Peter Grimm / 16.06.2024 / 12:00 / Foto: Pixabay / 26 / Seite ausdrucken

Kein Bürgergeld für Kriegsdienst-Verweigerer?

Ist das nur eine Kommunikations-Idee, um generell das Bürgergeld für Ukrainer gesichtswahrend zu Fall zu bringen oder will Deutschland helfen, kampfunwillige Ukrainer an die Front zu bringen?

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sollte es eine großzügige Geste sein: Ukrainische Flüchtlinge, die in Deutschland aufgenommen werden, bekamen sofort das Recht zum Bürgergeld-Bezug. Es war klar, dass sie vor einem Krieg flohen, warum sollten sie dann langwierige Asylanträge stellen? Zudem irgendwie fast alle Verantwortungsträger glaubten oder so taten, als glaubten sie, dass der Krieg nicht lange dauern werde.

Die einen Politiker wollten mit der Bürgergeld-Entscheidung sicher wirklich schnell und unbürokratisch helfen, während mancher Befürworter unbegrenzter Zuwanderung vielleicht insgeheim auch dachte, man könne diese Großzügigkeit vielleicht später unter dem Banner der Gleichbehandlung auf all die Zuwanderer ausdehnen, die von Medienschaffenden gern pauschal als „Flüchtlinge“ oder „Geflüchtete“ bezeichnet werden.

Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ist das Bürgergeld für Ukrainer in der Tat nicht unproblematisch, nämlich im Vergleich zu den Einheimischen. Die müssen nämlich, um Bürgergeld zu bekommen, ihre Bedürftigkeit nachweisen, wozu auch gehört, dass sie zuvor bis zu einer Schutzgrenze ihr Erspartes aufgebraucht haben müssen. Wer wertvollen Besitz sein eigen nennt, soll schließlich nicht auf Kosten der Allgemeinheit leben. Bei Ukrainern gibt es solch eine penible Prüfung der Vermögensverhältnisse nicht. Sie wäre wahrscheinlich auch gar nicht adäquat möglich. 

Anrüchige Kritik

Das wäre alles sicher kein Problem gewesen, wenn diese Regel nur für einige Monate zur Überbrückungshilfe gegolten hätte. Doch alle damaligen Erwartungen eines kurzen Krieges haben sich bekanntlich nicht erfüllt. Und längerfristig ist die großzügige Bürgergeldzahlung ein Problem, auch weil sie, wie ja Statistiken zeigen, die Motivation zur Arbeitsaufnahme lähmt. In anderen EU-Staaten beteiligt sich bekanntlich ein deutlich größerer Anteil der ukrainischen Flüchtlinge am Erwerbsleben als in Deutschland.

Dennoch war Kritik am Bürgergeld für die Ukrainer lange Zeit irgendwie anrüchig. Rückte man damit nicht von der Solidarität mit dem angegriffenen Land ab und spielte dem Aggressor Putin in die Hände? Das will natürlich niemand. 

Heutzutage wird die politische Landschaft immer strenger in gut und böse geteilt. In diesem Landschaftsbild erschien eine Forderung nach dem Ende der Bürgergeldzahlungen für Ukrainer und einer Gleichbehandlung mit anderen Flüchtlingen ganz klar als böse.

Doch jüngst hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) einen Weg gefunden, wie er das Bürgergeld wenigstens für einige Ukrainer infrage stellen kann, ohne in den Verdacht schlechter Gesinnung zu geraten. Man solle, so der Minister, die Zahlung von Bürgergeld an fahnenflüchtige Ukrainer einstellen.

In sich ist das natürlich logisch: Wenn Deutschland den Verteidigungskrieg der Ukraine mit Waffen und Milliarden unterstützt, warum zahlt man dann gleichzeitig den Männern ihren Lebensunterhalt, die in diesem Krieg nicht kämpfen wollen?

