Wie das gesellschaftliche Großeganze funktionieren soll, interessiert mich immer weniger, sobald der Ruhestand für mich funktioniert. Zu oft und zu lange durfte ich mir als Kassenarzt anhören, daß mein grundgesetzlich verbrieftes Recht der freien Berufsausübung im Rahmen der Sozialgesetzgebung im Interesse des Allgemeinwohls zurückzustehen hat. Ende 2019, Anfang 2020 verabschiede ich mich mit dann 62 Jahren in die vorzeitige um ca. 28% reduzierte Altersrente. Ich halte es mit dem italienischen Fischer in Heinrich Bölls „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“. Der ist ganz früh, noch in der Nacht, rausgefahren, hat seinen Fang eingebracht und verkauft. Dies reicht für ihn und seine Familie und den Unterhalt seines Bootes. Damit hat er es sich verdient, am späten Vormittag einfach die Sonne zu genießen. Ein Mehr- oder Weiterarbeiten nährt ggf. nur den Sozialneid des Finanzamtes oder der „gesellschaftlichen Kräfte“. Braucht der überhaupt so viel? Kann man da nicht noch was versteuern? Muss der unbedingt in den Urlaub fahren? Der Stadtpark liegt am See und ist so schön grün! Sind 80qm Mietwohnung für zwei Personen nicht viel zu viel? Da können „wir“ doch eine sechsköpfige Flüchtlingsfamilie einquartieren? Nö, arbeiten so daß es reicht und gut. Diesem System keine Minute Arbeitszeit und keinen Groschen zu viel.
Keine Bange Frau Käßmann, von den importierten “Fachkräften” sind ein großer Teil schon mit 21 Jahren Rentner.
Die EKD, zur Projektionsfläche des dominierenden Lifestyles verwahrlost, steht für Beliebigkeiten aller Art. Das Fundament der protestantischen Weltreligionen verkommt im Hort seiner Zeugung zusehends zum populistischen Wahlprogramm gleich dem politischer Parteien. Wenn die eherne, sakrale Grundlage einer Religion zur Disposition steht - Bibelauslegung nach Gusto -, steht damit bald ihr göttlicher Status in Frage; sie mutiert schließlich zum profanen Menschenwerk. Dafür steht nicht nur Frau Käßmann; als Mitglied der EKD schäme ich mich für meine Kirche.
Kässmann hat doch total Recht. Die starren Rentenregeln, vor allem was das Eintrittsalter anbetrifft sind doch vollkommen überholt. Schwer arbeitende Berufe, wie der Maurer, müssten z. B. wesentlich früher in Rente gehen dürfen. Man müsste Mal eine Generalreform des Rentensystems vornehmen. Die Ideen von Käsemann sind daher gut und man muss nicht wie Grimm immer gleich den Hammer rausholen und nach der Finanzierbarkeit schreien. Ein bisschen Sozialneid schwingt in seinen Zeilen doch mit; weiss er nicht, dass Kässmann eine ziemlich erfolgreiche Autorin ist und daher kirchliche Alimentierung nicht mehr braucht ? Ich freue mich auf den ersten Artikel über Kässmann, der ohne das Wort “Trunkenheitsfahrt” auskommt.
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