Milosz Matuschek, Gastautor / 14.06.2021 / 06:15 / Foto: pixabay / 73 / Seite ausdrucken

Kalter Krieg gegen die Freiheit

Von Milosz Matuschek

Den Bürgern werden die Bürgerrechte beschnitten, die Regierungen von Staaten, die ihrer Verfassung nach freiheitliche Demokratien sein sollten, gewöhnen sich an das autoritäre Bevormunden. Doch warum machen das so viele Bürger mit? Die Schweizer hatten am Sonntag die Chance, darüber abzustimmen, doch eine Mehrheit stimmte für das Covid-Gesetz der Regierung. Milosz Matuschek hat diesen Text kurz vor der Abstimmung am Sonntag geschrieben, doch er ist heute immer noch ein treffender Kommentar zum Abstimmungsergebnis und zur Lage in unseren Ländern.

Neulich besuchten mich meine Eltern in Zürich. Meine Familie kommt aus Oberschlesien und verließ Anfang der 80er Jahre den in Polen verhängten „Kriegszustand“ in Richtung Deutschland. „Wie schön es hier doch ist“, meinte meine Mutter beim Spaziergang unweit des Sees bei bestem Sonnenschein, „aber die Schweizer hatten auch weder Krieg noch Kommunismus“. Ich pflichtete bei: „Deshalb sind sie auch so wohlhabend, gesund und normal im Kopf.“ Ist dieser Zustand in Gefahr? Es sind ja oft gerade die Umstände selbst, die einen blind machen für die Umstände. Es ist wie in dem Witz, in welchem ein älterer Fisch an zwei jüngeren Fischen vorbei schwimmt und ihnen zuruft: „Herrlich heute wieder das Wasser, nicht wahr?“. Beide nicken, schwimmen weiter bis einer der jüngeren Fische zum anderen sagt: „Netter Typ, aber sag mal: was ist ‚Wasser‘?“

Die Schweiz ist der Sandkasten

Die Schweiz steht gerade vor einer gewaltigen Bewährungsprobe. Am 13. Juni stimmen die Bürger unter anderem über ein Gesetz für polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (PMT-Gesetz) und das Covid-Gesetz ab. [Die Ergebnisse der Abstimmung finden Sie als Ergänzung am Ende des Textes.] Ersteres baut Bürgerrechte ab, das zweite hebelt die Demokratie aus. Mit dem PMT-Gesetz kann der Staat unter anderem leichter gegen Personen vorgehen, welche „die staatliche Ordnung beeinflussen wollen“, indem sie „Furcht und Schrecken verbreiten“, was beängstigend einfach auch friedliche Kritiker in die Nähe von Terroristen rückt und der Willkür Tür und Tor öffnet. Das Covid-Gesetz gibt dem Bundesrat eine nie dagewesene Machtfülle für die Corona-Maßnahmen und hält zugleich Wirtschaft und Presse mit Fördergeldern still. Es wäre übrigens nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein staatlicher Umbau in Richtung Diktatur auf gesetzlichem Wege erfolgt.

Die Lage ist in der Schweiz insgesamt nicht viel anders als in vielen anderen Ländern, wo Notstandsregime herrschen und massiv an Sicherheitsgesetzen und der Ausweitung staatlicher Überwachung geschraubt wird. Doch die Schweiz ist in einer besonderen Rolle: Sie ist ein Bollwerk der Freiheit. Hier kann der Souverän die Gesetzesvorlage per Abstimmung zu Fall bringen, indem er mit „Nein“ stimmt. Daraus erwächst aber auch eine große Verantwortung. Gehen die Gesetze hier durch, werden sie anderswo erst recht nicht aufzuhalten sein, ganz nach dem Motto: „Wer in der Demokratie pennt, wacht in der Diktatur auf“. Die Schweiz ist quasi der Sandkasten, wo gerade die Probe aufs Exempel gemacht wird, womit der Staat beim Bürger durchkommen kann.