Wenn man aber andererseits sieht, aus welchen Gründen Deutschland selbst abgelehnten Asylbewerbern den alimentierten Aufenthalt gestattet, werden deutsche Behörden die ukrainischen Kriegsdienstverweigerer und Deserteure doch wohl kaum zum lebensgefährlichen Einsatz an die Front zwingen wollen? Oder doch?

„Zwingend über Kurswechsel nachdenken“

Vielleicht ist es aber wirklich nur das kommunikative Vehikel, mit dem am Ende die einstige Bürgergeld-Entscheidung zugunsten der Ukrainer ganz kassiert werden kann. Diesen Eindruck bekommt man zumindest, wenn sich die ersten Unterstützer des Herrmann-Vorschlags zu Wort melden, wie der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU). Der lehne die Zahlung von Bürgergeld an nach Deutschland geflohene wehrfähige Ukrainer ab und hält die Zahlung von Bürgergeld an ukrainische Flüchtlinge generell für falsch, berichtet rnd.de. „Es passt nicht zusammen, davon zu reden, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen und im gleichen Atemzug fahnenflüchtige Ukrainer zu alimentieren“, zitiert ihn das Redaktionsnetzwerk. Und er ergänzt:

„Unabhängig davon hat sich die Entscheidung, Flüchtlingen aus der Ukraine sofort Bürgergeld zu zahlen, als grundsätzlicher Fehler erwiesen. Die Beschäftigungsquote von Ukrainern ist verschwindend gering, weil das Bürgergeld zum Bremsschuh für die Arbeitsaufnahme geworden ist. Die Bundesregierung muss hier zwingend über einen Kurswechsel nachdenken.“

Nach Medienberichten sollen sich noch knapp 210.000 ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren in Deutschland aufhalten, die in ihrer Heimat grundsätzlich als „wehrfähig“ gelten. Die ukrainische Regierung hatte bekanntlich im April entschieden, ihnen im Ausland künftig keine Reisepässe mehr ausstellen zu lassen, um sie zur Registrierung bei der heimischen Armee zu drängen. 

Geht es den deutschen Politikern vielleicht bei dieser Kampagne gegen die Kriegsdienstverweigerer doch nicht nur ums Bürgergeld? Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der Urheber dieser Idee, der das Thema auch auf der nächsten Innenministerkonferenz, die von Mittwoch bis Freitag in Potsdam stattfindet, ansprechen will, hatte laut rnd.de erklärt:

Es könne jedenfalls nicht sein, „dass wir weitere Anstrengungen unternehmen, um die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen Russland zu unterstützen, was ich für richtig halte, und gleichzeitig prämieren, wenn jemand sich der Wehrpflicht entzieht“. Dies gelte umso mehr, als in Deutschland selbst über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert werde.

Ausgerechnet in einer Zeit, in der Deutschland von einer Bundesregierung geführt wird, deren meiste männliche Minister keinen Wehrdienst geleistet haben, ist die Wehrpflicht wieder ein großes Thema, und ausländische Fahnenflüchtige dürfen sich nicht mehr willkommen fühlen.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Pixabay

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A. Ostrovsky / 16.06.2024

Ja sowas. Die Ereignisse wandeln sich mal wieder. Der Axtmörder, der auf der Reeperbahn von der Silbesackstraße kommend “mit einer Axt wahllos Passanten angegriffen hat” ist ein Deutscher. Er hatte in einer Hand einen Dachdeckerhammer und in der anderen einen Lappen, den die Polizei als Molotovcocktail identifiziert hat. Er hat auch keine Polizei angegriffen, sondern die haben ihn mit Reizgas besprüht und als er weggelaufen ist, sind sie hinter ihm her gelaufen und haben von hinten auf ihn geschossen. Das erfüllt fast den Tatbestand “Auf der Flucht erschossen”. Also da stimmt nichts. Das mag ein Irrer sein, aber kein Messermann, sonst wäre die Polizei sehr viel einfühlsamer vorgegangen. Sie hätten den auch nicht verfolgt, sondern wären vor ihm ausgerissen, wenn es ein Afghane oder Syrier gewesen wäre. Also ich fasse mal zusammen: Eine gestellte PSYOP ist aus dem Ruder gelaufen. Es gab keine Opfer, außer dem “Deutschen”. Ich habe den Verdacht, die Zielrichtung wird sich verschieben. Es werden sicher schon wieder Lockdowns vorbereitet und dann wird auf Demonstranten geschossen. Wer sich der Impfung widersetzt wird dann einfach abgeknallt. Das muss natürlich geübt werden. Es sieht so aus, als wenn man das bereits übt. Ich glaube die Propaganda nicht mehr, die haben zu oft und zu unverschämt gelogen. Das ist eine orchestrierte Aktion!

