Ulrike Stockmann / 16.07.2021 / 10:00 / Foto: Achgut.com / 139 / Seite ausdrucken

„Antirassistische” Mathematik kommt in kanadische Schulen

Weil Schüler aus Minderheiten schlechter in Mathe abschneiden, soll im kanadischen Bundesstaat Ontario Mathematik jetzt in den kulturellen Kontext der jeweiligen Herkunft der Schüler gesetzt werden.

Anfang des Jahres gab es die Meldung, dass der US-Bundesstaat Oregon ein „antirassistisches“ Trainingsprogramm für Mathematik-Lehrer empfiehlt. Kern der Handreichung war die Deklassierung mathematischer Exaktheit als „Kultur der weißen Überlegenheit“ – die sich auch in dem falschen Anspruch manifestiere, dass Mathematik objektiv sei. Zu den Förderern des Programms gehört unter anderem die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung (Achgut.com berichtete).

Nun gab es die Schlagzeile, dass die kanadische Provinz Ontario für die 9. Klasse einen neuen Mathematik-Plan vorsähe, der laut Toronto Sun Mathematik als „rassistisch, eurozentristisch sowie subjektiv statt objektiv“ bezeichnete.

Grund für die Entwicklung des neuen Plans waren die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten der letzten Jahre: Die Schüler Ontarios schnitten in Mathe immer schlechter ab. An vielen kanadischen Highschools (also in den meisten Provinzen Klasse 9 bis 12) ist es zudem üblich, Schüler je nach Leistung in einen „Grundkurs“ („applied course“) oder „Leistungskurs“ („academic course“) einzuteilen. Vor allem die Schüler der schwächeren Mathe-Gruppen zeigten in den Vergleichstests immer schlechtere Ergebnisse. Zudem nimmt die Einteilung nach Leistung Einfluss auf den beruflichen Werdegang, da in den Kursen für die Leistungsstärkeren logischerweise anspruchsvolleres Wissen vermittelt wird.

Die Schwachen werden nicht stärker, indem die Starken schwächer werden

Schüler schwarzer Herkunft sowie aus anderen Minderheiten beziehungsweise einkommensschwachen Verhältnissen stammend sind im Schnitt häufiger in den Kursen für Leistungsschwächere vertreten, vor allem in Mathematik. Der Bildungsminister Ontarios, Stephen Lecce, reagierte nun darauf, indem er die Praxis der Teilung „systemisch, rassistisch, diskriminierend“ nannte.

Er ergänzte:

„Es ist klar, dass es eine systemische Diskriminierung innerhalb des Bildungssystems gibt, sei es die Ausgrenzung von Schülern aus Minderheiten, die Verweise, die überwiegend Schwarze und indigene Kinder betreffen, oder der Mangel an leistungsbezogener Vielfalt innerhalb unseres Bildungspersonals.“

Ontario reagiert darauf nun, indem die Teilung der Schüler ab Klasse 9 abgeschafft werden soll, beginnend mit Mathematik. Es stellt sich allerdings die Frage, warum man glaubt, leistungsschwächeren Schülern zu helfen, indem man begabteren die Möglichkeit nimmt, ihren Leistungen entsprechend zu lernen. Die Schwachen werden nicht stärker, indem die Starken schwächer werden.

„Antirassistischer Ansatz für die Mathematikausbildung“

Vor diesem Hintergrund geriet am vergangenen Wochenende der neue Mathematik-Plan für Klasse 9 in den Fokus. Denn laut Toronto Sun wurde darin Mathematik bezichtigt, „Rassismus zu normalisieren“ und „nicht-eurozentrisches Wissen auszugrenzen“. Außerdem sei die Rede von einer „subjektiven“ und „dekolonisierenden“ Herangehensweise an Mathematik gewesen.

Alles in allem erinnert die Argumentation an das oben genannte Programm aus Oregon. Wie die Toronto Sun jedoch in einem neueren Artikel vermeldet, seien die zitierten Stellen am Dienstag „stillschweigend“ aus dem Dokument verschwunden (das man hier einsehen kann) und zwar auf Wunsch des Bildungsministers Stephen Lecce. Ein Sprecher der Regierung habe geäußert, dass die Sprache der ursprünglichen Fassung des neuen Mathe-Programms „zu weit gegangen“ sei.