Viele halten das Gerede von der Diktatur-Gefahr für überzogen bis absurd. Diesen Menschen möchte ich mal sagen, was ich absurd finde. Ich finde absurd, dass es offenbar viele Menschen gibt, die glauben, dass sie ihre Freiheiten umso schneller zurückbekommen, je schneller sie sich ihrer Freiheiten entledigen. Haben diese Leute mal in ein Geschichtsbuch geschaut? Ich finde es absurd, wie Regierungen in Babysprache mit dem Bürger kommunizieren, um ihm mit Zuckerbrot und Peitsche jede Maßnahme der letzten Monate aufzunötigen, erst Masken und Lockdowns, nun Impfungen und „grüne Pässe“. Ich finde weiterhin absurd, dass Regierungen sich zu Presseorganen der Pharmaindustrie herabwürdigen, um eiligst entwickelte Impfstoffe unter das Volk zu bringen, deren Langzeitfolgen niemand absehen kann, für welche die Haftung der Hersteller ausgeschlossen ist und deren Risiken und Nutzen in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen, insbesondere für Kinder. Und ich finde es absurd und höchst auffällig, wie mit aller Kraft daran gearbeitet wird, dass Kritiker und Befürworter der Maßnahmen möglichst nicht in einen Austausch der Argumente kommen, sondern mittels Kontaktschuld, Ausgrenzung, Diffamierung und Spaltung in Meinungssilos gepfercht werden. Wann hat Zensur jemals der Menschheit genützt statt nur den Machthabern?

Schauen wir uns einfach an, wo wir vor einem Jahr standen, und wo wir jetzt stehen. Viele hätten sich die heutigen Zustände, wie es zum Beispiel dieser freie Schweizer Bürger auf einer Kundgebung betont, so nie vorstellen können.

Weiterer Sargnagel für die Freiheit

Und die Politik wird nicht müde zu betonen, dass wir schon wieder am Anfang der nächsten Pandemie stehen, schließlich seien die Mutanten im Anmarsch. Es sind gerade die Regierungen dieser Welt, die sich als Paniktreiber hervortun. Ein Fall für das PMT-Gesetz, mitsamt der beratenden Expertenriege? In der Schweiz ist gegen den Leiter der Covid-Taskforce, Martin Ackermann, inzwischen sogar Anzeige erhoben worden. In Deutschland nehmen währenddessen Verfassungsschützer kritische Medienplattformen ins Visier. Kritik wird zunehmend als staatsfeindlich und terrornah eingestuft, während regierungsnahe Experten wie der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach schon von Lockdowns für den Klimaschutz phantasieren und das deutsche Bundesverfassungsgericht solchen Maßnahmen offen gegenüber zu stehen scheint. Wie soll der Bürger in dieser undurchsichtigen Lage noch den Überblick behalten und erkennen, dass die Gefahr für seine Freiheit auch und gerade von einem Staat kommen kann, der für sich in Anspruch nimmt, ihn gerade vor Gefahren zu schützen?

Wir befinden uns in einer Art kaltem Krieg der Regierungen gegen die Bürger, was die Freiheits-DNA unserer Gesellschaften anbelangt. In eiliger Bekämpfung einer propagandistisch aufgeblähten Gefahrenlage codiert man die Regel zur Ausnahme um. Aus einem Klima der Freiheit wird so ein Klima der Freiheiten. Und wer sich jetzt über den Plural freut, sei gewarnt. Denn eine Gesellschaft der Freiheiten ist, wie schon der Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek gewarnt hat, eine Rückkehr in den Feudalismus, in ein Privilegiensystem für die aus Sicht der Machthaber und ihrer Claqueure „Guten und Gehorsamen“. Ein System der Freiheiten ist kein System der Freiheit mehr, sondern ein System der Unterdrückung.

Wir sind nicht erst seit Corona-Zeiten in einer Schieflage, was die Freiheit anbelangt. Der Publizist Raymond Unger hat in seinem aktuellen Buch „Vom Verlust der Freiheit“ die Lage wohl am umfassendsten skizziert: Ob Migrationskrise, Klimakrise oder Coronakrise, jede Krise ist ein weiterer Sargnagel für die Freiheit gewesen. „Werte und Orientierungen haben sich um 180 Grad gedreht. Ehemalige Kämpfer für Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Ökologie verkommen zu willfährigen Helfern globaler Oligarchen. Grüne Politiker, die vor wenigen Jahren noch gegen Genmais und Gensoja auf einem Acker protestiert haben, werben heute für Genversuche direkt im menschlichen Körper. Universitäten, einstmals Hort der Aufklärung, des streitbaren Diskurses und der Freiheit, verkommen zum weinerlichen ‚safe space’. Tugendwächter wachen mithilfe von Cancel-Culture und Politischer Korrektheit über den politischen Diskurs und diffamieren jeden Abweichler als rechts, sexistisch und rassistisch.“

