24 Prozent der 26.058 Parteimitglieder, die an der Abstimmung teilgenommen haben, gegen einen Koalitionsausstieg gestimmt haben, ist das nicht falsch, aber wenn man in Rechnung stellt, dass die FDP 72.100 Mitglieder hat, vielleicht auch nicht ganz richtig. Das bedeutet, dass nur 36,14 Prozent der Mitglieder überhaupt abgestimmt haben. Wenn von denen nur 52 Prozent für den Verbleib in der Ampel-Regierung votiert haben, dann ist das nicht einmal jedes fünfte Mitglied.

Dem lässt sich wie bei allen Wahlen und Abstimmungen mit geringer Beteiligung natürlich entgegenhalten, dass alle, die nicht mit abstimmen, ja demonstrieren, dass ihnen das Ergebnis im Grunde egal ist. Doch lässt sich das in diesem Fall wirklich so leicht sagen? Die Parteiführung hat oft betont, dass das Ergebnis nicht bindend sei, und von Regierungsmitgliedern hörte das Publikum, dass sie in Treue fest zur Koalition stünden. Das motiviert an der Basis sicher nicht gerade zur Stimmabgabe.

„Klarer Auftrag“?

In jedem Fall rechtfertigt dieses Ergebnis nicht die Reaktionen, mit denen die FDP-Spitzenpolitiker an die Öffentlichkeit gingen. Parteichef Christian Lindner will dieses magere Ergebnis als „klaren Auftrag" sehen, „im Regierungshandeln weiter liberales Profil zu zeigen“, berichtete die Welt. Sein Vize Wolfgang Kubicki ergänzte: „Es ist ein gutes Ergebnis, denn es zeigt sowohl den Willen zum Verbleib in der Ampel als auch den Veränderungswillen. Ich bin froh und dankbar, dass eine solche Befragung in meiner Partei möglich ist“. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai freute sich: „Noch nie haben sich so viele Parteimitglieder an einem innerparteilichen Meinungsbildungsprozess der FDP beteiligt.“ Was sagt das eigentlich über das Innenleben einer Partei aus, dass die Funktionäre feiern, wenn nur 36 Prozent der Mitglieder ihr Votum in einer entscheidenden Frage abgeben wollten? Zum Vergleich: Die Mitgliederbefragung zum SPD-Vorsitz hatte seinerzeit unter den Genossen immerhin eine Beteiligung von 54 Prozent. Und auch das ist eigentlich sehr wenig, wenn man bedenkt, welch wichtige Rolle Parteien und ihre Apparate im politischen System der Bundesrepublik spielen, obwohl sie laut Grundgesetz doch eigentlich nur an der politischen Willensbildung mitwirken sollen.

Es geht also weiter mit der Ampelregierung, und bei der Rolle, die die FDP in dieser Koalition spielt, ist der künftige Absturz der Partei absehbar. Das hat sie im Jahr 2013 schon einmal erlebt, dass ihr Mitregieren um jeden Preis zum Ausscheiden aus dem Bundestag führte. Die Landtagswahlen in diesem Jahres werden voraussichtlich ebenfalls ein Desaster für die einst als liberal geltende Partei. 

Nun könnte es der großen Mehrheit der Bürger, die nicht zur Anhängerschaft der FDP zählt, im Grunde egal sein, wenn deren Führung dieser Partei wieder in die außerparlamentarische Opposition steuert, weil sie parlamentarische Opposition nicht sein will. Nur leider zahlen die meisten Bürger den steigenden Preis für ein Fortbestehen dieser rot-grünen Regierung mit FDP-Dienstleistern. Letztere wollen offenbar wirklich erst wach werden, wenn sie von den Wählern abgewatscht werden. Und dabei gäbe es mehr Wahlberechtigte als man glaubt, die eine wirklich liberale Partei sehr gern wählen würden, wenn es denn eine gäbe. 

