Letzte Woche sah ich mal wieder die beliebte VOX-Serie „Shopping Queen“ mit Designer Guido Maria Kretschmer. Für alle, die das Format nicht kennen: In dieser Sendung geht es darum, dass fünf Kandidatinnen – meistens aus verschiedenen Altersstufen – innerhalb von vier Stunden ein möglichst perfektes Outfit zu einem bestimmten Motto zusammenstellen. Zu diesem Zweck erhalten sie jeweils 500 Euro und gehen auf Shoppingtour – im Schlepptau eine Begleitperson sowie ein Fernsehteam. Wenn die Zeit abgelaufen ist, präsentieren sie sich mit ihrem neuen Outfit, inklusive Make-Up und Haarstyling, den anderen Damen auf dem Laufsteg – und diese müssen die Kreation mit Punkten bewerten. So geht es reihum, bis in der fünften Folge Guido Maria Kretschmer die Kandidatinnen trifft und seinerseits jedes Outfit bewertet. So steht am Ende einer jeden Runde eine „Shopping Queen“ fest.
Das Unterhaltungsformat lebt in erster Linie von den eingespielten Kommentaren Kretschmers beziehungsweise der Kandidatinnen zum jeweiligen Geschehen. So ist es immer besonders interessant, zu erfahren, was die Damen hinter dem Rücken über ihre Konkurrentinnen verlauten lassen. Begutachtet wird neben dem fertigen Outfit auch immer die Wohnung einer jeden Kandidatin, während sie gerade auf Shoppingtour ist. Eine jede bemüht sich, vor den anderen so freundlich wie möglich zu sein. Manche Damen entpuppen sich, auch wenn sie einzeln befragt werden, als so liebenswert wie sie sich in der Gruppe präsentieren, während andere, wenn auch meist subtil, nicht versäumen, die Konkurrenz madig zu machen.
Als ich in der letzten Woche bei „Shopping Queen“ zuschaute, stolperte ich jedenfalls über die Kommentare zweier Kandidatinnen, die vor allem angesichts der nicht abreißenden Debatten über Privilegien, Identitätspolitik und Gleichberechtigung nicht uninteressant sind. Und vor allen Dingen beweisen: Attraktivität und guter Geschmack haben nichts mit Gerechtigkeit zu tun.
„Ein Afro! Das wäre ja sooo schön!“
Vergangene Woche hieß das Motto bei „Shopping Queen“ „Fesche Wäsche – Zeige, was der Lingerie-Look alles kann“, gedreht wurde dieses Mal in Hannover. Von Montag bis Freitag erfuhr man, dass gerade alles, was entfernt an Dessous erinnert – beispielsweise Oberteile mit Spitzeneinsatz, Kleider im Négligée-Look oder Bustiers – angesagt sei. Tag für Tag stürzte sich je eine Kandidatin in die Fußgängerzone und die Shoppingzentren der Stadt, um einen gelungenen „Wäschelook“ zu zaubern.
Am Mittwoch, in der dritten Folge, ist Studentin Tracy, 21, an der Reihe. Die Afrodeutsche hat schon einmal folgenden Vorteil: Groß, jung, schlank und hübsch ist klar, dass ihr so ziemlich alles stehen dürfte, wie auch Guido Maria Kretschmar anerkennend aus dem Off anmerkt. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin gelingt es Tracy aus meiner Sicht, ein hervorragendes Outfit im Sinne des Mottos zusammenzustellen. Es wird auch für Guido „der beste Style der Woche“.
Gegen Ende ihrer vier Stunden Shoppingzeit lässt sich Tracy beim Friseur ihre zuvor geglätteten Haare zu einem Afro stylen. Passend dazu werden Kommentare der anderen Kandidatinnen eingeblendet: Ja, Tracy solle als Frisur unbedingt einen Afro tragen, jubeln manche. Das wäre ja sooo schön!
„Jeder sollte die gleichen Voraussetzungen haben“
Tracy läuft schließlich über den Laufsteg, und die anderen sind sprachlos. Manche der Kandidatinnen zeigen sich begeistert, andere sind plötzlich übertrieben kritisch und nicht mehr ganz so großzügig, wie sie sich zuvor gezeigt hatten. „Der silberne Trageriemen deiner Tasche beißt sich mit deinem Goldschmuck“, mäkelt etwa Kandidatin Kati. Doch das ist nicht das einzige, was sie an Tracys Look auszusetzen hat: „Ja, zu deinen Haaren: Klar, das ist eben dein Bonus. Du schüttelst deinen Kopf und bist frisiert.“
Hinter den Kulissen führt Kati über Tracy süffisant weiter aus: „In manchen Bereichen würde ich vielleicht sagen: Sie hat es sich ein bisschen einfach gemacht.“
Das stimmt so nicht, denn wie ausführlich gezeigt wurde, wurde auch Tracys Haar beim Friseur geschnitten, geföhnt und gestylt. Nicht alles, was nach einem Vorteil aussieht, ist auch tatsächlich einer.
Mitstreiterin Joana wird bei ihrer Bewertung noch deutlicher: „Ich hätte mir gewünscht, dass Du die Haare glatt machst. Du hast nun mal gegenüber den anderen den Vorteil, dass Du diesen megageilen Afro hast und ich hätte mir dann doch vielleicht was anderes gewünscht. Aber sieht toll aus!“
In die Kamera sagt Joana später: „Sie hat nun mal die Haarstruktur und deswegen ziehe ich ihr dafür einen Punkt ab, weil ich der Meinung bin, dass jeder die gleichen Voraussetzungen haben sollte, mit seiner Haarstruktur irgendwas Megatolles hinzubekommen.“
Jaja, das ist auch der Sinn eines Styling-Wettbewerbs. Gleiches Recht für alle, bloß keine individuellen Trümpfe oder vermeintlichen Vorteile ausspielen und vor allem größtmögliche Rücksicht auf die Konkurrenz nehmen. Hach! Nun stellt sich abschließend bloß die Frage: Ist das noch Unterhaltungs-TV oder schon ein Fall für die Dialektik nach Marx und Engels?