Viele fragen sich angesichts der derzeitigen Situation generell, warum Menschen ihre Freiheit für Vergünstigungen eintauschen. Es muss eine Art von modernem Obskurantismus dahinterstecken, ein Aberglaube. Wer an eine Freiheit glaubt, die man sich erst spritzen lassen muss, glaubt wohl auch an den Weihnachtsmann. Man erwartet sich von der Aufgabe der Freiheit eine Art magische Wirkung, meinte schon der Philosoph Karl Jaspers:

„Man wirft die Freiheit weg im Rausche des die Herrlichkeit erwartenden Gehorsams.“

Und auch für Erich Fromm ging die „Furcht vor der Freiheit“ mit der Delegierung des Denkens auf magische Helfer, wie Autoritätspersonen oder die öffentliche Meinung, Hand in Hand. Die größte Gefahr für die Freiheit droht heute schlicht von Erwachsenen, die sich wie Kinder benehmen.

Dieser Beitrag erschien zuerst als Kolumne im Satiremagazin Nebelspalter und anschließend bei Freischwebende Intelligenz.

Nachtrag:

Die Schweizer Stimmbürger votierten mit 60,21 Prozent für das Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Gesetz) und mit 56,58 Prozent für das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT).

Allerdings versagten sie der Regierung mit einer Gegenstimmenmehrheit von 51,59 Prozent die Zustimmung zum Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen (CO2-Gesetz), dass dem Erreichen der sogenannten Klimaziele dienen sollte.

Quelle: Bundeskanzlei

Foto: Pixabay

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Andreas Mertens / 14.06.2021

=>Den Bürgern werden die Bürgerrechte beschnitten, .... Doch warum machen das so viele Bürger mit?<= Die einfache wie frustrierende Antwort lautet Psychologie. Die Psychologie des Affen namens Homo Sapiens (wobei Sapiens in den meisten Fällen wohl eher der baerbocksche Vita gleicht) Wer sich ein wenig mit dem Konformitätsexperiment (bereits 1951!) von Solomon Asch beschäftigt hat, der erkennt schnell in welcher Gesellschaft er diesen Planeten bewohnt. Der Affe will einfach in Reih und Glied marschieren. Anders zu sein, verursacht bei den Mehrheitsaffen schnell Unbehagen. Aus Unbehagen wird Angst. Und was große verängstigte Affenhorden anrichten können füllt sämtliche Geschichtsbücher. Besonders virulent ist dieser Art Affe in D-Land. Hier läuft sie nicht einfach so herum, hier wird sie gezielt abgerichtet. Hier wird von Kindesbeinen an eingetrichtert das der indigene Affe per se böse ist (so eine Art peccatum hereditarium) und das zu den “Guten” zu gehören erste Bürgerpflicht ist. Was gut ist oder zu sein hat, entscheiden die Affen mit dem Größten Knacks an der Klatsche (vermutlich ICD10 F60.3, aber das ist jetzt Spekulation). Jetzt macht man die mit dem Knacks an der Klatsche auch noch zum Aufseher und fertig ist das polit-mediale Standford Prison Experiment. Da können die Ausgestoßenen der Woche noch so laut um Hilfe schreien. Das hat auch Kitty Genovese nichts genutzt. Schlimmer noch, die Alt-Aufseher wählen ihren Correctiv-Nachwuchs mittels des Milgram-Experiments aus. Nur wer völlig emotionslos bis zum Ende alle Knöpfe drückt der bekommt den Job. Willkommen in der schönen neuen Welt

U. Unger / 14.06.2021

Die Überschrift bringt es auf den Punkt. Wer nicht bereit ist, persönlich dagegenzuhalten wird alles verlieren!

Walter Weimar / 14.06.2021

Es ist ein langer Weg gewesen, dem Volk das Denken abzugewöhnen, ähnlich wie im Auto, wo immer mehr Assistenten die Arbeit übernehmen. Ich freue mich zwar über einen Bremskraftverstärker und eine Lenkhilfe, vermisse jedoch weder Navi noch Rückfahrkamera. Anders ist es bei vielen Mitmenschen, die mir erklären, ohne Navi praktisch nichts mehr zu finden, in keine Parklücke zu kommen, und Spurhalten, ja ich wünsche mir bei manchem er würde sie nutzen. Ganz ähnlich ist es mit Politik und Demokratie. Wie sagte schon Immanuel Kant: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.

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