Aber das ist nicht nur ein Problem der FDP. Auch Sozial- und Christdemokraten bieten den Bürgern, die gern eine tatsächlich sozialdemokratische oder eben konservative Partei wählen würden, nur noch wenig von dem an, was sie einst ausmachte. Das ist leider eine ernste Krankheit der deutschen Parteiendemokratie. Deshalb suchen ständig mehr Wähler nach Alternativen und lassen sich auch von entsprechenden Wahl-Warnungen immer seltener abschrecken. Und dieser Prozess lässt sich nicht dadurch umkehren, dass die Warnungen immer schriller werden, sondern nur durch eine Politik im Interesse der einheimischen Bürger. Auf die Dauer lassen diese sich ihre Interessen eben nicht von Ideologen vorschreiben, sondern bestimmen sie lieber selbst. Und wenn sie selbige kundtun, dann muss man das nur hören wollen. Die FDP-Führung will gerade nicht hören, was ihr die eigene Basis eigentlich durch mehrheitliches Fernbleiben von der Abstimmung mitteilt. 

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: By Xaver X. Dreißig, CC BY-SA 4.0, Link

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Leserpost

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sybille eden / 02.01.2024

” ... die einst als liberal geltende Partei. ” ??? Wann soll das gewesen sein ? Etwa als ein Herr Scheel mit dem Sozialisten Brandt Brüderschaft schloss ? Oder mit dem Sozialisten Schmidt ? Oder mit dem Sozialisten Kohl ? Oder ......... oder….......oder…................... Ralph Darendorf ist im Königreich geblieben, der hat diesen schmierigen korrupten Haufen nicht mehr ertragen !

Dr.H.Böttger / 02.01.2024

Wirklich abgestimmt haben weniger als 40% der Parteimitglieder.  Das liegt, wie vorher kalkulierbar, an der Vielzahl von Karteileichen in den Blockparteien der Nationalen Front.. Bei der CDU hatte ich mal einst im regionalen Rahmen erfahren, daß mindetens 50% einfach nur Zählkandidaten waren, bei denen unklar war, ob die überhaupt noch lebten, zahlten, irgendwann sich noch sehen lassen könnten. Es war vorher absehbar, daß auch bei der FDP einfach 50% garnicht abstimmen werden. Bei den abstimmenden sind also nur die aus (irgendwelchen) Gründen noch aktiven relevant. Dann kommt die Frage, wieviele davon sind Berufsfunktionäre oder gehören zum Umfeld solcher, Dazu noch die handelsüblichen Einfaltspinsel. Einfache Überlegungen dieser Art machten die Führungsclique schon vorher ihrer schmutzigen Absichten offensichtlich ziemlich sicher. Entlarvt hat sich dabei einmal mehr Kubicki. Der besetzt die Planstelle eines Roßtäuschers. Fährt immerzu laut hupend und rechts blinkend herum, um jedesmal, wenn es ernst wird, blitzschnell links mitzumachen. Eine ähnliche Rolle spielte einst (und jetzt wieder ?) Bosbach., Wie der seinerzeit bei einem Auftritt ganz brav die 4 Merkelschen Maiparolen gegen Sarrazin abbetete, war mir seine unsaubere Rolle klar.

Hermine Mut / 02.01.2024

was ich hierzu sagen wollte, habe ich ausversehen in den heutigen Beitrag von Grimm reingetan.  :-(

Karl Emagne / 02.01.2024

36,14 % Wahlbeteiligung bei der FDP? Da wünsche ich mir, dass bei der nächsten Bundestagswahl mindestens 63,86% der FDP-Wähler zu Hause bleiben, auf dass diese völlig überflüssige Partei künftig keinen Schaden mehr anrichte.

Roger Gnurb / 02.01.2024

Bin noch Mitglied, habe keine Aufforderung zur Abstimmung erhalten. Als ich auf der Website danach gesucht habe war NICHTS zu finden! Soweit zur “Qualität” der Umfrage!

Peter Wagner / 02.01.2024

Die echte Schwefel-Partei, wo das dürre gelbe Fähnchen immer nur in die Richtung zeigt, wo Schleimer und Opportunisten ihre Tröge finden.

Klaus Keller / 02.01.2024

An Heiko Stadler: Ich würde die FDP eher mit dem unfähigen Behandler eines Kranken vergleichen, der diesen auch bei völliger Erfolglosigkeit bezahlt. In dieser Analogie sollte sich der Patient einen anderen Arzt suchen. Ein gutes Ärzteteam würde die Selbstheilungskräfte des Volkskörpers aktivieren, der vermutlich an einer Neurose leidet und demnächst mit einer Erschöpfungsdepression zu kämpfen hat. Ich kann noch nicht erkennen das der Patient akut suizidal ist und sich abschaffen will auch wenn es manchmal den Anschein hat.

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