Vera Lengsfeld / 24.07.2021 / 10:00 / Foto: Imago / 97 / Seite ausdrucken

Katastrophenhilfe nur nach Gesinnungs-TÜV?

Wenn wir auf Politik, Medien und Behörden vertrauen würden, wären wir verloren, aber wir können uns immer noch aufeinander verlassen.

Da stellt sich bei der Flutkatastrophe heraus, dass Deutschlands Katastrophenhilfe auf dem Stand eines Entwicklungslandes ist, dass Politik, Medien und Behörden versagt und die Menschen nicht rechtzeitig gewarnt und evakuiert haben. Das Ausmaß der Katastrophe wäre vermeidbar gewesen, aber die Regierungen von Bund und Ländern und die Verantwortlichen vor Ort, haben Warnungen ignoriert, die schon neun Tage vor der Katastrophe ausgesprochen wurden.

Es bedurfte eines Artikels der Sunday Times, damit das in Deutschland bekannt wurde. Unsere Presse fokussierte sich lieber auf die Behauptung, es wäre alles dem Klimawandel geschuldet, um vom Staats- und Behördenversagen abzulenken. Europäische Wissenschaftler sagen, dass ein „monumentales Systemversagen“ direkt verantwortlich für Tod und Zerstörung gewesen sei. Science Files hat den Artikel übersetzt und er kann auch dort nachgelesen werden.

Nach tagelangem Dauerregen waren die Talsperren bis an den Rand gefüllt, wurden aber nicht vorsorglich abgelassen. Der Rheinisch-Bergische Kreis warnte seine Bürger absichtlich nicht mit Sirenen, weil die Berichterstattung über die Flut „noch nicht breit lief“. Die Leute hätten dann massenhaft die 112 angerufen, das wollte man verhindern. Man fasst es nicht. Ohne Berichterstattung „sorge ein Alarm für Panik“, sagte eine Sprecherin des Kreises t-online. Können die Verantwortlichen dieses Desasters noch in den Spiegel sehen? 

Politik und Medien leben in einer Blase, in der die Realität anscheinend nur noch als beliebig manipulierbar wahrgenommen wird. Da eilt ein SPD-Politiker mit weißen Turnschuhen und adrettem Polohemd an einen Unglücksort, greift sich einen Sandsack, lässt sich ablichten und behauptet, er hätte tatkräftig mit angepackt. Er ist dann beleidigt, wenn er durchschaut wird. Da schmiert sich eine RTL-Moderatorin mit Schlamm ein, um als berichtende Heroine zu posieren. Da läuft eine Millionärstochter zu Twitter-Hochform auf, um die Politik wegen angeblicher Untätigkeit im Klimaschutz anzuklagen. Sie ruft zu Hilfe auf, sagt aber gleichzeitig, dass ihre Fußtruppen in möglichst vielen Orten zu „Klimastreiks“ ausrücken sollen. Tatsächlich anzupacken, ist den verwöhnten Wohlstandsblagen nicht in den Sinn gekommen.

Katastrophe jetzt für den „Kampf gegen rechts“

Der Wasserstand der Steinbachtalsperre wurde von einem privaten Unternehmer (Hubert Schilles, 70 Jahre alt) auf eigene Gefahr durch einen freigebaggerten Abfluss an der Staumauer auf ein Drittel gesenkt. Nach gebannter Gefahr kamen Ministerpräsident Armin Laschet und Innenminister Seehofer vorbei. Laschet entschuldigte sich, einen solchen Auftrag hätte man nicht vergeben können, weil die Gefahr des Nichtgelingens zu groß gewesen sei. Das ist die Verantwortungsscheu, die zwar in den 16 bleiernen Merkel-Jahren zur Staatsräson geworden ist, die wir aber bei Strafe des Untergangs überwinden müssen.

Für mich ist aber die Spitze des Irrsinns, dass die Katastrophe jetzt für den „Kampf gegen rechts“ instrumentalisert wird. Wer die Lage vor Ort verfolgt hat, weiß, dass viele Orte tagelang ohne Hilfe staatlicher Institutionen blieben. Bauern und Bauunternehmer räumten mit ihrem schweren Gerät Schlamm und Schutt beiseite, freiwillige Helfer packten beim Ausräumen von Wohnungen und Kellern mit an. Über Facebook und Twitter benachrichtigte man sich, wo Hilfe gebraucht wurde. 