Folgender Absatz der Ursprungsfassung wurde gestrichen:

„Die Mathematik wurde benutzt, um Rassismus und die Marginalisierung nicht-eurozentrischen mathematischen Wissens zu normalisieren, und ein dekolonialer, antirassistischer Ansatz für die Mathematikausbildung macht ihre historischen Wurzeln und sozialen Konstruktionen sichtbar.“

„Mathematik ist innerhalb von Kulturen verankert“

Zum Thema Rassismus ist in dem aktualisierten Dokument allerdings unter anderem noch dieses zu finden:

„Mathematik ist innerhalb von Kulturen und kulturellen Kontexten verankert und wird in diesen produziert. Der Lehrplan zielt darauf ab, das historische Verständnis für die Vielfalt des mathematischen Denkens zu erweitern. In einer antirassistischen und antidiskriminierenden Umgebung wissen die Lehrer, dass es mehr als einen Weg gibt, um eine Lösung zu entwickeln, und die Schüler werden mit mehreren Lösungswegen konfrontiert und ermutigt, mehrere Wege zu erforschen, um Antworten zu finden.

Indigene pädagogische Ansätze betonen ganzheitliches, erfahrungsorientiertes Lernen, das Modellieren seitens des Lehrers und den Einsatz von kooperativen und ansprechenden Aktivitäten.

(…)

Bei der Herstellung von Verbindungen zwischen Mathematik und praktischen Anwendungen werden die Lehrer ermutigt, in Partnerschaft mit Einzelpersonen, Gemeinschaften und/oder Nationen der First Nations (Teile der indianischen Ureinwohner, Anm.d.Red.), Inuit und Métis (weitere indigene Ureinwohner, Anm.d.Red.) zu arbeiten. Die Lehrer können auf respektvolle Weise kulturspezifische Beispiele einbeziehen, die die Kulturen der First Nations, der Inuit und der Métis, ihre Geschichte, ihre heutige Realität, ihr Wissen und ihre Beiträge hervorheben, um das Wissen und die Perspektiven der Ureinwohner sinnvoll und authentisch in den Mathematikunterricht einzubringen. Auf diese Weise stellen kulturspezifische Beispiele indigene Schüler als mathematische Denker in den Mittelpunkt und stärken das Lernen und die Kursinhalte, so dass alle Schüler weiterhin auf eine respektvolle und informierte Weise über verschiedene Kulturen und Gemeinschaften lernen. Geist, Körper und Seele der Schüler werden durch Verbundenheit und Kreativität genährt.“

„Die wissenschaftliche Methode der Grünäugigen“

Gibt es eigentlich etwas rassistischeres, als von vornherein anzunehmen, dass Schüler aus Minderheiten aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes unfähig sind, Mathematik auf herkömmliche Weise zu erlernen? Und seit wann ist die unbestechliche Wissenschaft der Mathematik abhängig von irgendwelchen kulturellen Rahmenbedingungen? 1 und 1 dürfte überall auf der Welt 2 ergeben.

Da fallen mir die Äußerungen des libanesisch-kanadisch-jüdischen Evolutions-Psychologen Gad Saad ein, als er sich kürzlich im Gespräch mit Jordan B. Peterson über Identitätspolitik an Universitäten ausließ:

„Wir grotesk ist es denn bitte, Studenten so etwas beizubringen? Gibt es demnach einen libanesisch-jüdischen Weg der Wissensaneignung? Oder die wissenschaftliche Methode der Grünäugigen? Ist die Verteilung der Primzahlen etwa eine Beleidigung der Identität der Person, die sich mit Primzahlen beschäftigt? Hilft uns wissenschaftliches Arbeiten nicht vielmehr dabei, uns von den Fesseln unserer persönlichen Identität zu befreien?“

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Klaus-Dieter Zeidler / 16.07.2021

Die Kette ist immer so stark wie ihr schwächstes Glied. Das hat bei der Armee, im Fußball und im Puff seine Gültigkeit, sogar bei den Grüninnen und Grünen, wie man gerade sieht.  Beim Rechnen sollten wir eine Ausnahme machen und die Dummen dumm bleiben lassen. Die Dummen können dafür andere Dinge sehr gut. Die meisten Unterbelichteten haben das Zeug zum Superstar. Migrationshintergrund ist da eher von Vorteil.

