Dirk Maxeiner / 23.03.2018 / 06:25 / Foto: Pixabay / 41 / Seite ausdrucken

Kandel-Tours for free, mit SPD und DGB!

Kandel ist ein eher beschauliches deutsches Städtchen mit nicht einmal 10.000 Einwohnern. Bei airbnb werden immerhin 20 Unterkünfte in der „schönen Südpfalz“ offeriert, tripadvisor führt schöne Gaststätten auf, 14 davon in der Kategorie „deutsch“, jeweils acht „europäisch“ und „mediteran“, einmal „griechisch“ gibt’s auch noch. Zu einer Touristenattraktion hat sich der 2006 eröffnete Hochseilgarten „Fun Forest“ entwickelt. Die Kandeler selbst zieht es eher hinaus in die weite Welt, das örtliche Busunternehmen offeriert Fahrten nach Lourdes, zum Open Air-Konzert in Berlin, zu „Donau in Flammen“ in Linz und in das „Wein- und Ferienland Mosel“.

Kandel schlief friedlich vor sich hin, bis es, wie es Wikipedia euphemistisch umschreibt, durch einen „Kriminalfall in Kandel 2017“, bei dem ein „als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling eingereister, nach Sachverständigengutachten ca. 20 Jahre alter Afghane seine 15-jährige Ex-Freundin erstach“. Seitdem ist in Kandel Medienalarm. Sobald sich jemand zeigt, der ein Journalist sein könnte, holen die Bürger die Wäsche von der Leine und die Kinder von der Straße. In und um Kandel herum ist ein Stellvertreterkrieg um die Lufthoheit in der Debatte um die Zuwanderung ausgebrochen. Und darum, wer nun die Bürger von Kandel repräsentiert – und wer nicht.

Es begann mit einer Demonstration des Frauenbündnisses „Kandel ist überall“, das forderte, „endlich Konsequenzen aus den schrecklichen Verbrechen zu ziehen, die inzwischen überall im Land passieren“. Es wurde medial sogleich in die rechtsradikale Ecke bugsiert und – Gottseibeiuns – eine Nähe zur AfD festgestellt. Das hat den Vorteil, dass man sich nicht mit der Ursache der Proteste auseinandersetzen muss, nämlich mit der Tatsache, dass sich Frauen in Deutschland vielerorts nicht mehr sicher fühlen – und zwar nicht nur solche, die in der Nähe der AfD gesichtet wurden.

Weil nun politischer Geländegewinn der AfD drohte, entstand unter Schirmherrschaft der Obrigkeit die Gegenaktion „Wir sind Kandel“, Unterstützer sind beispielsweise Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, ihr Vorgänger Kurt Beck und eine endlose weitere Reihe von Honoratioren des Landes, die alle für sich in Anspruch nehmen, Kandel zu sein. Das kleine Städtchen kann sich vor staatstragenden Neubürgern gar nicht retten. Nun ist für den kommenden Samstag wieder eine Demonstration von „Kandel ist überall“ angesagt, was naturgemäß eine Reaktion von „Wir sind Kandel“ erfordert.

Die Bösen von „Kandel ist überall“ werden immer mehr 

„Die rechtspopulistischen Parteien und Gruppierungen schüren Ängste und Verunsicherungen bei den Menschen. Es werden Feindbilder beschworen und Institutionen unserer Demokratie in Frage gestellt“, gibt „Wir sind Kandel“ zu Protokoll, und wendet sich „gegen Hetze, Rassismus und Hass. Wir stehen für Demokratie, Respekt und Vielfalt“. Es sei denn, es handelt sich um „Kandel ist Überall“ oder – Gottseibeiuns – die AfD.  Wobei mir eines nicht ganz klar ist. Man kann doch „endlich Konsequenzen aus den schrecklichen Verbrechen zu ziehen, die inzwischen überall im Land passieren“ (Kandel ist überall“), und für „Demokratie, Respekt und Vielfalt“ einstehen („Wir sind Kandel“). Irgendwie kann ich zwischen beiden Aussagen keinen rechten Widerspruch erkennen, eher im Gegenteil. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht ums große Ganze, es geht ums Prinzip, es geht um den Endkampf Gut gegen Böse. „Wir sind Kandel“ (gut) gegen „Kandel ist überall“ (böse).  

Nun haben die Guten von „Wir sind Kandel“ offenbar ein wenig Sorge, zahlenmäßig ins Hintertreffen zu geraten, weil die Bösen von „Kandel ist überall“ immer mehr werden, schließlich sind die überall. Um dieser Geisterarmee des Faschismus auf Augenhöhe entgegen treten zu können, wurde jetzt ein Joint-Venture von SPD und Deutschem Gewerkschaftsbund aufgelegt, das mit einer Busflotte tapfere Widerstandskämpfer aus Nah und Fern nach Kandel karrt, die dort einheimische Bürger simulieren sollen. Von Koblenz bis Trier und von Saarbrücken bis Worms stehen Busse bereit, um die Kombattanten kostenlos nach Kandel zu transportieren. Das erinnert ein bisschen an die Marne-Taxis, die der Legende nach im September 1914 französische Soldaten an die Front nördlich von Paris chauffierten, was zu einem glorreicher Sieg über den Erbfeind führte.