Torsten Hopp / 16.06.2024

Für jeden, den wir so vorm Kriegsdienst und Tod bewahren, ist das Geld gut angelegt. Solche Worte gehen den Kriegstreibern leicht von den Lippen.

Johannes Schumann / 16.06.2024

Mich wundert, dass die Widersprüche erst jetzt auffallen. Ukrainer aufzunehmen, war eine ganz schlechte Idee. Auch der Unsinn mit dem Bürgergeld. Das lädt doch zum Betrug geradezu ein. Wir stehen doch kurz vor der Situation, dass wir unsere deutschen Jahrgänge in diesen Krieg schicken und hier in Deutschland beherbergen wir dann wehrfähige Ukrainer. Und dann noch die ganzen anderen “Flüchtlinge”. Wie soll das funktionieren. Ich halte die Wehrpflichtsdiskussion für falsch, weil in keinem anderen Land der Welt könnte man bei dieser Bevölkerungsstruktur eine Pflicht beschließen, die nur deutsche Staatsbürger umfasst. In einer Abschlussklasse sind dann nur noch 20 % Deutsche, davon die Hälfte männlich und die werden eingezogen, oder wie? Profitieren sollen aber alle, die im Land sind. Das kann nicht funktionieren.

Helmut Driesel / 16.06.2024

Es wird da viel Quatsch geredet. Wer diese Leute nicht wie Flüchtlinge aus einem Kriegsgebiet behandeln möchte, also ihnen Asyl anbieten und übergangsweise Geld zahlen, muss das mit allen hier Ankommenden so halten. Oder eben die Unterschriften unter den UN-Flüchtlingskonventionen zurück ziehen. Das ist mit einem Fingerschnipp erledigt, wenn sie Bundesregierung das will. Dann dürfen wir im Falle einer Eiszeit oder eines unerwartet hereinbrechenden Kalifats aber auch nicht nach Süden auswandern wollen. Jedenfalls nicht ohne die gesteigerte Empfangsbereitschaft der Zielländer. Man sieht, es ist ein Thema mit doppeltem Hintergrund.

Holger Kammel / 16.06.2024

Herr Hildebrandt! Die meisten Länder würden uns aus purem Eigennutz aufnehmen! Weil wir im Gegensatz zu den meisten anderen Fluchtschluchzenden ein Gewinn für diese Länder wären. Über Jahrhunderte hat man um deutsche Auswanderer geworben,  warum wohl?

Steve Acker / 16.06.2024

Die ukr Männer hier werden auf Jahre nicht mehr zurück können, und das wissen sie.  Ich kenne selbst ein paar.  Die würden doch dort gelyncht.  Einige wollen auch gar nicht mehr zurück.  Viele sind auch ganz “legal” rueber gekommen, zb als sie noch 17 waren   die ukr betreibt sehr hohen Aufwand gegen landesfluechtige. So wie einst die DDR.

Dr. Dirk Reitz / 16.06.2024

200.000 Mann Dienstpflichtige macht - sofern nur die Hälfte feldverwendungsfähig ist - 20 Infanterie-Brigaden à 5000 Mann. Evtl. eine wirksamere Unterstützung als der Leopard, den die UA offensichtlich nicht lege artis einzusetzen verstand, wie die Verluste zeigen.

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