Heinz Wäscher / 16.07.2021

Ich finde,  man sollte auch andere Schulfächer und Forschungsgebiete einer kritischen Prüfung unterziehen. In der Informatik ist zum Beispiel die Ausgrenzung von Nicht-Binärem strukturell angelegt! Ich finde es auch verletzend für meinen Hund, dass in der Geschichtsforschung immer noch ein humanozentrisches Weltbild vorherrscht.

Stephan Bujnoch / 16.07.2021

Auf der einen Seite stimmt es fröhlich, wenn man feststellen kann, daß der gelebte Schwachsinn nicht nur bei uns grassiert, auf der anderen bedenklich, mit welcher Geschwindigkeit die westliche Dekadenz um sich greift. Aber de-cadere heißt ja bekanntlich runterfallen und das geschieht hinieden mit 9,81 m pro Sekundenquadrat. Kann man sich denn ein Lehrfach vorstellen, das systemisch - um die cerebrale Flatulenz des Bildungsministers aufzugreifen - so vollkommen neutral ist wie die Mathematik? Und die Trennung in Leistungsschwächere und Leistungsstärkere ist eben durch verschieden ausgeprägte Begabungen naturgegeben. Und wo das nicht so ist - und das gibt es zuhauf - spricht man bei uns dann von “bildungsfernen Schichten”, statt den realen Gründen nachzugehen. Es sind diese Euphemismen, die belegen, daß die Verwaltungsnomenklatura längst eine realistische Wahrnehmung abgelegt hat. Stattdessen wird fröhlich vor sich hin geframed, um der eigenen Befindlichkeit willen, versteht sich. Das nennt man auch sich selbst in die Tasche lügen. Wie sagte doch der Held immer im deutschen Kultfilm “Zur Sache Schätzchen”? “Es wird böse enden”. Garantiert.

Jochen Lindt / 16.07.2021

Mathematik ist - wie auch Musik- ein System, dass auf instrumentelle Grundlagen aufbaut. Sind die nicht da, geht nichts. Entweder ich kann ein Instrument spielen oder nicht.  Entweder beherrsche ich die Grundrechenarten, oder ich beherrsche sie nicht. Der Versuch wird sowohl in der Mathematik als auch in der Musik als Dilettantísmus bezeichnet. Der gute Wille ist da, allein es kann(!) kein positives Ergebnis erzielt werden.  Kurz gesagt: Antirassistische Mathematik ist Dilettantísmus, mithin keine Mathematik.

Holger Kammel / 16.07.2021

Klar doch! Nach der Plünderung bei der Aufteilung der Beute: ” Und Du bekommst ein Zehntel.” ” Ein Zehntel ist mir zu wenig, ich will mindestens ein Zwanzigstel.” Mathe ist schon übel. Da gab es auch einmal eine Karikatur eines jungen Mädchens an einer Tafel mit einer angeschriebenen Matheaufgabe. In einer Gedankenblase stand “Schei…., ich werde Nacktmodel.”

Kurt Engel / 16.07.2021

Wieviel Finger hat der Mensch? 10? eine Hand 1 2 3 4 5   andere Hand 6 7 8 9 10 Falsche Rechnung, denn 5(1,2,3,4,5) + 6(10,9,8,7,6) = 11

Gerhard Döring / 16.07.2021

Was wurde ich als junger weißer Bengel diskriminiert nur weil ich die Mathematik auf meine Weise Interpretierte. Beinahe wäre ich einmal nicht versetzt worden. Und die blöden Zeugnisse erst. Selbst meine Eltern mussten manchmal einen Tadel unterschreiben und wieder neuer Ärger. Ach lebte ich doch als farbiges Kind in dieser heutigen Republik welche sich Bundesrepublik nennt weil man gegen die bereits länger hier lebenden Menschen im Bunde ist. Und nun eine Rätsel welches mathematisch mehrere Ergebnisse zulässt: Hab vorne zweie dran und hinten viere drin nun ratet was ich bin

Boris Kotchoubey / 16.07.2021

Würden Menschen rechnen können (Grundschulrechnen + Grundlagen der Wahrscheinlichkeitrechnung), so hätte es keine Corona-Epidemie geben können.

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