Aber Politik und Behörden signalisierten von Anfang an, dass ihnen diese Helfer nicht genehm waren. THW twitterte, man solle nicht einfach ins Katastrophengebiet kommen, sondern sich stattdessen bei einem THW-Lehrgang anmelden. Zum Glück sind viele nicht diesem vergifteten Ratschlag gefolgt. Wenn die Hilfe aus der Gesellschaft ferngeblieben wäre, sähe es heute noch zum Verzweifeln aus. Weil sich viele Helfer nicht abhalten ließen, wurde die schärfste Waffe der Staatspropaganda ausgepackt. 

Erst twitterte die Polizei, dass in rheinland-pfälzischen Katastrophengebieten angeblich Rechtsextreme sich als „Kümmerer“ anbieten würden. Man hätte ein Auge darauf, könne aber nicht eingreifen. Die Polizei bedauerte, so lange nicht gegen geltendes Recht verstoßen werde, habe sie keine Handhabe. Jedoch werde man „mit aller Entschiedenheit gegen Menschen einschreiten, die unter dem Anschein von Hilfe die Lage für politische Zwecke missbrauchen“.  

Brauchen Helfer einen Gesinnungs-TÜV?

Auch gäbe es an der „Qualität der Hilfe“ Zweifel. Das rheinland-pfälzische Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung hat in Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Familienzentrum des Vereins „Initiative Eltern stehen auf“ geschlossen, berichtet der „Merkur“.  

In einer Schule wurden Kinder von Flutopfern betreut. Begründet wurde nun deren Schließung wegen der „schlechten Bedingungen“. Es habe weder Strom noch Wasser gegeben, die Flure seien voll von öligem Schlamm gewesen. Aha, weil es keinen Strom und kein Wasser gibt, wofür die Behörden verantwortlich sind, dürfen keine Kinder betreut werden. Außerdem sei die Betreuung durch unqualifiziertes Personal erfolgt. „Bei aller Not, die vor Ort herrscht, müssen Kinder von qualifiziertem Personal betreut werden“, sagte Detlef Placzek, Präsident des Landesamts, dem SWR. Und wenn kein qualifiziertes Personal vor Ort ist, soll sich lieber niemand um die Kinder kümmern, deren Eltern mutmaßlich damit beschäftigt sind, die Flutfolgen zu beseitigen? Was für eine menschenverachtende Logik!

Querdenker würden „das Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen und Strukturen beschädigen“, warnte das Bundesinnenministerium. Das ging gestern über die Medien! Humor ist, wenn man trotzdem lacht, denn niemand beschädigt dieses Vertrauen mehr als Politik, Behörden und Medien, die versagt haben und weiter versagen!

Wer nicht versagt hat, sind die „toxischen Weißen“, Männer und Frauen wie Hubert Schilles, die dort hingehen, wohin sich die Politik wegen der Gefahr nicht wagt und unter Einsatz ihres Lebens noch größeres Unheil abwenden. Wenn wir auf Politik, Medien und Behörden vertrauen würden, wären wir verloren, aber wir können uns immer noch aufeinander verlassen. Das ist die gute Nachricht zum Schluss!

 

Quellen:

https://www.merkur.de/politik/hochwasser-katastrophe-querdenker-corona-kinder-familienzentrum-jugendamt-ahrweiler-rheinland-pfalz-90876848.html

https://www.volksfreund.de/region/polizei-warnt-rechtsextreme-kuemmerer-in-hochwasser-gebieten-unterwegs_aid-61673839

Foto: Imago

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Markus Mertens / 24.07.2021

Schilles hat mehr verdient als das Bundesverdienstkreuz: Er war tatsächlich bereit, sein Leben zu geben. Das Bundesverdienstkreuz ist doch eher etwas für Leute, die einen (imaginären) Sturm der Reichstagstreppe anhalten. Ansonsten muss ich mich meinen Vorrednern(Schreibern) anschließen: Die Partei, welche am stärksten staatszerstörend wirkte und wirkt, mit A. Merkel als Frontfrau, ist auch die Partei, welcher Frau Lengsfeld angehört. Finde den Fehler.