Aktuell kann es allerdings zu der aparten Verwicklung führen, dass ein Gewerkschaftsmitglied, das sich den Bösen von „Kandel ist überall“ angeschlossen hat, von den ebenfalls angereisten Tages-Kandelern ausgepfiffen wird, die sich zu „Wir sind Kandel“ hingezogen fühlen. Wobei Kandidat 1 (böse) mit seinen Mitgliedsbeiträgen, die Anreise von Kandidat 2 (gut) finanziert, allerdings ohne gefragt worden zu sein, ob er mit dieser Verwendung seiner Gewerkschaftsbeiträge einverstanden ist.

Busreise mit angeschlossener Propaganda-Veranstaltung

Weder die stellvertretende Landesvorsitzende der SPD, Julia Troubal, die zur kostenlosen Busreise mit Teilnahme an einer angeschlossener Propaganda-Veranstaltung eingeladen hat, noch der DGB Rheinland-Pfalz, der die Busse kostenlos zur Verfügung stellt, mochten sich bis gestern nachmittag auf eine Anfrage von Achgut.com zur Sache äußern.

Die Kollegen von der Antifa reisen übrigens in der Regel individuell an. Wer dafür aufkommt, ist mir nicht bekannt. Ich kann hier lediglich darüber Auskunft geben wie dies in Thüringen gehandhabt wurde, als im fernen Dresden Demonstranten gegen Pegida gebraucht wurden. 

„Zuschüsse aus dem Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit für Fahrten zu Gegendemonstrationen bei rechtsextremistischen Aufmärschen“ heißt ein Schriftstück (Drucksache 6/946 vom 21.08.2015), das die Thüringer Landesregierung 2015 zähneknirschend auf eine kleine Anfrage im Landtag hin veröffentlichen musste. Demnach flossen zwischen 2012 und 2015 genau 41.263,20 Euro als staatliche Transport-Zuschüsse an entsprechende Gruppierungen. Der Begriff „gelenkte Demokratie“ bekommt angesichts der Busverschickungen jedenfalls eine ganz neue Bedeutung.

Staatsaufmärsche für „Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit“ waren im politischen Arsenal der Bundesrepublik sehr lange Zeit nicht üblich. Angefangen hat damit Gerhard Schröder, der die Massen mit seinem „Aufstand der Anständigen" in Marsch setzte. Auch sein lupenrein demokratischer Freund Putin lässt ganz gerne Claqueure aufmarschieren. Es wird für die Regierenden hierzulande allmählich schwierig, sich über dessen Methoden zu beschweren.

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Martin Stumpp / 23.03.2018

Habe ich das jetzt richtig verstanden, SED und FDGB karren Menschen mit Bussen zu Demonstrationen. Aber das ist doch nicht neu. Hat die DDR doch schon immer so gemacht! Ist vielleicht schon ein bisschen her aber die Konvergenz-Theorie ist ja auch schon ein bisschen älter.

Michael Hoffmann / 23.03.2018

Herr Maxeiner, Sie haben am Ende den wichtigsten Punkt angesprochen, der leider viel zu wenig thematisiert wird. Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht der Bürger, das durch das Versammlungsrecht konkretisiert wird.  Es hat den Sinn, daß der machtlose Bürger die Möglichkeit hat, Protest zu äußern. Der Staat und seine Protagonisten (wie hier die SPD als Regierungspartei) kann per Definition nicht demonstrieren. Absurd wird es, wenn man sich vorstellt, daß diese Demo ja auch beim Ordnungsamt, einer staatlichen Behörde, angemeldet werden muß. Wie kann man erwarten, daß die Behörde im Sinne der Auflagen des BVerfG prüft, ob diese Gegedemo überhaupt zugelassen werden kann? Der Zugang zu praktisch unbegrenzten Finanzmitteln und den Institutionen des Staates zeigt ja schon, daß es sich nicht um Demonstrationen, sondern um staatliche Aufmärsche handelt. Pervertierung des Demonstrationsrechts, Verstöße gegen das GG, Möglichkeit der Selbstlegitimation, Rechtsbruch, Veruntreuung von Steuergeldern, kurz: Machtmißbrauch. Eben nur eine subtilere Form als Demonstrationen niederknüppeln zu lassen.

Loeffel Robert, Bern / 23.03.2018

Das hat schon etwas vom dicken Kim in Nordkorea. Der karrt und bestellt seine Bürger auch zum winken!

