Wie viel Katastrophe brauchen wir?
Von Jürgen Krönig
Außer Spesen (und reichlich CO2-Emissionen) ist in Bali nicht viel rausgesprungen. Die Klimakonferenz verlief nach vertrautem Muster: hohe Erwartungen zu Beginn, gefolgt von einer Phase tiefen Pessimismus. Dann, als das Scheitern drohte, ein nächtlicher Endspurt, an dessen Ende ein Kompromiss stand, der von den einen als “Schritt nach vorn” gefeiert wird, während grünere Zeitgenossen schier verzweifeln möchten.
Zum vertrauten Ritual gehört noch, dass Bushs Amerika wie immer für die Rolle des Sünders herhalten muss. Mal schauen, ob dieses etablierte Ritual in zwei Jahren bei der Folgekonferenz in Kopenhagen durchbrochen wird.
Einig sind sich die Staaten dieser Welt, neben einer Liste löblicher Beschlüsse (Schutz der Wälder und Hilfe wie Technologietransfer für die ärmeren Entwicklungsländer), nur in einem: Es soll weiter verhandelt werden. Drastische Maßnahmen zum Klimaschutz lassen weiter auf sich warten.
Daraus lässt sich ableiten, dass die Regierungen der Welt von den dräuenden Warnungen der Wissenschaft entweder doch nicht überzeugt sind. Oder sie sind von den Argumenten des UN-Klimarates zwar überzeugt, aber sie wagen es nicht, ihren Völkern die Schmerzen der Entziehungskur (im Westen) und den Verzicht auf rasch wachsenden Wohlstand (China, Indien) zuzumuten, obwohl sie wissen, dass beides notwendig wäre. Der Unwille, die Emissionen herunterzufahren, entspränge dann der Furcht, die notwendigen harten Maßnahmen, um die ökologische Katastrophe in Zukunft abzuwenden, würden zwangsläufig zu katastrophischen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse führen. Beides war wahrscheinlich auf Bali im Spiel.
Europas Politiker verfehlten ihr erklärtes Ziel, verbindliche Zahlen für die Reduzierung der Treibhaus-Emissionen ins Abschlusskommuniqué hineinzuboxen. Man sollte in Europa daraus lernen und den Fehlschlag zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme nutzen. Allzu oft kombinierten die Staaten der EU in der Klimadebatte heuchlerische Rhetorik mit einer beharrlichen Verdrängung unbequemer Realitäten. Die EU sollte aufhören, den klimapolitischen Musterknaben zu spielen und unablässig die eigene Tugendhaftigkeit im Kontrast zu Amerikas Carbon-Sünden herauszustreichen. Keinem Land der EU gelang es in den letzten zehn Jahren, den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Europa produziert mehr CO2-Emissionen als je zuvor.
Klimapolitisch war Kyoto heiße Luft. De facto ist es, als hätte es den Vertrag von Kyoto nie gegeben.
Wirtschaftlich dagegen beginnt Europa die schmerzhaften Folgen des Emissionshandels zu spüren.
Jürgen Krönigs ebenso nachdenklicher wie nüchterner Kommentar zu Bali und dessen Folgen ist hier zu lesen: http://www.zeit.de/online/2007/51/klima-kroenig