Sabine Heinrich / 24.07.2021

Jetzt wäre es nur folgerichtig, dass die Opfer der Hochwasserkatastrophe, die Angehörige, Freunde und/oder ihr Hab und Gut verloren haben, nur dann etwas von den zum Fremdschämen lächerlichen vom Staat zur Verfügung gestellten Mitteln erhalten, wenn sie weder zu den Querdenkern gehören noch mit ihnen sympathisieren. Gleiches gilt natürlich auch für AfD-Mitglieder oder solche Menschen, von denen bekannt ist, dass sie diese Partei wählen. Der ehrenwerte Bürgermeister von Schuld wird schon wissen, wen er bei der Geldvergabe ausgrenzt. Kann jemand die Bürgermeister anderer Städte nennen, die sich ebenfalls so menschenverachtend verhalten haben wie dieser “Herr” aus Schuld, der hoffentlich von seinen Bürgern, sobald sie Zeit und die Kraft haben, an anderes als ihre zerstörte Existenz, ihre durch gröbste Fahrlässigkeit aller Verantwortlichen getöteten Liebsten, davongejagt wird - und zwar mit Schimpf und Schande! Es ist unerträglich! Und Teile der Polizei haben sich wieder einmal als Feind der Bevölkerung aufgeführt. - Ich spende bei dieser großangelegten Aktion nicht einen Cent, wenn “der Staat” nicht mehr als ein paar Brosamen für die eigene Bevölkerung - die eigene - übrig hat und Bürgermeister mit bewundernswerer “Haltung” mal eben über eine halbe Million € Spenden - gesammelt von dem Querdenker Schippmann (?) - ablehnt. - Unerträglich, dass Kinderbetreuung unmöglich gemacht wird, weil sie von den “Falschen” (Eltern stehen auf) angeboten wird - was natürlich so nicht gesagt wird. Qualifiziertes Personal - dass ich nicht lache!!! Das fehlt doch schon in normalen Zeiten in Kindergärten und anderen Einrichtungen für Kinder an allen Ecken und Enden! Die Angst der behördlichen/politischen Versager, dass Teile der Bevölkerung endlich aufwachen, quillt denen aus jeder Pore - so stark, dass der Angstschweiß bis hierher stinkt! Dass ein privater Unternehmer freiwillig eine lebensgefährliche Aufgabe übernimmt, um weiteres Schlimmes zu verhindern…

Claudius Pappe / 24.07.2021

@Herr Löwe: Das habe ich Herrn Weißgerber auch gefragt und schon einmal, etwas verklausuliert, der Frau Lengsfeld. Auch Herr Vraats schreibt auf der Ache ,auch der war/ist weit oben im System.

Dirk Jungnickel / 24.07.2021

Danke, liebe Vera, dass Du den Finger in die politischen Wunden legst . Es ist an Impertinenz nicht zu überbieten, wenn Medien und Politik ihr schmutziges Süppchen bei diesen tragischen Ereignissen gegen Querdenker, und natürlich Reichsbürger eingeschlossen, kochen. Pfui Teufel !

M.-A. Schneider / 24.07.2021

Danke, Frau Lengsfeld, für diesen Beitrag. Man könnte das Versagen von Staat und Kommune sicher noch weiter ausdehnen, uns ist u.a. von Helfern berichtet worden, dass privat organisierte LKW-Ladungen mit Frischwasser nicht durchgelassen wurden, weil die Vorschriften - u.a. eine Versicherung für die Ladung - nicht eingehalten wurden.  Aber Hauptsache, wir finden die Schuld an der Katastrophe bei den Rechten, den Querdenkern und beim Klima, dafür sorgen Neubauer und Co. in jedem Falle. So kann man wunderbar vom eigenen Versagen ablenken.

heinrich hein / 24.07.2021

Warum einigt man sich nicht darauf, dass. alle rechtsradikal sind ausser den Grünen, die Kinder missbrauchen und Polizisten mit. Steinen beschmeissen? Dann ist die Welt plötzlich viel einfacher. Wenn einWort (rechtsextrem) dauernd ge- und missbraucht wird hat es irgendwann keinerlei Bedeutung mehr. Deshalb ist es mir scheissegal, wen die verlogene Staatspropaganda und deren Lakaien als „rechts“ bezeichnet. Diejenigen, die mit derartigen Begrifflichkeiten jedwede Meinungsfreiheit zerstören agieren als einzige, wie dies dieNationalsozialisten taten!

Walter Ebert / 24.07.2021

Frau Lengsfeld, Sie scheinen etwas grundsätzliches nicht verstanden zu haben: alles, was in diesem Land noch funktioniert, ist Querdenker in rechts. Sei es die Eigeninitiative, sei es tatkräftige Solidarität, sei es die Beschränkung auf das Wesentliche und der Verzicht auf Selbstdarstellung. Sehen wir es also als Zeichen der Anerkennung, wenn jemand als Querdenker bezeichnet wird. Man will damit sagen, das dieser Jemand freiwillig etwas tut, was anderen nützt, und was auch noch funktioniert.

Angie Dahm / 24.07.2021

Aber gut, dass die Impffanatiker im Krisengebiet schnell ein Zelt aufbauen konnten.

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