Helmut Bühler / 23.03.2018

Nicht nur die DGB-Mitglieder, auch jene der SPD sollten sich überlegen, ob ihre Mitgliedsbeiträge noch gut angelegt sind und gegebenenfalls die Konsequenzen ziehen. Jeder nicht völlig Ideologie-verblendete Mensch wird es widerwärtig und entsetzlich finden, dass jetzt organisiert Leute an den Ort des Verbrechens gekarrt werden, die aller verbalen Verbrämung zum Trotz de facto nichts anderes tun, als den Messerstecher und seine Tat, sowie deren religiös-kulturellen Boden moralisch zu unterstützen und freizusprechen. Pfui SPD und DGB!

Uta Buhr / 23.03.2018

Schlimm genug, dass der Steuerzahler mit seinen hart erarbeiteten Euros diesen Irrsinn auch noch finanzieren muss. Aber wenn ich mich so umsehe und umhöre, habe ich das Gefühl, dass viele Bürger dieses Landes immer noch im falschen Film sind, der ihnen in schönen bunten Bildern vorgaukelt, sie befänden sich in einem reichen Land mit unerschöpflichen finanziellen Mitteln. Wenn jedoch der Geldstrom in nicht allzu ferner Zeit versiegt, wird es viele lange Gesichter geben. Allerdings nur bei Otto Normalverbraucher. Unsere sogenannten “Eliten” haben dann schon lange ihre Schäfchen im Trocknen und lachen sich über die “Abgehängten” halb tot. Bätschi!

Andreas Rühl / 23.03.2018

Seltsam, dass hier - wie doch ansonsten - das Opfer und dessen Familie ein wenig aus dem Blickfeld zu geraten scheint. Für die Familie muss dieses Spektakel - egal von wem inszeniert - doch der reine Horror sein. Vielleicht haben die Eltern gar keine Lust, dass ihre Tochter jetzt als Symbol für die Bedrohung durch Zuwanderung steht, vielleicht erfüllt es sich mit Entsetzen, dass der Mord an ihrer Tochter für “Anti-Rassismus”-Demos missbraucht wird. Vielleicht sollten sich alle, wirklich alle, mal an die Nase fassen und ein paar Sekunden darüber nachdenken, was sie der Familie damit antun. Demos wie Gegendemos haben gewisse Ähnlichkeit mit dem Toten- und Märtyrerkult politisch-religiöser Ideologien (“rechts” wie “links”) und sind daher per se widerwärtig. Das heisst nicht, dass die Tat (und andere Taten) keiner Debatte bedürfen. Sehr wohl ist die nötig. Wer sich der Debatte verweigert, versündigt sich eben auch an den zukünftigen Opfern. Aber wer das einzelne Opfer vor seinen Karren spannt, vergeht sich an den jetzigen Opfern und ihren Angehörigen. Das ist alles so simpel und so primitiv, dass ich mich mehr als nur wundere, warum es sich nicht mehr um eine Selbstverständlichkeit in einer zivilisierten Gesellschaft zu handeln scheint; mir bietet sich ein Bild einer moralischen Verrohung und eines Anstandsverlusts, von beiden “Lagern”, der mich kotzen lässt.

Matthias Friedemann / 23.03.2018

Wenn ich das richtig verstanden habe, sind Teilnehmer von Demonstrationen also subventionsberechtigt (siehe Thüringen). Und so wie ich es gelesen habe, unterliegt die Vergabe von Subventionen dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes. Da nun das Demonstrationrecht auch im Grundgesetz verankert ist, hat dann nicht jeder Teilnehmer einer genehmigten Demonstration somit einen Anspruch auf staatliche Unterstützung bei den Reisekosten? Wo gibts die Antragsformulare?

Ursula Horvath / 23.03.2018

Wir leben in einer total übergeschnappten Gesellschaft. Früher wurden Ausflüge in die Natur gemacht, heute fährt man vollfinanziert von Interessengruppen mit Dieselbussen zu marktschreierischen politischen Events, um sich mal so richtig als treuer Staatsbürger und Guter Mensch zu präsendieren.  Dabei kommt bei Denen keinerlei Scham für dieses Verhalten auf. Es könnte ja sein, dass die Familie der getöteten Maria immer noch in tiefer Trauer ist und weder von der Rechten oder Linken Seite diese marzalischen Auftritte wünscht. Die Frage ist, nimmt die SPD die Abgeordnete Högl mit? Diese lacht und winkt doch so anstandslos schön bei Trauerfeiern!  Nö hier kann man sich nur noch an den Kopf fassen oder wenn man jung genug ist, gleich aus Europa verschwinden. Leider muss ich diesen irren Laden evtl. noch ein paar Jahre ertragen, der jedes Maß und jede Mitte verloren hat, so jedenfalls hatte ich mir meinen Lebensabend nicht vorgestellt.

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