Jetzt haben sich auch Kanzlerin Angela Merkel und Dunja Hayali vom ZDF in die Diskussion um die Essener Tafel eingeschaltet. Kanzlerin Merkel verkündete in ihrem Kanzlerinnen-Kauderwelsch in einem RTL-Interview nach dem gestrigen Sonderparteitag:
„Ich glaube, da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut. Aber es zeigt auch den Druck, den es gibt, und wie viele Menschen dieses Bedürfnis verspüren. Deshalb hoffe ich, dass man da auch gute Lösungen findet, die nicht Gruppen ausschließen. Aber es zeigt eben auch, wie viele Menschen auf so etwas angewiesen sind.“
Menschen, die mit ihrem sozialen und ökologischen Engagement unserer Gesellschaft unschätzbare Dienste leisten und einen pragmatischen Weg suchen, um die schwierige Situation zu meistern, müssen sich also von der Bundeskanzlerin sagen lassen, dass sie das „nicht gut" findet. Ganz in dem Stil, in dem sie auch politisch unliebsame Bücher als „nicht hilfreich" abkanzelt.
Ihre aktuellen Einlassungen verraten ein äußerst eingeschränktes Verhältnis zur „Mitmenschlichkeit“, die von dieser Regierung sonst wie ein Banner vor sich her getragen wird. Merkels „Mitmenschlichkeit“ wird zu einer Fata Morgana. Ich erinnere daran, dass Mitglieder der letzten Merkel-Regierung dazu aufgerufen hatten, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, während die Regierungschefin verlauten ließ, dass sie keine Schutzsuchenden bei sich zu Hause haben wolle.
Etwas differenzierter argumentiert die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali. Auch sie findet, dass der vorübergehende Aufnahmestopp für Zuwanderer die Botschaft „Germans first“ „weltweit“ verbreite. Deshalb verwundere es nicht wirklich, dass „in der Nacht zu Sonntag die Autos und die hintere Eingangstür reflexhaft mit „Fuck Nazis“-Sprüchen beschmiert wurden“. Hayali übersieht dabei, dass Journalisten-Kollegen es waren, die die angebliche Botschaft „Germans first“ weltweit verbreiteten, indem sie eine bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Lage zeichneten. Nach wie vor sind 75 Prozent der Kunden der Essener Tafel Ausländer.
Immerhin findet Hayali es „grundfalsch“, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unter Diskriminierungsverdacht zu stellen oder sie gar zu Rassisten zu stempeln. „In erster Linie sind das Menschen, die praktisch und unbürokratisch denjenigen helfen, die es bitter nötig haben. Und die diesen Menschen häufig das geben, was ihnen genommen wurde: ihre Würde.“
Aber sie kann es sich nicht verkneifen, von oben herab, ohne jede eigene Erfahrung, wie sie selbst einräumt, Ratschläge zu geben. Die Essener Tafel hätte ihrer Ansicht nach ein besseres Verfahren wählen müssen, um einen „Ausgleich“ herzustellen: Zum Beispiel „Punktesysteme, häufigere Öffnungszeiten, Losverfahren“ und anderes.
Frau Hayali sollte sich einmal vergegenwärtigen, dass es sich bei den Tafelmitarbeitern um Ehrenamtliche handelt, die unbezahlt neben ihren sonstigen Verpflichtungen Essen an Bedürftige ausgeben. Wenn eine hoch bezahlte Frau mehr Engagement von Menschen verlangt, die unentgeltlich arbeiten, ist das schon sehr merkwürdig. Was hält Frau Hayali davon ab, selbst einer Tafel bei der Essensausgabe zu helfen und ihre guten Ideen praktisch einzubringen?